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Streiterei bei den Bayerischen Staatsforsten geht langfristig zu Lasten des WaldesStichwörter: Politik Waldbewirtschaftung einheimisch

Die nachhaltige Waldbewirtschaftung ist eine große Herausforderung an der viele scheitern. Zu groß ist der Druck, den skrupellose Geschäftsleute, ehrgeizige (und oft auch korrupte) Politiker oder kurzsichtig agierende Bevölkerungsgruppen ausüben.

Wer solche Missstände am ehesten in fernen Regionen vermutet, dürfte sich über Streiterei und den Vertrauensverlust im größten Forstbetrieb Europas, den Bayerischen Staatsforsten wundern. Aber demotivierte Mitarbeiter tun dem Wald nicht gut ... und wie es scheint, geht diese neue Entwicklung in Bayern auf die falschen politischen Entscheidungen zurück.

Kahlschlag in der Chefetage
Bei den Staatsforsten ärgert sich die Belegschaft über kleinliche Einsparungen, nun verliert der Vorstand Macht

Von Christian Sebald

München - Auch in ihrem fünften Jahr kommen die Bayerischen Staatsforsten nicht zur Ruhe. Nach massiver Kritik der Belegschaft an der Personalpolitik und dem Führungsstil in dem Staatsunternehmen hat der Aufsichtsrat unter der Führung von Forstminister Helmut Brunner (CSU) das Vorstandsmitglied Karl Tschacha entmachtet. Brunners Maßnahme gilt als letztes Warnsignal auch an den Vorstandsvorsitzenden Rudolf Freidhager und das dritte Vorstandsmitglied Reinhardt Neft. Die Verträge sämtlicher Vorstandsmitglieder gehen über fünf Jahre. Noch dieses Jahr steht die Entscheidung über ihre Verlängerung an. "Es muss nun endlich Ruhe einkehren in die Belegschaft der Staatsforsten", sagte Aufsichtsratschef Brunner auf Nachfrage. "Die Mitarbeiter müssen ihre wichtigen Aufgaben für den Wald und die Bevölkerung motiviert erfüllen können."

Die Verärgerung und der Frust über das Gebaren des Staatsforsten-Vorstands halten seit dem ersten Tag des Staatsunternehmens vor vier Jahren an. Zuletzt hat sich die desolate Stimmung in der 3000 Mann starken Belegschaft jedoch dramatisch zugespitzt. Anlass war das K 25 genannte Einsparprogramm, das ein Volumen von 25 Millionen Euro hat. Damit will der Staatsforsten-Vorstand auf die massive Wirtschaftskrise und die Einbrüche auf dem Holzmarkt reagieren. In seinem Zuge sollte nicht nur vermehrt auf den Einsatz von Subunternehmern verzichtet sowie die Pflege- und Unterhaltsmaßnahmen in den Staatswäldern auf das Mindestmaß zurückgefahren werden. Personalvorstand Tschacha wollte offenbar zahlreiche kleine und kleinste Einsparungen durchdrücken. Die Belegschaft empfand dies als "pure Schikane".

So wurden etwa den 41 Forstbetrieben die jährlichen Betriebsausflüge gestrichen. Den Waldarbeitern sollte vorgegeben werden, wie viele Urlaubstage sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt des Jahres genommen haben müssen. Und den Betriebsleitern wurden Aufstellungen der Reinigungskosten für die Forstbetriebe zugeschickt mit der Aufforderung, die Differenzen zwischen den jeweiligen Betrieben zu erklären und sie zu bereinigen. "Da ging es um kleinste Beträge, die keinerlei nennenswerte Einsparungen erbracht hätten", sagt ein Insider. "Aber die Belegschaft bis hinauf zu den Betriebsleitern hat sich maßlos geärgert. Und die Motivation, die doch schon längst völlig unten ist, hat immer noch weiter gelitten."

Als kürzlich die Vorgänge in einer Aufsichtsratssitzung zur Sprache kamen, war dort die Verärgerung groß. Denn die Klagen sind nicht neu. Schon eine Mitarbeiterbefragung vor nunmehr zwei Jahren hatte ergeben, dass das Vertrauen der Belegschaft in den Vorstand massiv gestört ist. Schon damals waren der selbstherrliche und willkürliche Führungsstil ein Hauptvorwurf. Vor einem Jahr schrieben dann 240 Förster an den Vorstand und klagten, dass sich an der enormen Arbeitsbelastung, die durch die drastische Verringerung der Revierzahl in den Staatswäldern entstanden sei, trotz aller Versprechen nichts geändert habe. Auch bei den Waldarbeitern, den Büroleuten und in den Servicestellen häuften sich die Beschwerden.

Derweil rissen auch die Proteste von Umweltverbänden gegen Kahlschläge und andere Waldfrevel in den Staatswäldern nicht ab. Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes Naturschutz, führt sie ebenso wie der Vorsitzende des Waldbündnisses in Bayern, der Forstfachmann Hans Kornprobst, auf die "einseitige Gewinnorientierung der Staatsforsten" zurück. Tatsächlich erwirtschafteten die Staatsforsten in ihren ersten vier Jahren Rekordrenditen. Zuletzt lag der Jahresgewinn bei 62 Millionen Euro. Wegen der Wirtschaftskrise ist er aber dramatisch eingebrochen. 2008/2009 hat er sich angeblich halbiert, und die Prognosen sehen sehr düster aus.

Angesichts der neuen Klagen handelte der Aufsichtsrat sehr rasch. Vergangene Woche wurde eine Sondersitzung mit einer Aussprache über die Vorwürfe angesetzt. Die Entscheidung, den Personalvorstand Tschacha zu entmachten, ist offenbar einstimmig gefallen. Der 47-jährige Manager wird von sämtlichen Personalfragen entbunden. Außerdem verliert er die Führung der zwölf Forstbetriebe, die er bisher innehatte. In seiner Zuständigkeit bleiben vor allem die Bereiche Finanzen und Controlling. Wie Tschachas bisherige Aufgaben neu verteilt werden, ist offenbar noch nicht geklärt.

Aufsichtsratschef Brunner sagte, er erwarte sich nun "Fingerspitzengefühl, gerade wenn es um Sparprogrammen und andere wichtige Maßnahmen geht". An die Belegschaft appellierte Brunner, "die Arbeit im Wald mit hohem Engagement fortzusetzen". Mit Tschachas Entmachtung habe man gerade den Mitarbeitern gegenüber ein "Zeichen setzen wollen, dass man die Stimmung im Betrieb sehr ernst nimmt". Der Staatsforsten-Vorstand lehnte eine Stellungnahme ab.

Bayerische Staatsforsten

Mit 720 000 Hektar Staatswald, die sie bewirtschaften, 3000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 340 Millionen Euro sind die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) der größte Forstbetrieb in Europa. Hervorgegangen sind sie am 1. Juni 2005 aus der Staatsforstverwaltung, als unter dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber die Bewirtschaftung der Staatswälder in einer höchst umstrittenen Reform privatisiert wurde, auf dass sie effizienter werde und vor allem Gewinne abwerfe. Seither gehört der größte Teil der bayerischen Förster und Waldarbeiter den BaySF an. Die einstige Forstverwaltung wurde auf ein Minimum abgeschmolzen. Sie ist außer in hoheitlicher Funktion in der Beratung privater Waldbesitzer tätig. Die BaySF untergliedern sich in 41 Forstbetriebe - vom Spessart bis in den Bayerischen Wald und vom Fichtelgebirge bis in den Alpenraum. Die Staatsforsten nehmen in Anspruch, in der Waldwirtschaft strikt auf den Gleichklang von Ökonomie, Ökologie und Gemeinwohl zu achten. Kritiker indes werfen dem Vorstand vor, hauptsächlich die Rendite im Blick zu haben. Tatsächlich belief sich der Gewinn der BaySF 2008 auf 62 Millionen Euro. Davon strich das Finanzministerium 45 Millionen ein. cws

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.155, Donnerstag, den 09. Juli 2009 , Seite 42

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