Pro REGENWALD

Neues Hintergrund Projekte Mitmachen Über uns Mithelfen/Spenden
Please leave these fields blank (spam trap):

Dem System die Stirn bieten und unterdrückerische Macht niederringenStichwörter: Diskussion Lebenswandel mitmachen Wirtschaft

Wir sind für Papiersparen (am besten nur Recyclingpapier verwenden), weniger Fleisch essen und ja kein Holz aus Raubbau einkaufen. Wer dann auch noch sein Auto verkauft, seine Heizung von Elektro auf Holzhackschnitzel umstellt und einen Großteil seines Gemüses im eigenen Garten hochzieht, der darf sich beispielhafter Umweltschützer nennen.

Hilft alles nichts!, schreibt Derrick Jensen ... und wenn man weiterliest, ist man ihm auch nicht böse. Es stimmt. Sich selbst optimieren reicht nicht aus, solange der große Haufen in die falsche Richtung weiterrennt. Die wirklichen Veränderungen müssen in Wirtschaft und Politik passieren und dazu braucht es auch den Druck vom selbst-optimierten Umweltschützer oder der selbst-optimierten Umweltschützerin.

Vergessen Sie kürzere Duschgänge: Warum persönlicher Wandel nicht gleich politischen Wandel bedeutet

Von Derrick Jensen

Würde irgendeine zurechnungsfähige Person glauben, dass das Wühlen im Müll Hitler aufgehalten hätte oder, dass Kompostieren die Sklaverei beendet oder den Acht-Stunden-Tag herbeigeführt hätte, oder dass Holzhacken oder das Tragen von Wasser Insassen aus den zaristischen Gefängnissen befreit hätte, oder dass nackt um ein Feuer zu tanzen geholfen hätte, den Voting Rights Act von 1957 oder den Civil Rights Act von 1964 ins Leben zu rufen? Warum greifen dann jetzt, da die ganze Welt auf dem Spiel steht, so viele Leute auf diese vollkommen persönlichen „Lösungen“ zurück?

Unter anderem liegt es daran, dass wir Opfer einer Kampagne geworden sind, die uns systematisch in die Irre geleitet hat. Konsumentenkultur und kapitalistische Gesinnung haben uns gelehrt, organisierten politischen Widerstand zugunsten persönlicher Konsumhandlungen (oder der Aufgeklärtheit) aufzugeben. An Inconvenient Truth half, das Bewusstsein für den Klimawandel zu steigern. Aber ist Ihnen schon aufgefallen, dass alle Lösungsvorschläge mit dem persönlichen Verbrauch zu tun hatten – Glühbirnen zu wechseln, Reifen aufzupumpen, halb so viel zu fahren – und nichts mit dem Versuch, die Macht der Konzerne zu einzuschränken, oder die Wachstumswirtschaft zu stoppen, die den Planeten zerstört? Auch wenn jeder Bürger der Vereinigten Staaten alles tun würde, was in dem Film vorgeschlagen würde, würden sich die Emissionen der Vereinigten Staaten nur um 22% senken. Der wissenschaftliche Konsens ist, dass die Emissionen um mindestens 75% weltweit reduziert werden müssen.

Oder sprechen wir einmal vom Wasser. Wir hören so oft, dass der Welt das Wasser ausgeht. Menschen sterben am Wassermangel. Flüsse trocken durch Wassermangel aus. Daher müssen wir weniger lange duschen. Weil ich dusche, bin ich für die Abesenkung des Grundwasserspiegels verantwortlich? Nun eigentlich nicht. Mehr als 90% des von Menschen verbrauchten Wassers wird von der Landwirtschaft und Industrie genutzt. Die restlichen 10% verteilen sich auf Gemeinden und wahrhaftig lebende, atmende Einzelpersonen. Insgesamt verbrauchen die kommunalen Golfplätze mehr Wasser als die in der Gemeinde lebenden Menschen. Menschen (sowohl homo sapiens als auch Fischmenschen) sterben nicht, weil der Welt das Wasser ausgeht. Sie sterben, weil ihr Wasser gestohlen wird.

Wenden wir uns der Energie zu. Kirkpatrick Sale fasste es einmal passend zusammen: „Während der letzten 15 Jahre, war es jedes Jahr das Gleiche: der individuelle Verbrauch – ob im Haushalt, mit dem Privatauto und so weiter – ist nie mehr als ein Viertel des Gesamtverbrauchs; die überwiegende Mehrheit ist kommerziell, industriell, korporativ, forstwirtschaftlich und von der Regierung [er hatte das Militär vergessen]. Wenn wir also alle das Radfahren anfangen und Holzherde benutzen würden, würde dass nur vernachlässigbare Auswirkungen auf den Energieverbrauch, die globale Erwärmung und die atmosphärische Verschmutzung haben.“

Oder aber, wir sprechen vom Müll. 2005 belief sich die kommunale Müllproduktion (das heißt, so ziemlich alles was vor die Tür gestellt wird) pro Kopf auf ungefähr 1.660 Pfund. Nehmen wir mal an, Sie sind ein eingefleischter, einfach lebender Aktivist, und verringern dies auf Null. Sie recyclen alles. Sie nehmen Leinensäcke zum Einkaufen mit. Sie reparieren Ihren Toaster. Ihre Zehen schauen schon aus Ihren alten Tennisschuhen. Das ist noch nicht alles. Da der kommunale Müll nicht nur Haushaltsabfälle, sondern auch die Abfälle der Regierungsbüros und Firmen beinhaltet, marschieren Sie zu diesen Büros mit einem Pamphlet zur Abfallverringerung in der Hand und überzeugen sie, ihre Abfälle soweit zu reduzieren, dass Ihr Anteil dadurch getilgt wird. Uh, da ich hab schlechte Nachrichten. Kommunaler Müll macht nur ungefähr 3% der gesamten Müllproduktion der USA aus.

Ich möchte mich klar ausdrücken. Ich sage nicht, dass wir nicht einfach leben sollen. Ich lebe selbst relativ einfach; aber ich tue auch nicht so, als ob wenig zu kaufen (oder wenig zu fahren, oder keine Kinder zu haben) eine einflussreiche politische Tat, oder höchst revolutionär sei.

Wie kommt es dann, dass nun, da die ganze Welt auf dem Spiel steht, wir diese völlig unzureichenden Reaktionen [auf den Klimawandel] akzeptieren? Ich denke es liegt zum Teil daran, dass wir in einer Zwickmühle stecken. Eine Zwickmühle ist eine Situation, in der einem mehrere Möglichkeiten gegeben werden, aber wofür auch immer man sich entscheidet, man verliert, und Rückzug gibt es nicht. In dieser Lage, sollte es ziemlich leicht sein zu merken, dass jede Tat, die die Industriewirtschaft involviert, zerstörerisch ist (und wir sollten nicht so tun, als könnten uns zum Beispiel Solarzellen davor retten: auch deren Herstellung benötigt in allen Produktionsstadien Infrastrukturen für Bergbau und Transport; dasselbe gilt für jede andere der sogenannten ‚grünen Technologien‘). Wenn wir also Möglichkeit eins wählen – wenn wir eifrig an der Industriewirtschaft teilnehmen – dann mögen wir kurzzeitig denken, wir würden dabei gewinnen, da wir möglicherweise Wohlstand anhäufen, die Messlatte des „Erfolges“ in dieser Kultur. Aber wir verlieren, da wir dadurch unsere Empathie, unsere sinnliche Menschlichkeit aufgeben. Und wir verlieren wirklich, da die industrielle Zivilisation den Planeten tötet, was bedeutet, dass alle verlieren. Wenn wir uns für die ‚Alternative‘ entscheiden, einfacher zu leben, und so weniger Schaden anzurichten, aber die Industriewirtschaft weiterhin nicht davon abhalten, unseren Planeten zu vernichten, mögen wir kurzzeitig denken, wir gewinnen, weil wir uns unbefleckt fühlen können und nicht einmal all unsere Empathie haben aufgeben müssen (nur genug, um zu rechtfertigen, dass man die Gräueltaten nicht verhindert); aber wiederum verlieren wir eigentlich, da die industrielle Zivilisation immer noch den Planeten auslöscht, was bedeutet, dass immer noch alle verlieren.

Die dritte Möglichkeit, entschieden zu handeln, um die Industriewirtschaft aufzuhalten, ist aus mehreren Gründen ziemlich furchteinflößend, nicht zuletzt, aber nicht nur dadurch, dass wir einige der Bequemlichkeiten (wie zum Beispiel Elektrizität), an die wir uns gewöhnt haben, aufgeben müssten, und die Tatsache, dass diejenigen, die an der Macht sitzen, versuchen würden, uns umzubringen, wenn wir ihre Fähigkeit, die Welt auszubeuten, ernsthaft behindern würden – was nichts an der Tatsache ändert, dass es eine bessere Wahl ist, als ein toter Planet. Jede Alternative ist besser, als die eines toten Planeten.

Neben der Tatsache, dass wir zu ineffizient sind, um die Veränderungen herbeizuführen, die nötig sind, um diese Kultur davor zu bewahren, den Planeten zu vernichten, gibt es noch mindestens vier andere Probleme damit, bescheiden zu leben als eine politische Tat zu betrachten (im Gegensatz dazu, bescheiden zu leben, weil es das ist, was man will). Das erste ist, dass es auf die irrtümliche Annahme baut, dass Menschen unweigerlich ihrer natürlichen Umgebung Schaden zu fügen. Wir können Flüsse rehabilitieren, wir können uns giftiger Neophyten entledigen, wir können Dämme entfernen, wir können ein politisches System, dass die Reichen und ein extraktives Wirtschaftssystem begünstigt zum Erschüttern bringen und wir können die Industriewirtschaft zerstören, die die reale, physische Welt zerstört.

Das zweite Problem dabei – und es ist ein weiteres Großes – ist, dass es fälschlicherweise Individuen die Schuld zuweist (und besonders denen, die besonders machtlos sind) anstatt denen, die eigentlich die Macht in diesem System haben und dem System selbst. Um nocheinmal Kirkpatrick Sale zu zitieren: „Dieser ganze individualistische was-du-tun-kannst-um-die-Welt-zu-retten Schuldtrip ist ein Märchen. Wir, als Individuen, verursachen die Krisen nicht, und wir können sie nicht lösen.“

Das dritte Problem ist, dass es die kapitalistische Neudefinition von uns als Konsumenten, statt Bürgern, akzeptiert. Indem wir dies akzeptieren, verringern wir unsere verschiedenen Möglichkeiten des Widerstands gegenüber dem Konsum und Nichtkonsum. Bürger verfügen über eine weitaus größere Spanne verfügbarer Widerstandstaktiken, so wie Wählen und Nichtwählen, die Bewerbung um ein politisches Amt, Flyer, Boykott, organisierter Widerstand, Lobbying, Proteste, und, wenn eine Regierung anfängt, das Streben nach Leben, Freiheit und Glück zu zerstören, haben wir das Recht sie zu ändern oder abzuschaffen.

Das vierte Problem ist, dass die Konsequenz der Logik, die hinter einem bescheidenen Leben als politischem Akt steckt, der Selbstmord ist. Wenn jede Tat innerhalb einer Industriewirtschaft zerstörerisch ist, und wir diese Zerstörung nicht stoppen wollen, und wenn wir nicht willens (oder nicht in der Lage) sind, die intellektuellen, moralischen, wirtschaftlichen und physischen Infrastrukturen, die bewirken, dass jede Tat innerhalb einer Industriewirtschaft zerstörerisch ist, in Frage zu stellen (geschweige denn zu zerstören), dann werden wir schlicht zu dem Schluss kommen, dass wir die geringste Zerstörung anrichten, wenn wir tot sind.

Die gute Nachricht ist, dass es andere Möglichkeiten gibt. Wir können dem Beispiel mutiger Aktivisten folgen, die die schweren Zeiten, die ich erwähnt habe, überlebt haben – Nazi-Deutschland, das zaristische Russland, die USA antebellum – die weit mehr getan haben, als eine Art moralischer Reinheit zur Schau zu stellen; sie haben sich den Ungerechtigkeiten in ihrer Umgebung aktiv entgegengestellt. Wir können dem Beispiel derer folgen, die sich dessen bewusst blieben, dass die Rolle eines Aktivisten nicht ist, Systeme unterdrückerischer Macht mit so viel Integrität wie möglich zu steuern, sondern diesen Systemen die Stirn geboten und sie niedergerungen haben.

www.commondreams.org

Übersetzung: Pro REGENWALD, Clara Straimer

Kommentare

Please leave these fields blank (spam trap):

Kein HTML erlaubt.
Bitte verschont uns hier vor Werbeeinträgen, inhaltsfernem, beleidigendem oder anderweitig nicht tragbarem Geschreibe. Wir löschen solche Einträge, wollen aber nicht jeden Tag kontrollieren müssen.


Kommentar kann bis zu 30 Minuten nach dem Abschicken geändert werden.

Please leave these fields blank (spam trap):