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Fehler im System
Wer den Kapitalismus auf die endliche Erde loslässt, muss sich über den Totalschaden nicht wundern
Stichwörter: Wirtschaft Politik Lebenswandel

Einige wenige Umweltschützer trauen den Selbstregulierungskräften unseres Wirtschaftssystems und der darauf aufbauenden gesellschaftlichen Ordnung nicht wirklich und visionieren vom enorm reduzierten Materialdurchsatz oder kurz: einer bescheidenen Lebensweise. Wir gehören dazu. Uns ist immer schon schwer gefallen daran zu glauben, dass man immer mehr Autos produzieren könne und diese sich auch verkaufen würden.

Der weitaus 'modernere' Umweltschutz hat nichts mehr mit Bescheidenheit und weniger verbrauchen zu tun. Kleine Verhaltensänderungen hier, schlauere Technik dort, modische Kompensationsgeschäfte ... alles nur eine Frage der Optimierung. So fliegt man mit gutem Gewissen 4mal im Jahr um die halbe Welt, schickt das Paket CO2-neutral zur Großmutter und jagt seinen biospritbetankten Hybrid-Geländewagen mit 185 km/h über die nächtliche Autobahn. Nicht alles WIRD gut ... alles IST schon gut.

Wenn da nicht die kleinen Verwerfungen wären, die man sieht, wenn man sie sehen will. Der Kohlendioxidausstoß sinkt nicht. Die Waldzerstörung nimmt nicht ab. Die Banken geben das Bonussystem nicht auf. Sie belohnen ihre Manager weiterhin dafür, dass sie kurzfristig denken und handeln und uns der nächste Krise näherbringen. Die Bundesregierung investiert nicht wie wild in den Umbau unserer Wirtschaft, um sie wirklich zukunftsfähig zu machen. Sie stellt Milliarden bereit, um Überkapaziäten in der Automobilindustrie über die nächste Wahl zu retten.

Die Wirtschaftskrise regt an. Viele in Schlüsselpositionen versuchen alles, sie ungeschehen zu machen oder wenigstens den Schaden zu minimieren. Das Ende der Hypo Real Estate hätte das ganze Bankenwesen in den Abgrund gerissen, hat man vor wenigen Tagen zu lesen bekommen. Deshalb war es gut und wichtig, das Unternehmen zu retten. Und an der Autoindustrie hängen viele Arbeitsplätze. Deshalb muss man Opel (und wer sonst noch wackeln mag) wenigstens mit Bürgschaften beistehen - selbst wenn heute keiner absehen kann, wie sich die Absatzzahlen und somit die Überlebenschancen entwickeln werden.

Habt ihr sonst keine Antworten auf die Krise? Ein System am Leben erhalten, welches real gezeigt hat, dass es es nicht kann? Und wie immer mehr Experten denken/schreiben, auch künftig nicht können wird. Warum stellt keiner die Systemfrage?

Das Gute ist: immer mehr tun es. Der Kapitalismus an sich ist das Problem. Er kriegt nie genug und schafft sich immer wieder seine eigenen Krisen - ganz anders als ein natürliches Lebewesen, welches sich irgendwann damit zufrieden gibt, seine Existenz zu erhalten. Das schreibt Anfang des Monats Burkhard Müller in der Süddeutschen Zeitung.

... addiert sich zum Mehrwert, der notwendig erwirtschaftet werden muss, wenn es überhaupt ein Wirtschaften geben soll.

All dies dürfen Gläubiger und Unternehmer nicht nur tun, sie müssen es, wenn sie ihre Rolle im Wirtschaftsleben behalten wollen. Was sie sind, sind sie nur kraft des Kapitals, mit dem sie hantieren, und zwar so, dass sie ihm jenen Ort suchen helfen, wo es sich am wohlsten fühlt, sprich am meisten Mehrwert erzielt: So übt es seinen Zwang auf sie aus, so verwandelt sich das vorgebliche Instrument unterderhand in das wahre Subjekt des Handelns. Diesem Subjekt ist es herzlich egal, auf welchem Weg es seinen Hunger nach Mehrwert stillt, ob durch Schwerter oder Pflugscharen, spritfressende Karossen oder Solarenergie - Hauptsache es kommt irgendetwas heraus, für das es einen Bedarf gibt und das sich verkaufen lässt. Hierin liegt nebenbei auch eine große Hoffnung für den Planeten: Das Kapital benimmt sich zwar rücksichtslos, aber zeigt sich höchst plastisch, und wenn man es davon überzeugt hat, dass sich auch mit Umwelttechnologie Profite machen lassen, wird es sich vorurteilsfrei zu dieser bekehren. Hierin verhält es sich völlig analog einem echten Lebewesen, welches zum Erhalt seiner Existenz unablässig stoffwechseln muss, wobei es ihm gleichgültig ist, ob es von Roggenbrot oder Maniokbrei lebt; von etwas leben aber muss es.

Die Frage ist, ob wir als Gesellschaft es wirklich dem 'Lebewesen' überlassen sollten, sich von dem zu ernähren, wonach ihm gerade ist. Es geht aber nicht nur um das wovon, sondern viel mehr noch um den unstillbaren Hunger des beschriebenen Systems.

Ein gewöhnliches ausgewachsenes Lebewesen aber gibt sich damit zufrieden, seine Existenz zu erhalten. Das Kapital jedoch kann nur leben, indem es dank des Mehrwerts wächst. Wo kein Mehrwert, da kann es sich als Kapital nicht halten, es fällt zurück in das alte tote Hort- und Schatzgeld, aus dem es irgendwann einmal hervorgegangen ist, oder es fällt gänzlich der Vernichtung anheim. Dass dieser Mechanismus funktioniert, ist die Bedingung für allen Fortschritt in Technologie, Wohlstand und Komfort gewesen, den wenigstens dieser Weltteil in den letzten zweihundert Jahren erlebt hat.

Während die reinen Naturverhältnisse im allgemeinen so angelegt sind, dass eine vorhandene Masse an Lebendigem in etwa bewahrt wird, hat die ökonomisch-kulturelle Sphäre das Wunder einer fortgesetzten Schöpfung aus dem Nichts erlebt, indem nichts als die im Kapital verkörperte Hoffnung, es möchte mehr werden, dieses Mehr tatsächlich in die Existenz gerufen hat.

Wenn man das von Müller in Der unsichtbare Gott - Warum es keinen krisenfesten Kapitalismus geben kann skizzierte Bild weiterdenkt, tut sich der Widerspruch auf zwischen dem von uns praktizierte Kapitalismus und der Erde mit ihren endlichen Ressourcen, auf der er inszeniert wird.

weil es sich mit seinem bloßen Dasein nicht zu begnügen vermag, sondern wachsen muss, wenn es nicht sterben soll, ...

Die Systemfrage muss häufiger und lauter gestellt werden ... u.a. die Initiative Ökosozialismus bietet Material zum Weiterlesen und - denken.

Kommentare

# Raphael am 07.08.2009, 14:53

Ein sehr gut geschriebener Artikel, dessen Argumentationslinie klar ersichtlich ist und der schnell auf den Punkt kommt und gute Argumente für ein anderes System vorstellt, das auf Verzicht und mehr Rücksichtnahme gegenüber der Natur basiert. Dennoch stellt sich mir prinzipiell die Frage, ob die breite Masse der Menschen jemals dazu im Stande sein wird, verzichtvoll, nachhaltig und rücksichtsvoll miteinander und mit der Naturzu leben. Dies mag (was sehr gut ist) auf eine bestimmten Teil der Menschen zutreffen, aber aus meiner Sicht ist ein Großteil der Menschen dazu nicht im Stande und wird den eigenen Vorteil immer vor dem Wohl der Natur oder anderer Menschen stellen. Oder wie es Berthold Brecht ausgedrückt hat: "Erst das Fressen, dann die Moral". Es scheitert also an der KOnzeption des Menschen! Dies scheint eine traurige Wahrheit zu sein, die sich leider meiner Meinung nach nicht so schnell ändern wird. Dies bedeutet jedoch nicht, das man nicht kontinuierlich daran arbeiten muss, diese Welt zu einem besseren Fleck Erde zu machen, in dem die Natur und andere Menschen nebeneinader friedlich existieren können. Das dies ein langer und schwieriger (vielleicht utopischer?) Versuch ist, muss nicht bedeuten, man sollte es nicht wenigestens probieren. Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren!

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