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Nicaragua: Kanalprojekt stürzt Bevölkerung in allergrößte SorgenStichwörter: Waldzerstörung Protest Großprojekte Politik Indigene

Beschauliche Weihnachtstage waren es diesmal nicht. Selbst während der Feiertage gingen NicaraguanerInnen gegen den drohenden Kanalbau auf die Straße ... und es kam zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Militär und der Polizei. Folgende Nachricht lässt erahnen, wie wenig weihnachtlich die Stimmung vor Ort gewesen sein muss: "In el tule, nicht weit von nueva guinea, wurde in der nacht auf den 24. Dezember ein "Massaker" von Seiten der Polizei und des Militärs ausgelöst. Um 3 Uhr nachts wurden drei Lastwägen voll mit bewaffneten Polizisten und Militär zu einer Strassenblockade der protestierenden Bauern geschickt und die Demonstration wurde gewaltvoll geräumt. Die Toten wurden laut Erzählungen einfach auf der Strasse liegen gelassen und den Mitcampesinos wurde es nicht gestattet, die Körper ihrer Kameraden mitzunehmen. Viele Bauern wurden nun inhaftiert, es ist ihnen nicht gestattet ihre Verletzungen zu kurieren und ärztliche Versorgung ist fast nicht gegeben. Komplett gegen die Menschenrechte, was hier gerade passiert..."

Noch ist nicht bestätigt, dass es wirklich zu Toten gekommen ist und die meisten der Inhaftierten sollen aktuellen Berichten zufolge wieder auf freiem Fuss sein. Offensichtlich ist aber, dass nicht alle NicaraguanerInnen die Vorteile erkennen, die der Kanal für das Land und seine Bevölkerung bringen soll und gegen die drohenden Folgen auf ihre eigene Zukunft sind.

Ein gerade von PrettyGoodProductions produzierter Doku-Film zeigt am Beispiel der indigenen Gemeinschaft der Rama in Bangkukuk wie die Menschen in Nicaragua sich von dem Projekt überrollt sehen. Was da auf sie zukommt ist wie aus einer anderen Welt und es wird auf alle Fälle ihre Welt zerstören.

Jeremy Hance von mongabay.com hat mit dem Filmemacher Tom Miller ein Interview über die Entstehung des Doku-Films und die Situation in der Rama-Gemeinschaft gemacht, welches Dominica für uns übersetzt hat.

'This Land is for All of We', PrettyGoodProductions



Der folgende Text steht in Englisch bei http://news.mongabay.com/2014/1211-hance-bangkukuk.html#ixzz3Lj53zsZ9

Neuer Film beleuchtet den örtlichen Widerstand gegen Nicaraguas Kanal
Jeremy Hance, mongabay.com - 11. Dezember 2014
(Übersetzung: Pro REGENWALD, Dominica Schepp)

Im Herbst diesen Jahres reisten die Filmemacher Tom Miller und Nuin-Tara Key von PrettyGoodProductions nach Nicaragua, wo sie von einem erstaunlichen Projekt hörten: dem so genannten Gran Canal. Dieses wurde letztes Jahr beschlossen und soll mit dem Panamakanal im Süden konkurrieren. Von einer chinesischen Firma gebaut (HKND Group, Anmerkung Redaktion), wird er bald durch 278km Land schneiden. Er wird den Nicaraguasee, das größte Süßwasservorkommen Zentralamerikas, durchqueren und einen großen Anteil an Waldgebiete zerstören.

Neben diesen Auswirkungen auf die Umwelt wird er darüber hinaus auch die (Zwangs-) Räumung ganzer Gemeinden mit sich bringen. Die Regisseure Miller und Key haben eine solche Gemeinde entlang der Karibikküste namens Bangkukuk, welche von den indigenen Rama bewohnt ist, besucht. Miller und Key machten sich daran, herauszufinden, wie die Lokalbevölkerung über den Gran Canal denkt. Das Ergebnis ist der Kurzfilm "This Land is for all of We" (dt: "Dieses Land ist für alle von uns").

In einem Interview mit mongabay.com spricht Tom Miller darüber, wie er das erste Mal von dem Gran Canal gehört hat, wie die Lokalbevölkerung über das Megaprojekt denkt und wie die nicaraguanische Regierung das Vertrauen ihrer betroffenen BürgerInnen wiedererlangen könnte.

INTERVIEW MIT TOM MILLER

Mongabay: Aus welcher Branche kommst du?
Tom Miller: Ich komme eigentlich aus der Kunstbranche und arbeite in den Bereichen Film, Grafik, Schreiben und Fotografie. Ich mache gerne von allem etwas und arbeite außerdem sehr gerne mit Menschen zusammen. Also habe ich vor zwei Jahren diese zwei Aspekte vereinigt und meine Produktionsfirma PrettyGoodProductions (PGP) gestartet, um die Arbeit gemeinnütziger Organisationen, ganzer Communities und anderer Gruppen, die im Bereich sozialer Gerechtigkeit tätig sind, zu fördern und zu bewerben. PGP arbeitet darüber hinaus auch mit KünstlerInnen und einigen kleinen Firmen zusammen.

Mongabay: Was hat Dich nach Nicaragua geführt?
Tom Miller: Mein Team und ich sind in den letzten fünf Monaten um die Welt gereist, um für einen PGP Dokumentarfilm Reaktionen regionaler Gemeinschaften auf den Klimawandel zu drehen. Wir sind sehr daran interessiert, indigenes Wissen und deren Perspektiven miteinzubeziehen und wir hatten viel Glück, mit der Rama Community in Bangkukuk in Kontakt treten zu können.

Mongabay: Wann hast Du das erste Mal von dem Gran Canal gehört?
Tom Miller: Das erste Mal hatte ich von dem Kanal von einem unserer Partner gehört, kurz vor dem Aufbruch nach Nicaragua. Nachdem ich ein bisschen darüber gelesen hatte, konnte ich nicht glauben, dass ich davon nicht schon vorher etwas mitbekommen hatte. Der Bau des Nicaraguakanals wird eines der größten Infrastruktur-Projekte der Welt sein und ein direkter Konkurrent zum Panamakanal. Die Ausmaße und Auswirkungen des Kanals sind gewaltig. Daher war es besonders schockierend, herauszufinden, dass die Menschen vor Ort so wenig darüber wussten. Insbesondere weil der Baubeginn für diesen Monat geplant ist (Dezember 2014). Im Prinzip wird das Projekt den NicaraguanerInnen als Schnellschuß für ein verarmtes Land in den wirtschaftlichen Aufschwung präsentiert: große wirtschaftliche Gewinne mit vielen Arbeitsplätzen. In Wirklichkeit aber ist der Nutzen für die Zivilbevölkerung nicht abzuschätzen und die langfristigen Kosten möglicherweise sehr hoch, besonders für Gemeinden wie Bangkukuk.

Mongabay: Wie war die allgemeine Meinung der Bevölkerung in Bangkukuk zu dem Kanal? Was waren ihre größten Bedenken?
Tom Miller: Die Menschen in Bangkukuk waren fast gänzlich im Dunkeln gelassen worden über das Projekt. Sie wussten, dass der Kanal kommen würde, aber hatten keine Vorstellung darüber, was mit ihnen passieren würde und wie ihre Zukunft aussehen würde.

Vorherrschend waren Unsicherheit und ständige Sorge. Die allgemeine Meinung war, dass der Kanal wahrscheinlich alles wegnehmen würde, was sie hatten: ihre Häuser, ihr Land, ihre Existenzgrundlage. Viele Leute dachten, dass sie möglicherweise dazu gezwungen würden, in die Stadt zu ziehen, entweder nach Managua oder Bluefields. Für ein Volk so nah an der Natur mit offen-gebauten Häusern, Gärten im Dschungel, sauberer Luft und frischem Wasser ist der Gedanke, in die Stadt ziehen zu müssen, beunruhigend.

Wären die Kanalkommission und die Regierung von Anfang an offen und transparent mit dem Projekt umgegangen und hätten die nicaraguanische Zivilbevölkerung in den Entscheidungsprozess miteingebunden, dann, so bin ich überzeugt, würden die Dinge anders stehen. So wie es jetzt ist, gibt es nur Angst und Spekulationen in den Gemeinden.

So tauchte beispielsweise am ersten Tag, an dem wir in dem Dorf angekommen waren, eine chinesische Gruppe der Kanalkommission flankiert von mit Maschinengewehren bewaffneten Männern auf, die einen Tür-zu-Tür-Zensus machen wollten. Sie wurden letztlich gebeten, ein anderes Mal wiederzukommen, aber der Einschüchterungsfaktor war offenkundig. Stell dir nur einmal vor: Du weisst, dass der Kanal kommen wird, aber Du hast keine Informationen über deine Möglichkeiten oder wo Du abgeschoben wirst. Dann kommt plötzlich eine Gruppe Techniker zusammen mit Polizei und Militär an Deine Haustür und möchte wissen, wie viel Geld Du verdienst, ob Du ein Boot oder eine Kuh und wie viele Kinder du hast. Ich bin der Meinung, der Prozess wurde von Anfang an falsch angegangen.

Mongabay: Hast du in Bangkukuk irgendjemanden gefunden, der die Pläne unterstützt?
Tom Miller: Nein, keine einzige Person. Die indigene Bevölkerung entlang der Karibikküste besitzt territoriale und gesetzmäßige Rechte über ihr Land. Diese Rechte sind sowohl von der nicaraguanischen Regierung als auch von den Vereinten Nationen in der Deklaration für die Rechte der indigenen Völker anerkannt worden. Die Bevölkerung von Bangkukuk muss per Gesetz bei jedem vorgesehenen Projekt auf ihrem Land um ihre Zustimmung gebeten werden. Daher war in der Community ein starkes Gefühl des Betrogenseins vorherrschend, als diese den Kanal auf ihrer Türschwelle vorfand - ohne jemals dazu befragt worden zu sei und ohne eine Einspruchsmöglichkeit dagegen haben zu können, was auf ihrem Land geschieht. Wir hatten die Chance, ein Gemeindetreffen wegen des Kanals filmen zu dürfen, in dem jede und jeder der Community seine Haltung dagegen Ausdruck verlieh. José Luís, ein örtlicher Fischer, fasste zusammen, was viele Gemeindemitglieder über die Denkweise der Regierung zu Ortschaften wie Bangkukuk denken: "Wir ist null" (engl.: We is zero), sagte er.

Dass die echte Gefahr besteht, dass die Rama als Volk untergehen, ist meiner Meinung nach der verheerendste Aspekt dieses Projektes. Wenn die Rama in die Städte gezwungen werden, verlieren sie die Verbindung zu ihrem Land, zu ihrer Sprache und ihrer traditionellen Lebensweise. Eine Frau, Lena, antwortete mir auf die Frage, was passieren würde mit den Rama, wenn der Kanal käme, geradeheraus: "Wir werden aussterben".

Mongabay: Wie könnte die nicaraguanische Regierung das Vertrauen der Menschen in Bangkukuk zurückgewinnen?
Tom Miller: Die Regierung könnte das Vertrauen der Menschen wiedererlangen, indem sie den Prozess noch einmal neu beginnt - und zwar auf eine transparente und legale Weise. Das bedeutet, die Rechte der indigenen Communities entlang der Karibikküste anzuerkennen. Sie sollten zu dem Projekt überhaupt einmal befragt werden, eine Repräsentationsmöglichkeit haben, ein Teil des Entscheidungsprozesses sein und eine genaue Vorstellung über ihre Handlungsoptionen haben. Zusätzlich sollte es unabhängige und transparente Studien über die Auswirkungen auf die Umwelt geben. Fast eine Millionen Morgen Regenwald werden dafür abgeholzt. Habitate für Tiere und Ökosysteme werden zerstört und zerteilt. Und Millionen Tonnen Schlamm werden aus dem größten Süßwasservorkommen Zentralamerikas, dem Cocibolca See ausgebaggert. Es ist eine absolute Notwendigkeit, dass die NicaraguanerInnen als Ganzes über die langfristigen Auswirkungen auf ihr Land Bescheid wissen.

Mongabay: Ein Nicaraguaner hat kürzlich den Gran Canal als "großes Weihnachtsgeschenk" beschrieben. Wie bewertest Du diese Aussagem nachdem Du mit den Menschen, die von dem Projekt betroffen sind, gesprochen hast?
Tom Miller: Ich denke nicht, dass man Einschüchterung und Zwangsumsiedlung von Indigenen, die Zerstörung von einer Million Morgen Regenwald und keine klare Aussicht auf die ökonomische Entwicklung des Landes als Weihnachtsgeschenk für irgendjemanden bezeichnen kann. Es ist eine Katastrophe. Das Gran Canal Projekt wird sicherlich einige wenige einflussreichen Menschen im Land bereichern, aber die Vorteile für die BürgerInnen von Nicaragua sind nach wie vor unklar. Ich höre immer wieder von UnterstützerInnen des Kanals, dass das Projekt zehntausende von Jobs nach Nicaragua bringen würde, aber das erscheint mir nicht realistisch, besonders nicht für die Menschen von Bangkukuk. Die Menschen dort sind keine gut ausgerüsteten Maschinenarbeiter, Ingenieure oder zertifizierte Gutachter; sie sind Menschen, die von Fischfang und Ackerbau leben. Die Rama leben seit hunderten von Jahren entlang der Karibikküste und wollen dieses Leben beibehalten. Ihr Land und ihre Lebensgrundlage für ein vages Versprechen "wirtschaftlicher Entwicklung" aufzugeben, ist keine existenzfähige Option. Wenn sie ihr Land verlieren, dann haben sie alles verloren.

Wenn der Kanalbau beginnt und die Indigenen vertrieben werden, wird das ein weiteres Beispiel in einer langen Geschichte von Ungerechtigkeiten gegen Ureinwohner in dieser Welt sein. Ich hoffe, dass die internationale Gemeinschaft zu diesem Anlass aufbegehrt und dabei helfen wird, die nicaraguanische Regierung und große Logistikkonglomerate wie Maersk unter Druck zu setzen, um den Prozess neu zu starten, und zwar in einer legalen und transparenten Weise. Mit der Aussicht auf den Bau des Kanals, sind die DorfbewohnerInnen extrem besorgt, was ihre Zukunft anbelangt. Sie haben uns darum gebeten, ihre Sorgen und Perspektiven mit einem internationalen Publikum zu teilen und wir sind sehr glücklich darüber, dies mit unserem Kurzfilm realisieren zu können.

Quelle: http://news.mongabay.com/2014/1211-hance-bangkukuk.html#ixzz3Lj53zsZ9
(Übersetzung: Pro REGENWALD, Dominica Schepp)

Kommentare

# cleanfuture am 05.03.2015, 17:01

Der geplante Kanal quer durch Nicaragua soll den Pazifik mit dem Atlantik verbinden, um chinesische Waren günstiger als durch den von USA kontrollierten Panamakanal zu den Abnehmern in Amerika und Europa transportieren zu können. Deshalb übernimmt China sowohl die Projektierung als auch die Finanzierung des 20-Mrd. Dollar Projekts. Umweltauflagen würden das Megaprojekt so verteuern, dass es von vorneherein zum Scheitern verurteilt wäre. Es ist gut vorstellbar, dass China nach einigen Jahren mit Fehlschlägen das Projekt wieder fallen läßt und eine für immer zerstörte Natur zurücklassen wird.

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