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Hintergrund: Ermordung Berta Cáceres anscheinend von oben angeordnetStichwörter: AktivistInnen unter Druck Staudamm Korruption Menschenrechte


Berta Cáceres, ermordet Anfang März
Die honduranische Aktivistin Berta Cáceres, die Anfang März von Unbekannten in ihrem eigenen Haus ermordet wurde, wurde anscheinend auf Befehl von oben und langfristig geplant liquidiert. Ihr Name stand auf einer Todesliste die unter Spezialeinsatzkräften des honduranischen Militärs, die von den USA ausgebildet wurden, verbreitet wurde. Das jedenfalls behauptet ein ehemaliger Soldat dieser Einheit, wie kürzlich der Guardian berichtet.

Berta stand für einen unbestechlichen Kampf für indigene Rechte, für Frauenrechte, zur Verteidigung indigenen Territoriums gegen den Zugriff der extraktiven Industrien und für eine Neuorientierung der gesamten honduranischen Gesellschaft. Das hat ganz offensichtlich bestimmten Kreisen im Land nicht gefallen. Sie wurde aus dem Weg geräumt (siehe: <a href=“ http://www.pro-regenwald.de/news/2016/03/05/Berta_Caceres_ermordet“>Mord mit Ankündigung - Aktivistin Berta Cáceres erschossen wie nur wenige Tage später auch ihr Kollege und Menschenrechtsaktivist Nelson García (siehe: <a href=“ http://www.pro-regenwald.de/news/2016/03/24/Genug_ist_genug_Mord“>Genug ist genug: Ein zweiter Mord an einem Aktivisten in zwei Wochen.

Doch damit nicht genug. Noch während wir mit der Übersetzung des Guardian-Artikels unten beschäftigt waren, ging die Nachricht ein, dass vor wenigen Tagen die Leiche von Yaneth Urquía, eine weitere Aktivistin aus dem Umfeld von Berta und von derselben Organisation COPINH, aufgefunden wurde.



Berta Cáceres’ Name stand auf einer Todesliste des honduranischen Militärs, sagt ein Ex-Soldat
Von Nina Lakhani, Mexiko City, 21.06.2016

Eine von US-Spezialstreitkräften trainierte Einheit wurde beauftragt, die Umweltaktivistin – die im März ermordet wurde - zu töten, so behauptet es ein ehemaliges Mitglied der Einheit, das nun um sein Leben fürchtet.

Der Name von Berta Cáceres, der ermordeten Umweltaktivistin, tauchte einige Monate vor ihrem Tod auf einer Todesliste auf, die unter Spezialeinsatzkräften des honduranischen Militärs, die von den USA ausgebildet wurden, verbreitet wurde. So behauptet es ein ehemaliger Soldat.

Listen mit Dutzenden Namen und Fotos von Sozial- und Umweltaktivisten wurden an zwei Eliteeinheiten ausgegeben, mit dem Befehl, alle Ziele zu „eliminieren“, so Stabsfeldwebel Rodrigo Cruz (20).

Der Befehlshaber von Cruz Einheit, ein 24-jähriger Leutnant, desertierte lieber als den Befehl zu befolgen. Cruz selbst – der aus Angst vor Repressalien unter einem Pseudonym genannt werden möchte – folgte diesem Beispiel und floh in ein Nachbarland. Einige andere Mitglieder der Einheit sind verschwunden und es wird befürchtet, dass sie tot sind.

„Würde ich nach Hause zurückkehren, würden sie mich töten. Zehn meiner ehemaligen Kameraden werden vermisst. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass Berta Cáceres von der Armee getötet wurde“, so Cruz gegenüber dem Guardian.

Cáceres, eine Anführerin vom indigenen Volk der Lenca, die 2015 den prestigeträchtigen Goldman Umweltpreis für eine Kampagne gegen das Wasserkraft- und Staudammprojekt Agua Zarca erhalten hatte, wurde im März in ihrem Haus erschossen. Vor ihrer Ermordung hatte sie von 33 Todesdrohungen im Zusammenhang mit der Kampagne berichtet und internationale Menschenrechtsdelegationen gewarnt, dass ihr Name auf einer Todesliste stehe.

Laut Cruz erschien Cáceres Name auf einer Liste, die einer Einheit der Militärpolizei der sogenannten Interinstitutionellen Sicherheitskräfte (Fusina) übergeben wurde, die wiederum im letzten Sommer von 300 US-Marines und FBI-Agenten trainiert wurden.

Fünf Männer sind im Zusammenhang mit ihrer Ermordung verhaftet worden, darunter Maj Mariano Díaz Chávez, ein Major der honduranischen Armee im aktiven Dienst. Díaz nahm zuvor an gemeinsamen us-amerikanischen-honduranischen Militäroperationen im Irak teil. Lokale Medien berichten, er sei ein Absolvent des Elitelehrgangs für Spezialoperationen Tesón, einer Ausbildung die teilweise von US-Spezialstreitkräften durchgeführt wurde. Díaz war zum Zeitpunkt seiner Verhaftung Ausbilder der Militärpolizei, wurde danach jedoch unehrenhaft entlassen.

Annie Bird, Vorsitzende der Organisation Rights and Ecology, die Menschenrechtsverletzungen in Honduras dokumentiert, sagte: „Cruz’ Zeugenaussage deutet darauf hin, dass Todesschwadronen gezielt die politische Opposition attackieren. Aber das Justizsystem ist so kaputt und direkt von Gestalten gelenkt, die in Korruption verstrickt sind, dass es niemanden [in Honduras] gibt, der hier glaubwürdig ermitteln könnte.“

Der Guardian interviewte Cruz mehrere Male via Telefon und Videochat und sprach mit mehreren Personen – Akademikern, Gemeindevorstehern und Aktivisten –, die ihrerseits Cruz interviewten. Sie bestätigten seine Identität und militärischen Hintergrund.

Cruz meldete sich im Dezember 2014 zum Militärdienst. Nach dreimonatiger Grundausbildung wurde er zum 7. Bataillon der Militärpolizei versetzt, das erst 2013 gegründet wurde, um eine zivile Polizeieinheit zu ersetzen, die in Korruptionsvorwürfe und Amtsmissbrauch verstrickt war.

Er absolvierte zwei mörderische Spezialeinheiten-Trainingscamps, inklusive des Tesón-Kurses, in denen er Befehle von ausländischen Militärberatern entgegennahm, darunter Amerikaner, Kolumbianer und Ausbilder, die eine Fremdsprache sprachen, die Cruz nicht zuordnen konnte. Letztes Jahr wurde der Tesón-Kurs Gegenstand heftiger Kontroversen, als Videobilder auftauchten, in denen zu sehen ist, wie ein Rekrut gezwungen wird, einen Hundekopf zu essen.

Während seines Trainings wurde Cruz zweimal wegen Dehydrierung in ein Krankenhaus eingeliefert. Trotzdem beendete er den Kurs und im Oktober letzten Jahres wurden Cruz und 15 andere Männer seines Bataillons ausgewählt, um im Xatruch-Sondereinsatzkommando zu dienen – einem von zwei überbehördlichen Einsatzkommandos in Honduras, die für Spezialeinsätze im Kampf gegen Drogen- und Bandenkriminalität eingesetzt werden.

Die Xatruch-Einsatztruppe überwacht die Karibikküste, die zu einer wichtigen Handelsroute für Drogenkartelle geworden ist, die Kokain aus Südamerika in die USA schmuggeln. Das zweite Einsatzkommando, die Fusina, operiert landesweit.

Mitte Dezember, an einem Dienstagabend nach einem Fußballspiel, rief Cruz’ Kommandeur seine Untergebenen zusammen und zeigte ihnen mehrere Zettel mit Namen, Fotos, Adressen und Telefonnummern von jeder Zielperson. Ihrer Einheit wurde eine Liste übertragen, eine zweite Liste an eine ähnliche Einheit der Fusina.

„Der Leutnant sagte, er sei nicht gewillt den Befehl auszuführen, da die Zielpersonen anständige Menschen seien, die lediglich für ihre Gemeinschaft kämpften. Er sagte, der Befehl käme vom Generalstab der Streitkräfte und er stünde unter Druck des Xatruch-Kommandeurs, sich zu fügen“, so Cruz.

Ein paar Tage später verließ der Leutnant den Stützpunkt und wurde seitdem nicht mehr gesehen.

Es war nicht das erste Mal, dass Cruz die Listen zu Gesicht bekam. Einige Wochen zuvor in Punta Piedra, einer Stadt an der Karibikküste, fielen während einer Fahrt im Jeep, den Cruz steuerte, ähnliche Papiere aus der Weste seines Kommandeurs.

„Ich hatte die Papiere nur 20 oder 30 Sekunden lang in der Hand, aber ich erkannte einige Gesichter als führende Leute der Bajo Aguán Region wieder. Ich habe nichts gesagt“, so Cruz.

Die Bajo Aguán Region – wo das Xatruch-Einsatzkommando stationiert ist – war der Schauplatz einer Kette von gewalttätigen Landkonflikten zwischen einflussreichen Palmölmagnaten und ortsansässigen Bauern. Mehr als 100 Menschen, hauptsächlich kleinbäuerliche Aktivisten, sind getötet worden. Viele davon durch die Hand von staatlichen oder privaten Sicherheitskräften.

Unter den Namen auf der Todesliste, die Cruz gesehen hatte, war auch der von Juan Galindo, einem Aktivisten, der aus der Region geflohen ist, nachdem er Drohungen erhielt. Dennoch wurde er im November 2014 ermordet, als er aus dem Exil in seine Heimat zurückgekehrt war, um seine kranke Mutter zu besuchen.

Cruz erkannte außerdem Johnny Rivas und Vitalino Álvarez auf der Liste, hoch angesehene Mitglieder der Vereinigten Bewegung der Kleinbauern (Muca). Beide gehörten den 123 Aktivisten in der Bajo Aguán Region an, für die die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (IAKMR) 2014 von Honduras dringende Maßnahmen zu deren Schutz gefordert hatte.

Álvarez (52), der seit 2010 vier Attentatsversuche überlebt hat, sagte: „Es gibt eine systematische Strategie, die streitlustigsten Führungskräfte in der Gesellschaft zu eliminieren. Seit sie Berta ermordet haben, kursieren Gerüchte, ich stünde nun an der Spitze dieser Liste.“

Menschenrechtsorganisationen haben die US-Unterstützung für honduranische Sicherheitskräfte verurteilt, zumal offensichtliche Beweise für die Verwicklung von Polizei und Militär in systematischen Missbrauch existieren. Im April warnten Aktivisten den Kongress, dass Todesschwadronen oppositionelle Aktivisten zum Ziel haben, ähnlich wie während des „Schmutzigen Kriegs“ in den 1980er-Jahren.

Nach Zahlen des Verteidigungs- und des Außenministeriums haben die USA Honduras seit 2010 geschätzt 200 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern für Polizei und Militär gewährt, um organisierte Kriminalität und illegale Einwanderung einzudämmen. Zusätzlich erhält Honduras Mittel aus dem insgesamt 750 Millionen Dollar schweren Alliance for Prosperity Fonds, der letztes Jahr vom US-Kongress bewilligt wurde, um das sogenannte „gewalttätige Nördliche Dreieck“ aus Honduras, Guatemala und El Salvador zu unterstützen.

Beide Hilfsprogramme beinhalten Bedingungen zu Menschenrechten. Doch keines von beiden wurde gekürzt, obwohl der jüngste Menschenrechtsbericht des Außenministeriums feststellt, dass „illegale und willkürliche Tötungen und andere kriminelle Aktivitäten durch Mitglieder der Sicherheitsstreitkräfte“ immer noch eines der gravierendsten Probleme des Landes darstellen.

Weder das honduranische Verteidigungsministerium, noch das US-Außenministerium antworteten auf wiederholte Anfragen des Guardian um eine Stellungnahme.

Nachdem der Leutnant aus Cruz’ Einheit Mitte Dezember desertierte, wurden die anderen Mitglieder seiner Einheit getrennt und umstationiert. Cruz arbeitete ungefähr 10 Tage mit dem Kommandeur der Xatruch-Einsatztruppe zusammen.

Cruz schilderte, wie er während dieser kurzen Stationierung mitten in der Nacht geweckt wurde, um schwarze Plastiksäcke zum Fluss Tocoa in Bajo Aguán zu transportieren, wo Kameraden die darin befindlichen menschlichen Überreste über die Brücke kippten.

Er schilderte außerdem, eine „Folterkammer” in der Nähe einer militärischen Einrichtung in der Stadt Bonito Oriental gesehen zu haben. „Ich habe niemanden gesehen, aber dort waren frisches Blut, ein Hammer, Nägel, eine Kette und Zangen in dem Raum“.

Kurz darauf wurden Cruz und seine Kollegen in verlängerten Urlaub geschickt. Zunehmend in Sorge um seine eigene Sicherheit, floh Cruz. Die Grenze überquerte er illegal, da seine Ausweisdokumente noch im Besitz der Armee waren. Er ist nun untergetaucht und seine Familie berichtet, dass Militärpolizisten ihre Nachbarn ausgefragt haben, um seinen Aufenthaltsort herauszufinden.

Lauren Carasik, Direktorin der International Human Rights Klinik an der Western New England Universität sagt, die USA müsse aufhören, bei Gesetzlosigkeit die Augen zu verschließen.

„Das sind verstörende, aber auch schlagkräftige Beweise, die uns in Erinnerung rufen, warum wir fordern, dass die USA die Militärhilfe für Honduras streichen muss. Seit dem Putsch 2009 gibt es dort ein Blutbad.“

Die Gewalt in Honduras nahm dramatisch zu, nachdem ein vom Militär unterstützter Putsch im Juli 2009 Präsident Manuel Zelaya zum Machtverzicht zwang. Umweltaktivisten bekamen die volle Wucht der Repressionen zu spüren, nachdem die neue rechtsgerichtete Regierung hunderte von Megaprojekten genehmigt hatte, darunter Minen und Staudämme in ökologisch empfindlichen Gebieten. Mindestens 109 Aktivisten wurden zwischen 2010 und 2015 ermordet. Damit ist Honduras eines der weltweit gefährlichsten Länder für Umweltschützer.

Eine wachsende Zahl von US-Politikern hat sich bereits besorgt über die Zustände gezeigt.

Im August 2015 schrieben 21 Kongressabgeordnete an Außenminister John Kerry, um konkrete Bedenken über die US-Unterstützung für Fusina zu übermitteln, da diese wiederholten Menschenrechtsverletzungen beschuldigt wird.

Mitte Juni brachte der Kongressabgeordnete Hank Johnson einen Gesetzesvorschlag (Berta Cáceres Human Rights Act in Honduras) ein, der vorsieht, die US-Unterstützung im Sicherheitsbereich auszusetzen bis Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte aufhören.

„Wir stellen Honduras Millionen Dollar Hilfsgelder für Sicherheit zur Verfügung, aber es stellte sich heraus, dass dieselben Truppen Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechtsaktivisten wie zum Beispiel Cáceres attackieren und töten. Und von den Behörden kommt darauf keine wirkungsvolle Antwort“, so Johnson.

Cáceres’ Tochter, Bertita Zúñiga sagte, die Aussagen von Cruz bestärken die Familie in ihrer Forderung nach einer unabhängigen, internationalen Untersuchung, um die Hintermänner und Auftraggeber zu finden.

„Es zeigt uns, dass Killerkommandos innerhalb der Streitkräfte operieren, die dazu missbraucht werden, Menschen loszuwerden, die den Plänen der Regierung entgegenstehen. Es führt uns vor Augen, dass Menschenrechtsverletzungen in Honduras Regierungspolitik sind.“

Quelle: Berta Cáceres's name was on Honduran military hitlist, says former soldier, guardian.com, 21.06.2016

Übersetzung: Pro REGENWALD, Robert Ebersberger

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