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Holzkohle: So ist Grillen SündeStichwörter: Raubbau Waldzerstörung

Nirgendwo wird schneller Wald vernichtet als im südamerikanischen Gran-Chaco-Gebiet. Er landet als Holzkohle auch bei uns im Supermarktregal.


Grillen zählt nicht unbedingt zu den umweltfreundlichsten Sommervergnügen, naja ein Steak auf dem Rost hinterlässt halt einen ganz ordentlichen ökologischen Fußabdruck. Neuerdings ist dieser Fußabdruck um ein paar Nummern größer, wie uns Medien eindringlich wissen lassen: Sie titeln „Schwarz & Schmutzig“ oder „Wenn der Urwald auf dem Grill landet“– und meinen damit die gute alte Holzkohle, mit der die meisten Grills betrieben werden. Aber was ist an der Grillkohle falsch?

Unsere Holzkohle wird im Supermarkt gekauft, an der Tankstelle oder im Baumarkt. Sie wird selten aus Holz gemacht, das hier in Deutschland geschlagen wurde. Deutschland importiert 90 Prozent der im Land verwendeten Holzkohle aus dem Ausland. Der größte Teil kommt dabei aus Polen, gefolgt von Paraguay und Nigeria.


Und Paraguay ist derzeit der Brennpunkt des Grillkohlen-Problems. Das Land besteht zu weiten Teilen aus Wald. Und aus dem Trockenwald des Gran Chaco kommt seit einiger Zeit das meiste Holz für unsere Holzkohle. Abgeholzt wird nicht extra nur dafür, aber beim Roden für den Futtermittelanbau oder der Umwandlung von Wald in Weideflächen für Rinder, ist die Verwertung der „Abfälle“, also frisch geschlagener Stämme, zu Holzkohle ein gerne noch mitgemachtes, einträgliches Geschäft (siehe Choice Cuts, Earthsight). So wird die Zerstörung der Waldflächen wirtschaftlich schon rentabel bevor die ersten Rinder geschlachtet oder die erste Ernte eingefahren wird. Eine ausführliche Beschreibung der aktuellen Ereignisse und Situation in Paraguay veröffentlichte die Zeit Anfang Juli, wir dokumentieren diesen Artikel unten.

Tropenholz steckt auch in den Säcken, die aus Nigeria kommen, das meiste davon auch noch illegal geschlagen. Und selbst die Holzkohle aus Osteuropa stammt oftmals aus zweifelhaften Quellen, wenn nicht gar direkt aus Raubbau.

Als VerbraucherIn kann man also nicht sicher sein, ob man nicht doch Grillkohle kauft, die aus illegal oder waldzerstörend geschlagenem Holz hergestellt ist. Und ein Blick auf die Rückseite der Packung hilft den bewussteren VerbraucherInnen häufig auch nicht weiter: man findet selten Herkunftsangaben auf den Packungen, wie man sie bei Obst und Gemüse kennt. Zwar verpflichtet die EU-Holzhandelsverordnung die Händler zur Kenntnis der genauen Herkunft von Holz und Holzprodukten und untersagt die in Verkehrbringung undokumentierter Hölzer oder Holzprodukte, doch blöderweise gilt das Ganze aber nicht für Holzkohle und andere verarbeitete Produkte aus Holz. Denn diese sind von der Verordnung ausgenommen. Welches Holz sich im Sack befindet oder aus welcher Region oder welchem Land es stammt, muss überhaupt nicht angegeben werden.

Und wenn einmal doch Angaben gemacht werden, kann man sich nur selten auf die Angaben verlassen. Das hat eine aktuelle Marktanalyse des WWF ergeben. Demnach sind 80 Prozent der getesteten Produkte falsch etikettiert! Selbst Grillkohle, die ein PEFC- oder FSC-Siegel trägt, ist davon betroffen. In 40 Prozent der untersuchten Grillkohlen befand sich außerdem Tropenholz, selbst wenn ausdrücklich „kein Tropenholz“ auf der Packung stand.


Die Umstände unter denen Holzkohle hergestellt wird, sind ebenfalls alles andere als ökologisch vertretbar. Außerhalb Europas, aber mitunter auch noch in Polen und Rumänien, werden heutzutage noch traditionelle Meiler genutzt, um Holz zu Holzkohle zu machen. Dabei gelangen alle Neben- und Abfallprodukte, wie Teer, verschiedene Gase, Formaldehyd u.ä. ungefiltert und ungenutzt in die Umwelt, man könnte einen wesentlich höheren Wirkungsgrad erreichen. Ganz davon abgesehen, dass die Arbeit an sich eine echte Plackerei ist und die Köhler von den großen Konzernen, die die Kohle letztendlich hier in Europa verkaufen, extrem schlecht bezahlt werden.

Was können wir den (umweltbewussten) Grillern also raten? Nun, gar nicht grillen wäre natürlich die einfachste Lösung des Problems. Alternativ kann man auch auf Elektro- oder Gasgrill umsteigen. Denn egal woher die Holzkohle kommt, letztendlich wird bei der Verbrennung viel Kohlendioxid freigesetzt. Aber selbst für diejenigen, die sich Grillen ohne Kohle partout nicht vorstellen können, gibt es gleich mehrere umweltverträglichere Alternativen. Zum einen gibt es inzwischen ‚Holzkohle‘ aus Olivenkernen, den Abfällen, die z.B. in Griechenland bei der Olivenölproduktion anfallen. Im Internet leicht zu finden und nicht wesentlich teurer als herkömmliche Grillkohle.

Und neuerdings kann man auch Bio-Grillkohle im Biomarkt erwerben. Das Start-Up „Nero-Grillkohle“ (https://www.nero-grillkohle.de) hat sich dem Problem angenommen und produziert nun Bio-Kohle, die mit dem Naturland-Siegel zertifiziert ist. Verwendet wird dabei Holz aus dem Saarland, das sich für die Möbelherstellung nicht eignet, für Holzkohle aber schon.

Noch einmal Glück gehabt, die Grillparty am Wochenende muss also doch nicht abgesagt werden. Davor kurz beim Biomarkt vorbei zu schauen oder sich im Internet über Alternativen schlau zu machen, ist aber Voraussetzung.

Weitere Info:

Choice Cuts How European & US BBQs are fuelled by a hidden deforestation crisis in South America

Wie man nachhaltig produzierte Kohle erkennt Über die Herkunft des Holzes sagt dieser Mindeststandard nichts. Hier sind die Holzsiegel FSC und PEFC hilfreich.

Kann denn Grillen Sünde sein?
Nirgendwo wird schneller Wald vernichtet als im südamerikanischen Gran-Chaco-Gebiet. Diese Katastrophe ist gewollt. Die Holzkohle-Briketts landen auch bei uns im Supermarktregal.

von Fritz Habekuß, * 5. Juli 2017; Die ZEIT, Nr. 28/2017 Mit den Augen eines Satelliten gesehen, beginnt die Katastrophe als ein penibel vermessenes Rechteck. Plötzlich taucht es auf, unvermittelt in die grüne Unendlichkeit eines der größten Wälder Lateinamerikas gestanzt. Und es verschwindet nicht wieder. Denn die Abholzung hat gerade erst angefangen. Nach ein paar Wochen ist das Rechteck nicht mehr allein. Wie ein geometrisches Geschwür frisst sich eine größer werdende Fläche in die grüne Landschaft hinein. Unzählige Rechtecke ersetzen nach und nach die Gleichmäßigkeit des Waldes durch ein Geflecht aus abgeholzten Planflächen. Und der Gran Chaco, eines der größten Ökosysteme Lateinamerikas, sieht von oben bald so aus, als würde ein durchgeknallter Gigant versuchen, den Wald in sein Spielfeld zu verwandeln.

Die tatsächliche Erklärung ist profan. Die Trockenwälder des Chaco verschwinden durch eine Mischung aus wirtschaftlicher Entwicklung, Korruption, einer machtlosen Zivilgesellschaft, Gleichgültigkeit gegenüber der Umwelt und einem globalisierten Handel. Und sie hat mit dem zu tun, was wir in Deutschland konsumieren: mit Rindfleisch, mit Soja. Und mit der Holzkohle und den Briketts in den beliebtesten Feuerstellen des Landes – den Millionen Grills, auf denen Würste, Nackensteaks, Maiskolben oder Gemüse garen. Diese Kohle, ein Produkt, das für ein paar Euro in den Regalen großer Discounter liegt, verpackt in Säcke à fünf Kilogramm, ist Ergebnis einer fatalen geplanten Abholzungspraxis.

Die ZEIT hat für diese Geschichte Material der Londoner NGO Earthsight exklusiv zur Verfügung gestellt bekommen. Die Umweltschutzorganisation ermittelt seit über zehn Jahren in Fällen von Umweltkriminalität und -ungerechtigkeit und kooperierte in der Vergangenheit mit Greenpeace, mit Regierungsorganisationen wie dem Ethikrat des Norwegischen Pensionsfonds oder mit Medien wie der BBC. Finanziert wird Earthsight von Stiftungen wie der Ford Foundation oder NGOs wie dem World Resources Institute. Am Donnerstag stellt die Organisation ihren Bericht zur Herkunft von Grillkohle Choice Cuts: How European BBQs Are Fuelled By a Hidden Deforestation Crisis in South America vor.

Monatelang recherchierte Earthsight zur Lieferkette von Holzkohle aus Paraguay. Die Ergebnisse zeigen, dass Holzkohle-Briketts aus dem paraguayischen Chaco in deutsche Supermärkte gelangen. Wir haben die Informationen von Earthsight überprüft und die verantwortlichen Firmen mit den Fakten konfrontiert.

Der Gran Chaco ist ein riesiger Trockenwald im Herzen Südamerikas, nur der Amazonas-Regenwald ist größer. Im Gegensatz zu seinem niederschlagsreichen Bruder ist der Chaco außerhalb des Kontinents beinahe unbekannt. Denjenigen, die es auf seine Flächen abgesehen haben, lässt das weitgehend freie Hand.

Der Chaco erstreckt sich über Bolivien, Argentinien und Paraguay, Wälder wechseln sich mit Buschland und Savannen ab. In großen Teilen regieren Hitze und Trockenheit, es werden die höchsten Temperaturen des Kontinents gemessen. Hier gibt es keine Lianen und keine Orchideen, die im Dunst des Kronendachs von Kolibris angeflogen werden. Seinen biologischen Wert schmälert das nicht. Der Chaco ist Heimstätte für seltene Arten wie Jaguare, Tapire, Pekaris oder Ameisenbären, zudem sind große Teile bislang kaum erschlossen. Hier leben einige der letzten unkontaktierten Völker des Kontinents. Der am stärksten bedrohte Teil des Chaco liegt in Paraguay. Wer die systematische Zerstörung eines Ökosystems verfolgen will, schaut sich Zeitreihen von Satellitenbildern an (goo.gl/SV6ZX2). Sie dokumentieren die Abholzung. Wie im Daumenkino lässt sich beobachten, dass das Land in 17 Jahren mit Rechtecken überzogen wurde. Wo Wald war, sind nun Weiden für Rinder, die Bäume sind verschwunden.

"Es gibt kein anderes Land in Lateinamerika, das in den vergangenen 15 Jahren so hohe Entwaldungsraten hatte wie Paraguay", sagt Ryan Sarsfield, der für Global Forest Watch in Washington den Waldverlust in Lateinamerika überwacht. Trotz einer kurzzeitigen Verlangsamung behalte das Land seinen Negativrekord: "Die Entwicklung beschleunigt sich sogar."

Eine Folge davon kann man an den Exportstatistiken der Vereinten Nationen ablesen: Mit der Ausfuhr von zuletzt 87.000 Tonnen Holzkohle und Briketts pro Jahr ist das Land der fünftgrößte Exporteur der Welt. Das ist nur möglich, weil die mächtige und wichtige Agrarindustrie Paraguays gewaltigen Hunger auf Land hat. Sie braucht neue Flächen für Weiden und Futterpflanzen. Die Folge sind fortschreitende "Landnutzungsänderungen" – so die offizielle Bezeichnung für Wald, der landwirtschaftlichen Nutzflächen weicht. Von der Hauptstadt Asunción sind es acht Autostunden in den Nordwesten. Eine Straße verbindet die entlegene Region mit der Metropole, nur wenige Menschen leben dort. Der Chaco besteht hier vor allem aus Bäumen der Art Quebracho blanco – dem "Holz, an dem die Axt zerbricht". Im Oktober 2015, das zeigen Satellitenbilder, wurde in Teniente Ochoa eine industrielle Anlage gebaut, die aus rund 80 Öfen besteht. In ihnen verdampfen Wasser und leicht flüchtige Verbindungen, übrig bleibt Holzkohle. Sie ist ein Produkt der offiziellen Landnutzungspolitik Paraguays. Die Gier der Agrarindustrie nach immer neuen Flächen gebiert riesige Mengen dieses Rohstoffs.

Die meisten paraguayischen Holzkohle-Produkte werden nach Europa verschifft. Deutschland ist der Importeur Nummer eins. Im ersten Quartal dieses Jahres kamen täglich 22.000 Tüten paraguayische Grillkohle hierher, das belegen die Handelsstatistiken der EU. Der größte Teil der Säcke mit Briketts stammt dabei vom größten Exporteur Paraguays, einer Firma namens Bricapar.

Bricapar agiert global und unterhält seit Langem Kontakte nach Europa. Einige der großen Supermarkt- und Discounterketten wie Aldi, Lidl oder Carrefour ließen und lassen sich von der Firma beliefern. Ihr Beispiel illustriert, wie die Abholzung in Paraguays Chaco mit dem Angebot in europäischen Supermärkten zusammenhängt.

Dieses Zertifikat suggeriert Nachhaltigkeit

Der Rohstoff für Briketts von Bricapar kommt unter anderem aus der Anlage in der Nähe von Teniente Ochoa. Dort laufen die Öfen Tag und Nacht. Earthsight besuchte sie im November 2016. Fotos und Videos belegen, wie Stücke von Quebracho-blanco-Bäumen in die Öfen geworfen werden, um daraus Holzkohle zu gewinnen. Auch die Hersteller bestreiten das nicht.

Der Geschäftsführer von Bricapar war lange ein Mann namens Ramón Jiménez Gaona. Der ehemalige olympische Diskuswerfer ist seit 2013 Minister für öffentliche Arbeiten und damit einer der Mächtigsten im Kabinett von Präsident Horacio Cartes. In Paraguay ist Jiménez umstritten.

Schon bevor er Regierungsmitglied wurde, war seine Firma Bricapar größter Holzkohle-Exporteur des Landes und für rund ein Viertel der Ausfuhren von Holzkohle und Briketts verantwortlich. In den ersten drei Monaten 2017 war es mehr als ein Drittel, das zeigen Daten der paraguayischen Außenhandelskammer. Seit er Minister ist, hat er sich offiziell aus der aktiven Arbeit bei Bricapar zurückgezogen, Geschäftsführer ist heute sein Bruder Manuel.

In Teniente Ochoa wird Holzkohle auf Land produziert, das dem paraguayischen Pensionsfonds gehört. Der soll Arbeiter und Angestellte gegen Krankheit oder Unfälle und für die Zeit der Rente absichern. Der Fonds hat das Land weiterverpachtet, an die Agrarfirma Irasa. Diese wurde von den Behörden autorisiert, einen Teil der Waldfläche durch Weiden und Äcker zu ersetzen, die schriftliche Erlaubnis liegt der ZEIT vor. Zum Deal zwischen Fonds und Irasa aber wurden Vorwürfe laut: Die paraguayische Zeitung ABC Color deckte 2014 auf, dass Irasa als Pachtpreis nur rund ein Achtel des üblichen Preises zahlte.

Irasa wiederum schloss 2012 mit dem Holzkohle-Hersteller Bricapar einen Vertrag. In seiner Antwort sagt Bricapar-Geschäftsführer Manuel Jiménez, dass die Firma nicht von besonders günstigen Preisen profitiert habe. Der Vertrag mit Irasa erlaubte Bricapar, die "Abfallprodukte" jener Landumwandlung zu nutzen: frisch gefällte Quebracho-blanco-Bäume. Holzkohle und Briketts sind direktes Resultat jener Kahlschläge, die dafür sorgen, dass das Ökosystem Chaco zerstört wird. Auf Containerschiffen gelangt die gewonnene Beute nach Übersee, auch nach Europa.

Für den Export arbeitet der Kohleproduzent Bricapar eng mit der spanischen Firma Ibecosol zusammen. Sie bildet die Brücke zwischen den kahlen Flächen im Chaco und den Supermarktregalen in Deutschland. Ibecosol hat seinen Sitz in Madrid, und wie eng es mit Bricapar verflochten ist, zeigen die Besitzverhältnisse: Minister Jiménez etwa hält ein Viertel der Anteile an Ibecosol.

Dessen Geschäftsführer ist der Spanier Guillermo Vega de Seoane. Er bestätigt die Verbindung zwischen den Unternehmen. "Unsere Firma befolgt alle Regeln", sagt er. Bricapar werde von staatlichen Stellen überprüft und handle verantwortlich. So schlage man etwa ein Viertel der Fläche nicht ein und lasse außerdem einen Streifen von 100 Meter Wald rund um die abgeholzten Flächen stehen. Zusätzlich würden weitere 30 Prozent des Waldes unangetastet gelassen. Satellitenaufnahmen scheinen de Seoanes Aussagen zu bestätigen. Blick aus dem All – wie die Wildnis schwindet

"Unsere Holzkohle ist absolut nachhaltig, weil wir nur Holz verarbeiten, das bei der Umwandlung von Land ohnehin anfällt", sagt de Seoane. Noch einen Schritt weiter geht Bricapar-Geschäftsführer Manuel Jiménez in seiner Argumentation: "Wir benutzen Abfälle, die beim Verpacken von Holzkohle entstehen. Dieser Abfall wird benutzt, um Holzkohle-Briketts herzustellen." Zusätzlich kaufe Bricapar von anderen Herstellern Rohstoffe an. Für die deutschen Briketts verwende man ausschließlich Abfälle aus der Holzkohle-Produktion. Die 80 Öfen in der Anlage von Teniente Ochoa stellten zwar Holzkohle her – die gelange jedoch nicht nach Deutschland. Folgt man dieser Argumentation, landen in unseren Regalen maximal Briketts, die teilweise aus den Holzkohleabfällen aus Teniente Ochoa gepresst wurden. Der Grund für Abholzung vor Ort, sagt Jiménez, sei die Umwandlung zu Agrarflächen.

Präsident Cartes forderte Investoren auf, Paraguay "zu nutzen und zu missbrauchen" Doch die Holzkohle-Produktion ist Teil der Gesamtrechnung, sie trägt dazu bei, dass die Umwandlung von Wald sich lohnt.

Aldi Süd schreibt in seiner Antwort : "Nach Informationen unseres Lieferanten liegt ein Standort, an dem Holzkohle – aus einer nicht artgeschützten Holzart – produziert wird, in der Nähe von Teniente Ochoa." Jiménez’ Behauptung, dass Bricapar lediglich die Abfälle nutze und die Anlage nicht selbst betreibe, widerspricht den Aussagen des Managers vor Ort, die Earthsight bei seinem Besuch aufgenommen hat.

Bricapars Briketts werden in Deutschland mit dem PEFC-Siegel verkauft. Dieses Zertifikat suggeriert Nachhaltigkeit. Doch das Beispiel zeigt, wie wenig man sich auf Zertifizierung verlassen kann: Bei der Umwandlung von Wald zu Weiden und Äckern entsteht Holzkohle in verschiedenen Größen – auch als jener "Abfall", den Bricapar benutzt, um seine Briketts zu produzieren. Für einen Kunden ist später nicht ersichtlich, dass die Briketts Rohstoffe enthalten, für die Wald weichen musste.

4.780.071 Hektar Wald

Tobias Kümmerle, Geografieprofessor an der Berliner Humboldt-Universität, erforscht den Chaco seit Jahren. Es gebe viele Gründe, warum die Entwaldung in Paraguay vor allem in den vergangenen zehn Jahren so rasant vorangeschritten sei: "Haupttreiber ist die Expansion der industriellen Landwirtschaft, vor allem der stark exportgetriebenen Rindfleisch-Industrie." Die Erträge seien durch neue Grassorten höher geworden. Offenbar kauften auch Sojabauern aus dem Osten Paraguays und aus anderen Staaten Südamerikas Land im Chaco, um dort Viehzucht zu betreiben, sagt Kümmerle.

Ibecosol-Chef de Seoane argumentiert, die Umwandlung von Wald zu Weide sei temporär, Bricapar habe das Land nur zeitweise gepachtet. Dass die abgeholzten Gebiete bald wieder zu Wald werden, ist jedoch unrealistisch. Wenn die Bäume abgeholzt sind und Rinder auf den Flächen weiden, wachsen dornige Büsche zwar relativ schnell wieder nach. "Aber es müssen schon mindestens 100 Jahre vergehen, bis die großen Bäume wieder da sind", sagt Kümmerle. Genau diese Bäume aber brauchen viele Tiere und Pflanzen.

Die Entwaldung des Chaco ist eine ökologische Katastrophe. Doch sie ist politisch gewollt. 2014 sprach Paraguays Präsident Horatio Cartes vor brasilianischen Industrievertretern. In seiner Rede lud er sie ein, in seinem Land zu investieren, es "zu nutzen und zu missbrauchen": "Usen y abusen de Paraguay." Und weiter: "Das Land ist euer."

Die wohlhabende und landbesitzende Elite des Landes profitiert von dieser Politik ebenso wie die US-Agrargiganten ADM, Cargill oder Bungee. Sie sind in Paraguay aktiv und kaufen auch Sojabohnen auf, deren Herkunft fragwürdig ist, wie ein Bericht des Rolling Stone von 2014 belegt.

Ihnen allen nutzt indirekt die immense Anteilnahme, die dem Amazonas zuteilwurde. Denn während dort für die Erhaltung der Natur gekämpft wurde, konnten die Agrarkonzerne im Chaco ihren Geschäften ohne große öffentliche Aufmerksamkeit nachgehen. Die Folge: Seit 2001 hat Paraguay 4.780.071 Hektar Wald verloren. Das entspricht der Fläche Niedersachsens. Davon profitieren nicht nur Rancher und Agrarkonzerne, sondern auch diejenigen, bei denen die Produkte – Rindfleisch, Soja, Holzkohle – am Ende landen. Zum Beispiel die Kunden in Deutschland.

Über Ibecosol gelangt die Kohle nach Europa. CEO Guillermo Vega de Seoane bestätigt, dass er die Discount-Riesen Aldi und Lidl beliefere. Letzterer äußerte sich auch auf mehrmalige Nachfrage der ZEIT nicht. Aldi Nord verkaufte Kohle von Bricapar, beendete die Zusammenarbeit aber im vergangenen Jahr. Aldi Süd führt seit 2013 paraguayische Briketts in seinem Sortiment. Die von Earthsight ermittelten Bedingungen seien "in keiner Weise mit unserem Verständnis von einem ökologisch verantwortungs- und rücksichtsvollen Umgang mit Rohstoffen vereinbar", teilt eine Sprecherin schriftlich mit. Aldi Süds Lieferant – Ibecosol – habe jedoch versichert, "dass es sich um eine von der Regierung lizenzierte Region handelt, die kein geschütztes Ökosystem darstellt". Man wolle nun die Bedingungen genau überprüfen und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen.

Deutschland gehört zu Europas größten Importeuren von Grillkohle und Briketts. Die Ware kommt aus Ländern wie Polen, der Ukraine oder Nigeria. In Nigeria etwa geht die Regierung davon aus, dass die Hälfte aus illegal gerodeten Bäumen erzeugt wird – Umweltschützer schätzen den Anteil noch höher ein. Auch in der Ukraine gibt es illegale Abholzung für Grillkohle.

Die Geschichte von Paraguays Entwaldung, die täglich voranschreitet, wirkt wie eine Blaupause für viele wirtschaftlich strauchelnde Länder, die mit großer biologischer Vielfalt gesegnet sind: Zuerst kommen die Rinderzüchter, dann geteerte Straßen. Sie verbinden die einst entlegenen Gebiete mit Städten und Häfen. Mit den Straßen kommen mehr Sägen, mehr Trucks, mehr Bauern. Schlacht- und Kühlhäuser werden gebaut. Je leichter zugänglich ein Gebiet ist, desto einfacher kann Wildnis urbar gemacht werden. Und je besser die Infrastruktur vor Ort, desto einfacher ist es für neue Rancher, sich dort niederzulassen. Auch wenn es weltweit wohl keine andere Region gibt, in der Wald so rücksichtslos eingeschlagen wird wie im paraguayischen Chaco: Noch immer sind seine Waldgebiete riesig. Das nächste Jahrzehnt ist entscheidend für die Zukunft eines der größten Wildnisgebiete Lateinamerikas. Verliert Paraguay seine Wälder weiter so schnell wie in den vergangenen Jahren, wird es den Chaco in wenigen Jahrzehnten nicht mehr geben.
quelle: Kann den Sägen Sünde sein?, Zeit

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