Pro REGENWALD

Indigene
ziemlich unter Druck

 

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Richtig wahrnehmen tun wir sie
nicht.
Titel wie "Sechster Sinn rettet Eingeborenenstämme vor Flut", "Ureinwohner in Malaysias Regenwald zwangsenteignet" oder "Die Botschaften der Naturvölker" sind uns aus den Medien zwar geläufig und vermitteln einen Hauch Exotik. Dass es dabei um "Indigene" geht, wie sie richtig bezeichnet werden, wie sie leben und welchen Problemen sie ausgesetzt sind, entzieht sich meist unserer Kenntnis.



Indigene

Heutzutage bezeichnen sich etwa fünf Prozent der Weltbevölkerung als Indigene, das sind gut 370 Millionen Menschen. Die meisten von ihnen leben in abgelegenen (=unerschlossenen) Regionen der Erde. Sie bilden rund 5.000 Völker, die in über 70 Staaten leben und von Indios im amazonischen Regenwald über die Inuit der Arktis, die Tuareg der Sahara bis zu den Aborigines in Australien und den Maori in Neuseeland reichen.

Das Wort "indigen" bedeutet "einheimisch". Es bezeichnet die Nachfahren von Völkern, die ein Gebiet bereits vor der Kolonialisierung, der Besiedlung durch eine andere Kultur oder der Gründung eines modernen Staates bewohnten. Die im Deutschen immer wieder anzutreffenden Bezeichnungen "Eingeborene" oder "Ureinwohner" sind hingegen keine korrekten Begriffe, weil sie einerseits eine primitive und unterentwickelte Lebensweise unterstellen und andererseits darin mitschwingt, die Bevölkerung wäre schon immer auf diesem speziellen Gebiet ansässig, was selten tatsächlich zutrifft.

Den Begriff "Naturvölker" gibt es nur in der deutschen Sprache und er ist ebenfalls nicht zur korrekten Bezeichnung indigener Völker geeignet. Verbirgt sich dahinter doch die Vorstellung der "Edlen Wilden", die in vollkommener Harmonie mit der Natur leben. Ein Irrtum, denn auch naturverbundene Gemeinschaften sind nicht immer so umweltbewußt sind, wie der Begriff "Naturvolk" suggeriert.


Wer ist "indigen"?

Indigene Völker sind die Nachfahren der Erstbesiedler einer Region, sie haben ihre eigene Sprache, Kultur sowie soziale, kulturelle und politische Einrichtungen und Organisation, die sich deutlich von denen der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden, in der sie meist leben. Während indigene Völker die Erfahrungen der Diskriminierung und Marginalisierung mit anderen ethnischen Minderheiten teilen, gibt es doch entscheidende Unterschiede bezüglich ihrer Rechte und Identität. Indigene Völker haben - anders als andere Gruppierungen - stets die Anerkennung ihrer kollektiven Rechte betont, da sie sich nicht nur als eine Ansammlung von Individuen betrachten.

Noch immer werden viele indigene Völker von der Gesellschaft ausgeschlossen und ihnen Rechte als gleichberechtigte Bürger vorenthalten. Dennoch sind sie nach ihrer Selbstbestimmung fest entschlossen, ihr angestammtes Land und ihre Identität zu erhalten und an zukünftige Generationen weiterzugeben.

Anhand dieser Kriterien, die im Auftrag der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen und der UN Arbeitsgruppe für indigene Bevölkerungen in den 70er Jahren erarbeitet wurden, lassen sich "indigene Völker" identifizieren - eine einheitliche und offiziell anerkannte Definition des Begriffes "indigene Völker" gibt es bislang nicht.

Eine bislang unlösbarer Streitpunkt in der Definitionsfindung ist die Frage, ob von "indigenous people" (Menschen) oder "indigenous peoples" (Völkern) die Rede ist. Das hat massive politische Gründe: die offizielle Bezeichnung als Volk würde entsprechende völkerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung, was die freie Verfügung über Land und Ressourcen beinhaltet. Eine Anerkennung dieser Rechte ließe viele Regierungen um die Kontrolle und den Besitz der Bodenschätze auf ihrem Staatsgebiet fürchten.

Indigenes Leben ist ...

nicht in wenigen Zeilen zu beschreiben, weil es so vielfältig ist, wie die Lebensräume unterschiedlich sind. Eine Beschreibung des Leben der Inuit in der Arktis beispielsweise wäre nicht gleichzusetzen mit dem der Völker Papuas. Folgende Beispiele indigenen Lebens sind weder universell noch abschließend, sie zeigen nur einen kleinen Ausschnitt einer großen Vielfalt.

.. Familie

Menschen organisieren sich und geben sich Regeln. Die kleinste Einheit sozialer Organisation ist die Familie, sie bildet den Kern der Gemeinschaft. Während in vielen westlichen Gesellschaften sich das Familienkonzept immer mehr auflöst oder sie nur noch eine von vielen sozialen Gruppen ist, in denen ein Individuum organisiert ist, spielen die Familie und verwandtschaftliche Beziehungen bei indigenen Völkern eine gewichtigere Rolle im sozialen Leben.

In den Hochlagen der Anden etwa leben meist drei Generationen (Eltern, Kinder, Großeltern) zusammen, wobei der Dorfgemeinschaft dennoch eine bedeutsame Rolle zukommt und über Patenschaften ("compadre/comadre") auch nicht verwandte Personen sozial und ökonomisch sehr eng an die Familien und die Kinder gebunden werden. Bei Völkern im Amazonasgebiet ebenso wie in Teilen Südostasiens leben dagegen teilweise mehr als hundert Personen in Rund- oder Langhäusern zusammen und bilden eine enge Gemeinschaft, die sich Aufgaben des täglichen Lebens wie Kindererziehung, Zubereitung des Essens oder der Lösung von Konflikten über verwandtschaftliche Bindungen hinaus gemeinsam stellt.

Reservate für Indigene sind eine hässliche Erfindung von Eroberern für in Minderzahl lebende Vorherdagewesene. Sie wurden im Zuge der Kolonisierung in den USA und Kanada eingerichtet, weil Indigene durch ihre Anwesenheit den Zugriff auf Ländereien und deren Nutzung verwehrten. Später wurden Reservate in Regenwaldländern in abgelegenen Regionen ausgewiesen um Indigenen ungestörte Lebensraum zu überlassen im Gegenzug aber ein Gebiet indianerfrei zu bekommen. Reservate waren immer ein schlechtes Geschäft für die Indigenen: weniger Raum, schlechtere Wirtschafts- und Lebensbedingungen ... und selbst die werden ihnen heute - nachdem genau in diesen Regionen mittlerweile Bodenschätze gefunden wurden - wieder streitig gemacht. [.. weitere Details auf www.pro-regenwald.de/indigene]

.. Sprache

Sprache spiegelt das Bild, das wir Menschen uns von der Welt, den Dingen um uns herum und uns selbst machen. Das gesamte Weltbild einer Gruppe manifestiert sich in ihrer Sprache. Da sich die gemeinsamen Erfahrungen von Gemeinschaft zu Gemeinschaft unterscheiden, sind auch die Sprachen unterschiedlich. Weltweit werden derzeit etwa 6.500 verschiedene Sprachen gesprochen, wobei sich jeder zweite Mensch in einer der zwanzig "großen" Sprachen wie Englisch, Chinesisch, Spanisch oder Deutsch verständigt. In der Mehrzahl der Sprachen kann man sich hingegen nur mit wenigen Menschen unterhalten. Savosavo auf den Salomonen sprechen nur 3.000 Menschen, Bora in Kolumbien sogar nur 1.000. Allein in Südamerika werden rund 700 verschieden Sprachen gesprochen, von denen jede noch eine Vielzahl unterschiedlicher Dialekte hat. Papua-Neuguinea ist das Land mit der größten Vielfalt an Sprachen - nämlich 700 bis 860.

Viele dieser über 6.000 Sprachen werden im Laufe der nächsten Jahrzehnte verschwinden, da es immer weniger Menschen gibt, die sie sprechen. Allein in den USA spricht die UNESCO von 191 gefährdeten Sprachen, darunter Sioux und Cherokee.

Ein Grund für das Sprachensterben ist, dass die meisten indigenen Völker keine Schriftkulturen, sondern orale Kulturen sind. Es existieren keine Aufzeichnungen ihrer Sprache. Mit den letzten Menschen eines Volkes, die die Sprache noch sprechen, wird demnach auch die Sprachen sterben.

Ein zweiter Grund ist die Sprachpolitik in vielen Staaten selbst mit einem hohen Anteil indigener Bevölkerung. Indigene Sprachen sind in keinster Weise der Verkehrssprache gleichgestellt und werden auch diskriminiert, in dem sie an Schulen nicht unterrichtet werden, Ärzte, Anwälte sprechen sie nicht und auch in den Medien ist sie nur selten anzutreffen. Mit der Zeit geht die Sprache so verloren, da die Indigenen in Lateinamerika etwa auf Spanisch angewiesen sind und ihre eigene Sprache weder lernen noch im Alltag einsetzen (können).

.. das Verhältnis zur Natur

Das westliche Konzept von Natur, das den Menschen nicht als Teil der Natur sieht sondern ihm einen Beherrschungsauftrag auf den Weg mitgibt, ist dem Naturverständnis und Weltbild indigener Völker ebenso fremd wie die Unterscheidung zwischen Bodenoberfläche und unterirdischen Bodenschätzen. Auch individuelle Landrechte beziehungsweise Besitzverhältnisse kennen sie traditionellerweise nicht. Landrechte sind kollektiv, das Land gehört der Gemeinschaft. Die indigenen Völker und ihr Land lassen sich nicht voneinander trennen, sondern stehen traditionell in ökologischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Zusammenhang. Ihr Land gibt ihnen Nahrung und Zuhause, zugleich sind hier aber auch ihre Vorfahren begraben und es ist der Ort ihrer heiligen Stätten.

Ein solches Weltbild lässt Raubbau an der Natur oder ihre mutwillige Zerstörung und Verschmutzung aus reinem Gewinnstreben nicht zu - entnehmen sie der Natur etwas, dann schonend und dankbar gegenüber "Mutter Erde". Vor diesem Hintergrund ist die Forderung der indigenen Völker nach territorialer Selbstbestimmung von elementarer Bedeutung für ihren Fortbestand, da diese Forderung eben nicht nur eine Frage der reinen Besitzverhältnisse ist, sondern letztlich auch eine Frage der kulturellen und gesellschaftlichen Selbstbestimmung.

Unkontaktierte indigene Völker NACHARBEITEN

Es gibt weltweit rund hundert verschiedene indigene Völker, die in freiwilliger Isolation leben oder nur sporadischen Kontakt zu Gemeinden in ihrer Umgebung suchen. Sie fürchten durch engeren Kontakt mit der 'Zivilisation' und all ihren Begleiterscheinungen ihre Selbstbestimmung oder gar ihr Leben zu verlieren. Aus der Erfahrung mit Epidemien und Massakern durch Invasoren, die sie nahezu ausgerottet haben, ist die Isolation bewußt gewählt.

In den letzten Jahrzehnten sind diese Völker durch illegalen Holzeinschlag und das Vordringen von Goldsuchern und Mineralölkonzernen auf ihre Gebiete gezwungen, weiter in den Wald zu fliehen.

Rund hundert verschiedene indigene Völker, die in freiwilliger Isolation leben oder nur sporadischen Kontakt zu Gemeinden in ihrer Umgebung haben, sind derzeit bekannt. Die Mehrheit von ihnen leben in unzugänglichen Regionen des amazonischen Regenwaldes Brasiliens, Perus und Boliviens. Insbesondere in der Grenzregion zwischen Brasilien und Peru sowie im Grenzgebiet zwischen Brasilien und Bolivien sind sie beheimatet. Einige Völker leben auch in Ecuador und Kolumbien und in Paraguay das Volk der Ayoreo. In Venezuela gibt es mehrere Völker, die sporadischen Kontakt zur Außenwelt haben. Auch auf den indischen Andamanen-Inseln lebt mit den Sentinelesen ein Volk in freiwilliger Isolation.

Jedes dieser Völker hat seine eigene einzigartige Sprache, Brauchtümer und Kultur. In der Regel sind sie Nomaden und leben von der Jagd, dem Fischfang und Sammeln. Manche der Völker pflanzen um ihre zeitweiligen Siedlungen auch Feldfrüchte an.

In den letzten Jahrzehnten sind diese Völker durch illegalen Holzeinschlag und das Vordringen von Goldsuchern und Mineralölkonzernen auf ihre Gebiete gezwungen, weiter in den Wald zu fliehen. Die isolierten Völker haben in der Vergangenheit deutlich gezeigt, dass sie keinen Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft wollen und sich bei Kontakten entweder weiter zurückgezogen oder versucht, ihr Gebiet mit Pfeil und Bogen zu schützen.

Das Vordringen der Konzerne und der damit einhergehende Straßenbau bis in entlegendste Regionen macht die isolierten Völker besonders verwundbar. Der Kontakt mit Menschen von außerhalb ist für sie fatal. Ihr Immunsystem ist nicht auf vermeintlich gewöhnliche Krankheiten wie Erkältungen, Grippe, Masern oder Diarrhoe vorbereitet. Erwiesenermaßen haben diese Krankheiten in der Vergangenheit eine Vielzahl Indigener bei Erstkontakten getötet. Die Krankheiten hatten sich unter den indigenen Völkern zu Epidemien entwickelt und zum Teil in wenigen Monaten die Bevölkerungszahl auf einen Bruchteil reduziert. Anfang der 1980er-Jahre etwa kamen die Nahua in Peru mit einem Erkundungsteam von Shell in Kontakt. Innerhalb von zwei Jahren starb die Hälfte des Volkes.

Aus der Erfahrung mit Epidemien und Massakern durch Invasoren, die sie nahezu ausgerottet haben, ist die Isolation bewußt gewählt, um sich selbst und ihre Kultur zu schützen.

Bedrohungen sind aber nicht nur Unternehmen, sondern nach wie vor auch Missionare, die sie bekehren wollen. 1987 etwa drangen Missionare zu den bis dahin unkontaktierten Zo'e in Brasilien vor, von denen daraufhin innerhalb kurzer Zeit einige an Krankheiten starben, die bei ihnen völlig unbekannt waren.

Eine weitere Bedrohung für sie ist der Tourismus. In den letzten Jahren mehren sich die Touristen, die auf der Suche nach Abenteuern immer weiter in die Wälder vordringen und sich erhoffen, die letzten unberührten Völker der Erde zu finden. Auf den Andamanen in Indien ist das Volk der Jarawa, das bis vor Kurzem noch isoliert lebte inzwischen zur Attraktion von Massentourismus geworden. "Menschen-Safaris" werden angeboten und auf der illegalen Straße durch ihr Gebiet, müssen sie sich begaffen, fotografieren und sich mit Bananen und Keksen bewerfen lassen wie Tiere im Zoo.

.. die Wirtschaftsweise

Viele indigene Völker versorgen sich durch Landwirtschaft, Gartenanbau, Jagd und Fischfang selbst. Die Arbeit wird auf alle Schultern der Familie verteilt, so dass auch die Kinder schon früh einbezogen werden. Während der Gartenanbau, das Sammeln von Früchten und Produkten im Wald, die Zubereitung der Speisen und Getränke sowie die Versorgung der Kinder die Aufgabe der Frauen ist, gehen die Männer jagen, Häuser bauen und die Felder bestellen. Sobald die Kinder älter sind, werden sie je nach Geschlecht von der Mutter oder dem Vater an ihre Aufgaben herangeführt. Größere Aufgaben, wie etwa Bauarbeiten oder die Vorbereitung von Festen werden nicht von einer Familie allein bewerkstelligt, sondern von der größeren Gruppe erledigt.

Je nach geographischen, ökologischen und klimatischen Bedingungen unterscheiden sich die Produktionsweisen. Die meisten Völker der Amazonasregion betreiben Land- und Waldwirtschaft, die über Jagen und Sammeln bis hin zu Gartenanbau und Brandrodungsfeldbau reicht. Die Indigenen in den Anden sind oftmals Kleinbauern, die nicht nur reine Subsistenzwirtschaft betreiben, sondern auch für lokale Märkte produzieren. Aufgrund der schwierigen Bedingungen im Andenhochland und der niedrigen Preise, die sie für ihre Produkte erzielen, sind sie vermehrt auf Lohnarbeit in größeren Farmen angewiesen.

Bedrohung indigener Völker durch ...

Die Geschichte Indigener Völker ist eine Leidensgeschichte geworden ... da sie in der Regel invasiven Eingriffen in ihren Lebensraum, wie man heute rückblickend zusammenfassen kann, wenig entgegenzusetzen haben. Ganze Völker wurden aus wirtschaftlich profitableren Regionen abgedrängt, überrannt, durch Krankheiten stark dezimiert oder ganz hinweggerafft.

Diese Eroberung ist noch nicht abgeschlossen. Mit dem Hunger der 'zivilisierten' Welt nach Rohstoffen wie Holz, Erz, Diamanten, Gold, Kohle, Gas und Erdöl, dem steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln (Soja, Palmöl, Rinderzucht) und Energie (Staudämme, Uranminen und nukleare Abfallentsorgung) werden immer mehr bislang unattraktiv scheinende Regionen erschlossen. Weil sie zunehmend in wirtschaftlich grenzwertige (Niederschlag, Bodenqualität, Gebirgslagen) Regionen abgedrängt wurden, wirken sich heute Veränderungen, wie durch den Klimawandel, besonders dramatisch aus. Die Ausrottung indigener Völker schreitet voran - und sie wird auch durch unsere Lebensweise in Deutschland befördert.

Treibende Ursachen im Detail sind, der Holzeinschlag in bisher unerschlossenen Waldgebieten, die Landwirtschaft, die Gewinnung von Bodenschätzen, es sind Energie- und Infrastrukturprojekte und es kann selbst der Naturschutz sein. [.. weitere Details auf www.pro-

..den Klimawandel

Indigene Völker zählen schon heute zu den Bevölkerungsgruppen, die die Hauptlast des Klimawandels tragen. Schätzungen zufolge sind bereits 150 Millionen Indigene von den Folgen des Klimawandels betroffen. Sehr häufig leben sie nämlich in sensiblen Ökosystemen wie den Inselstaaten Nauru und Vanuatu im Pazifik, in tropischen Regenwäldern, in arktischen Regionen, im Hochland der Anden und des Himalaja oder in Wüstenregionen Afrikas.

Einige dieser Ökosysteme sind bereits vom Klimawandel betroffen, so dass indigene Völker die Auswirkungen direkt zu spüren bekommen. Auf den Pazifikinseln ist der Anstieg des Meeresspiegels zu registrieren, in der Arktis gefährdet der Rückgang des Dauerfrostes bei den Inuit oder Sami die traditionellen Fisch- und Jagdgebiete und in tropischen Regionen haben sich durch die klimatischen Veränderungen die Anbauzyklen der Landwirtschaft verschoben und durch unregelmäßige Regenfälle oder verlängerte Monsunregen gehen die Erträge zurück. Trockenheit und Dürreperioden werden ebenfalls zunehmend Schäden in der Landwirtschaft der Indigenen verursachen.

Höhere Temperaturen werden außerdem dazu beitragen, dass vermehrt Krankheiten wie Cholera, Malaria und Dengue-Fieber auftreten werden.

Die indigenen Völker sind durch den Klimawandel nicht nur ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlage gefährdet, sondern auch in ihrer gesamten Lebensweise, da ihre Rituale und Kultur ebenso wie ihr traditionelles Wissen eng mit der Natur verknüpft ist.

Inzwischen sind die indigenen Völker aber nicht mehr nur vom Klimawandel direkt betroffen, sondern auch indirekt - durch unsere Maßnahmen des Klimaschutzes. Dazu gehören Staudammbauten, die Anlage von Ölpalmplantagen für Biosprit oder gar für Naturschutzprojekte selbst

..Staudammprojekte

Bei den Maßnahmen für (mehr) Klimaschutz ist die Abkehr von fossilen Energieträgern und der Übergang zu erneuerbaren von besonderer Bedeutung. Und was, wenn nicht Wasserkraft, könnte "saubere Energie" sein? Als vermeintlich klimafreundliche und kostengünstige Technologie boomt Wasserkraft regelrecht - tausende weltweit geplante Dämme und Kraftwerke dokumentieren dies. Doch tatsächlich setzen Stauseen gerade in den Tropen klimaschädliche Treibhausgase in großem Maße frei. Auch ist Wasserkraft nur günstig, solange die Kosten der sozialen und ökologischen Folgen nicht eingerechnet werden. Selbstverständlich sind es die indigenen Völker, die von den Staudammbauten unmittelbar bedroht sind.

Im brasilianischen Bundesstaat Para etwa, mitten im amazonischen Regenwald, am Fluß Xingu, hat der Bau des drittgrößten Staudamms der Welt begonnen. Für Belo Monte, wie das Projekt heißt, müssen rund 20.000 Menschen zwangsumgesiedelt werden, weil die Stadt Altamira teilweise überflutet werden wird. Die indigene Bevölkerung entlang der großen Flußschleife am Xingu wird zwar nicht überflutet, aber da sie hinter der Staumauer sind, wird auf ihrer Seite der Fluß auf einer Länge von fast hundert Kilometern nahezu trockengelegt. Die drastische Reduzierung der Wassermenge bedroht die Lebensgrundlage tausender vom Fischfang lebender Familien. Paradoxerweise gelten diese Menschen nicht als "direkt betroffen", da sie ja nicht überflutet werden.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte und die Arbeitsorganisation der UNO (ILO) haben wegen Menschenrechtsverletzungen einen sofortigen Baustopp von der brasilianischen Regierung und den Betreiberunternehmen gefordert. Derzeit sind zwanzig Verfahren der Staatsanwaltschaft Para gegen das Projekt anhängig, da die Auflagen für den Bau nicht erfüllt sind.

Mehrfach wurden von Gerichten Baustopps erlassen, die jedoch unter teils fadenscheinigen Gründen wieder aufgehoben wurden. Der Bau geht illegal weiter, während sich in Brasilien und rund um die Welt ein breites Protestbündnis aus indigenen Völkern, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen gegen den Bau wehrt und die beteiligten europäischen Unternehmen (u.a. Siemens, Allianz, Andritz, Voith, Münchener Rück) zum Ausstieg aus dem Projekt auffordern.

Im malaysischen Bundesstaat Sarawak auf der Insel Borneo setzen sich ebenfalls Indigene gegen Staudämme zur Wehr. Die Regierung Sarawaks plant zwölf Wasserkraftwerke für die mehrere zehntausend Menschen umgesiedelt werden müssen, weil ihr derzeitiger Lebensraum überflutet würde. Die Versprechungen der Regierung, die gewonnene Energie käme der lokalen Bevölkerung zugte, haben sich bereits als unwahr herausgestellt, denn das eine bereits bestehende Kraftwerk produziert doppelt so viel Energie, wie der gesamte Staat Sarawak benötigt. Staatdessen geht die Energie an Aluminiumwerke des australischen Bergbaukonzerns Rio Tinto. Alleine der geplante Staudamm Baram würde über 40.000 Hektar Regenwald überfluten und 26 indigene Dörfer mit rund 20.000 Menschen vertreiben.

Beim Staudamm Murum fand die vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung erst statt, nachdem mit dem Bau bereits begonnen wurde und die von der Umsiedlung betroffenen Gemeinden wurden erst einen Monat vor der Umsiedlung überhaupt erst darüber informiert.

Wie Belo Monte in Brasilien erfüllen auch Baram und Murum mehrere Kriterien der Weltstaudammkommission nicht, darunter Akzeptanz der Bevölkerung, Erhalt des Flußes und der Lebensräume sowie Anerkennung der Rechtsansprüche der betroffenen Bevölkerung.

Die Völker der Penan, Kenyah, Kayan und Iban protestieren gegen diese Staudämme, sie blockieren Straßen, die zu den Baustellen führen und sie fordern ihre Rechte ein.

.. Ausbeutung von Bodenschätzen

Viele indigene Territorien und Reservate liegen in Regionen, die reich an Bodenschätzen sind. Die begehrte Bandbreite reicht von Erdöl und Kohle über Uran und Seltene Erden bis zu Gold.

Im Osten Ecuadors befindet sich der 2,5 Millionen Hektar große Yasuni-Nationalpark. Einzigartig in seiner Artenvielfalt leben dort auch mehrere indigene Völker, von denen sich Tagaeri und Taromenane tief in den Wald zurückgezogen und für die Isolation entschieden haben, nachdem Teile ihres Gebiets in den letzten zwanzig Jahren von Ölfirmen in Beschlag genommen wurde. Obwohl Yasuni als Nationalpark geschützt ist und innerhalb des Parks noch eine spezielle 700.000 Hektar umfassende Schutzzone für die Tagaeri und Taromenane eingerichtet wurde, hat der Staat Ecuador mehrere Ölkonzessionen im Nationalpark an Minaralölkonzerne vergeben. Obwohl laut Umfragen 90 Prozent der Ecuadorianer gegen Ölbohrungen in dieser besonders sensiblen Region sind, haben Staatspräsident Correa und das Parlament im Sommer 2013 beschlossen, Ölbohrungen im Nationalpark Yasuni zuzulassen - mit nicht absehbaren Folgen für die Umwelt und die indigenen Völker der Region. Dass Protest gegen diese Entscheidung nicht gern gesehen ist, zeigte sich Anfang Dezember 2013, als mit der Fundacion Pachamama eine Nichtregierungsorganisation zur Unterstützung indigener Belange von höchster staatlicher Stelle aufgelöst wurde, weil sie gegen die geplante Ölbohrung im Regenwald protestierte.

Trotz Energiewende wird in Deutschland im Jahr 2012 noch rund ein Fünftel des Stroms durch die Verbrennung von Steinkohle produziert. Über 20 Millionen Tonnen der insgesamt 33,65 Millionen Tonnen für deutsche Kraftwerke importierten Steinkohle kommt aus Kolumbien und Russland. Die kolumbianische Kohleregion, aus der die deutschen Energieversorger ihre Kohle beziehen, befindet sich unter Kontrolle oppositioneller Paramilitärs, die regelmäßig Mitglieder der Kohlearbeiter-Gewerkschaften bedrohen. Das Unternehmen Cerrejón betreibt im Norden Kolumbiens mit 30 Millionen Tonnen pro Jahr den größten Kohletagebau der Welt - zu den Abnehmern gehören RWE, EnBW und E.ON - doch das ist Cerrejón nicht genug. Sie wollen den Tagebau erweitern, um an zusätzliche 500 Millionen Tonnen Steinkohle heranzukommen. Dafür müsste jedoch der Fluss Ranchería umgeleitet werden. Für das indigene Volk der Wayúu ist der Fluss gleich doppelt wichtig - so spielt er eine Rolle in ihrer Religion und ist zudem für die Landwirtschaft in der trockenen Region unerläßlich. 2012 versuchte Cerrejón die protestierenden Wayúu-Gemeinden u.a. mit Stacheldraht, Autos und Kühen ruhig zu stellen. Aufgrund des dennoch anhaltenden Protests stellte Cerrejón seine Erweiterungspläne fürs Erste zurück.

Die russische Kohle für deutsche Kraftwerke stammt insbesondere aus der Kuzbass-Region um Krasnojarsk und Kemerovo. Kaum eine Region weltweit weist eine höhere Verschmutzung von Luft, Wasser und Böden auf als der Kuzbass. Lebensmittel sind mit Blei, Arsen, Cadmium und Quecksilber belastet, die Krebsrate und Müttersterblichkeit ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen und die Lebenserwartung ist nirgendwo in Russland niedriger. Die Siedlungen der indigenen Völker der Teleuten und Schoren sind durch den Ausbau der Kohleförderung ebenso bedroht wie ihre Viehherden und ihre Jagd- und Fischgründe. Mehrere heilige Berge der insgesamt 11.000 noch in der Region lebenden Schoren fielen dem Kohlebergbau bereits zum Opfer, der Fluss ist verschlammt und die verantwortlichen Unternehmen ignorieren die Indigenen und deren Interessen.

Gerade einmal 2.700 Tonnen Gold wurden im Jahr 2011 weltweit gefördert, auf Peru entfallen davon lediglich 150 und auf Brasilien sogar nur 55 Tonnen. Dennoch sind die indigenen Völker des amazonischen Regenwalds in Peru, Brasilien und Venezuela massiv von illegalen Goldgräbern bedroht.

Als Anfang der 1980er-Jahre auf dem Gebiet der Yanomami in der Grenzregion zwischen Brasilien und Venezuela neben anderen Bodenschätzen auch Gold entdeckt wurde, setzte ein regelrechter Goldrausch ein, der die Goldgräber und -schürfer zu tausenden anlockte. Nur wenige Jahre später waren Schätzungen zufolge bereits 65.000 illegale Goldgräber in das Territorium der Yanomami vorgedrungen. Sie schleppten Krankheiten ein, zerstörten Dörfer und ermorderten sie. Innerhalb von nur sieben Jahren starben 20 Prozent der Yanomami. Bei einem Massaker illegaler Goldgräber an den Yanomami des Dorfes Haximu 1993 töteten sie 16 Menschen mit Schusswaffen und Macheten. Die Regierung versucht zwar, gegen die illegalen Goldgräber vorzugehen, aber noch immer sind rund 1.000 von ihnen im Gebiet der Yanomami, zerstören den Wald, verseuchen die Flüße mit Quecksilber und bedrohen die Bewohner.

In Peru ist die Lage für die indigene Bevölkerung durch illegale Goldgräber derzeit besonders bedrohlich. In der Amazonasregion Perus sollen derzeit zehntausende illegale Goldschürfer aktiv sein. Die Folge ist, dass die Flüße extrem quecksilberbelastet sind. Neuesten Untersuchungen zufolge haben die indigenen Kinder der Region eine dreimal so hohe Quecksilberbelastung wie Kinder im Rest Perus. Jedes Jahr schwemmen die illegalen Goldschürfer rund 30 Tonnen giftige Metalle in die Flüße und Seen der Region. Das Quecksilber nehmen die Menschen nicht nur durch das Trinkwasser auf, sondern insbesondere durch ihre Hauptnahrungsquelle, die Fische. Seit mehreren Jahren werden die Fische der Region, die vor allem als Speisefische dienen, untersucht und jedes Jahr ist deren Quecksilberbelastung noch einmal angestiegen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichte Daten, wonach der Quecksilberanteil im Körper der indigenen Bevölkerung der Region fünffach über dem als unbedenklich eingestuften Wert liegt.

..Landwirtschaft und Plantagen

In Kambodscha wurden seit 2003 mehr als 400.000 Menschen gewaltsam und ohne Entschädigung von ihrem Land vertrieben. Die Regierung verkauft die Gebiete an Zuckerrohr- und Kautschukkonzerne sowie an Baufirmen. Bewohner, die dagegen protestieren werden geschlagen, verhaftet oder gar ermordet - wie etwa der Umweltschützer Chut Wutty im Jahr 2012. Mehr als 10 Prozent der Landesfläche wurde in den letzten Jahren von Kleinbauern an Agrarkonzerne übertragen. Die betroffene Bevölkerung beklagt, dass sie kaum etwas zu essen und keine Aussicht auf Jobs hat.

Die Deutsche Bank finanziert zwei vietnamesische Unternehmen (HAGL und VRG), denen in Kambodscha und Laos große Flächen Land durch die Regierungen zugesprochen wurden.

In Brasilien wurden im Zeitraum von 2000 bis 2009 über 160.000 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt. Zu über 70 Prozent geht diese Zerstörung auf die Schaffung neuer Weideflächen für Rinder und Sojaanbauflächen zurück und sie dringen immer weiter in die Wälder und auf indigene Territorien vor. Seit Jahren übt die Agrarlobby großen Druck auf die Regierung aus und im Parlament haben ihr wohlgesonnene Abgeordnete einen Verfassungszusatz eingebracht, der die Kompetenzen der Indigenenbehörde FUNAI einschränken soll. Die Agrarkonzerne erhoffen sich so, die Grenzziehung der Reservate beinflussen zu können. Präsidentin Rousseff ließ zudem das Waldgesetz Brasiliens ändern, welches nun eine rückwirkende Amnestie für illegale Rodungen vorsieht und Schutzkategorien stark eingeschränkt hat.

In den letzten zehn Jahren wurden 564 Indigene ermordet, im Bundesstaat Mato Grosso do Sul alleine 319. Und im Februar 2013 erschossen die Wächter einer Farm einen fünfzehnjährigen Jungen, der auf dem Gelände fischen wollte. In den meisten Fällen kommen die Täter straffrei davon.

Doch die Indigenen wehren sich und haben in Mato Grosso do Sul rund achtzig Farmen besetzt und berufen sich darauf, dass ihnen dieses Land offiziell zugesprochen, aber nicht übertragen wurde. Die Vertretung der Rinderzüchter hat bereits mit Gewalt gedroht, sollten sich die Indigenen nicht zurückziehen.

Indigenenvertreter, Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen werfen der brasilianischen Regierung im Umgang und beim Schutz der indigenen Bevölkerung versagen vor. Der Aktivist Cleber Buzatto fasst es folgendermaßen zusammen: "Die Lebensbedingungen der indigenen Bevölkerung in Brasilien haben sich in den vergangenen 40 Jahren massiv verschlechtert. Der Staat missachtet nicht nur die Rechte der Indigenen, er kriminalisiert sie."

..Naturschutzprojekte

Besonders absurd ist es, wenn aus vermeintlichen Naturschutzinteressen heraus indigene Völker vertrieben werden. Bereits bei der Gründung des weltweit ersten Nationalparks im Jahre 1872 ist dies geschehen. Mehrere tausend Shoshonen, Crow, Blackfeet und andere Indianervölker wurden von der US-Armee aus Yellowstone vertrieben, um die Natur zu schützen. Und dies, obwohl gerade die Nutzung des Gebietes durch die Indianer wesentlich zur Formung dieser nun schützenswerten Landschaft beigetragen hat.

Insbesondere in Afrika sind bei der Anlage von Schutzgebieten indigene Völker, aber auch andere Bewohner der Gebiete, zumeist entschädigungslos zwangsumgesiedelt oder vertrieben worden.

In Uganda wurden von der Nationalparkbehörde rund 30.000 Sabiny vom Gebiet des Mount Elgon-Nationalparks umgesiedelt. Die Menschen wurden lediglich auf ein Umsiedlungsareal außerhalb des Schutzgebiets verfrachtet, ohne eine Form der Starthilfe wie Baumaterial, Werkzeug oder Saatgut. Da sich einige Sabiny der Umsiedlung entzogen hatten und in "ihrem" Gebiet innerhalb des Parks blieben, kam es zu einer zweiten Umsiedlungswelle, bei der die Sabiny mit vorgehaltener Waffe gezwungen wurden, den Park zu verlassen. Es kam zu Körperverletzungen und Vergewaltigungen, ihre Häuser wurden niedergebrannt und ihr Vieh geschlachtet. Auch nach der Zwangsumsiedlung sind die Sabiny weiterhin Drohungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt.

Weltbank, Europäische Union und die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (gtz) werden beschuldigt, durch Fortbildungen für die Mitarbeiter der ugandischen Nationalparkbehörden mitverantwortlich an der Vertreibung von über 130.000 Menschen zu sein.

Der bei Klimakonferenzen diskutierte und in einigen Projekten schon geteste vermeintliche Klimaschutzmechanismus Reduced Emissions from Deforestation and Forest Degradation (REDD) bietet den indigenen Völkern in Waldregionen unter Umständen Landrechte und ein Einkommen. Viel eher ist die Befürchtung von indigenen Organisationen aber, dass REDD eine weitere Bedrohung ihrer Gebiete und Landrechtsansprüche ist und sie zugunsten von Plantagen oder Schutzgebieten, die als CO2-Speicher dienen sollen, weichen müssen.


Die Rechte indigener Völker

Indigene Völker regeln ihr eigenes Zusammenleben und das Nebeneinander seit jeher mit eigenen Rechtssystemen. Diese stehen nicht selten im Widerspruch zu später von Mehrheitsgesellschaften eingeführten Systemen auf nationaler Ebene, woraus oft Konflikte entstehen und Indigenen Nachteile erwachsen. In langwierigen Verhandlungen haben sich in den letzten Jahrzehnten auf UN-Ebene und bei regionalen Bündnissen mehrere Menschenrechtsmechanismen etablieren lassen, die den indigenen Völkern Schutz gewähren sollen. Nichtsdestotrotz leben Indigene Völker weltweit in Not und Gefahr und sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Kultur und Lebensweise sowie den Bodenschätzen ihrer Gebiete beständiger Diskriminierung und Entrechtung ausgesetzt.

ILO-Konvention 169

Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen ILO trägt den Titel "Übereinkommen über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern" und ist die einzige internationale Norm, die indigenen Völkern rechtsverbindlichen Schutz und Anspruch auf Grundrechte garantiert. In 44 Artikeln versichert die Konvention den indigenen Völkern Rechte wie die Anerkennung von Eigentums- und Besitzrechten an ihrem angestammten Land; das Recht der Völker an den natürlichen Ressourcen und ihr Recht, sich an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen zu beteiligen.

Die Konvention trat am 5. September 1991 in Kraft, wurde seither aber lediglich von 22 Staaten ratifiziert, darunter Peru, Venezuela, Ecuador, Spanien, Brasilien, Bolivien und Costa Rica. Staaten, in denen viele indigene Völker leben, wie etwa Russland, Australien, Schweden, Kanada und die USA lehen eine Ratifizierung bislang ab. Auch Deutschland hat die ILO-Konvention noch nicht ratifiziert. Zuletzt scheiterte im Oktober 2012 ein entsprechender Antrag im Bundestag, da die Regierungskoalition aus CDU/CSU/FDP mögliche Haftungs- und Prozessrisiken für deutsche Unternehmen im Ausland fürchtete.

Wie Deutschland verweigern sich auch andere Staaten der ILO-Konvention 169. Gegenüber dem UN-Kommissar für Menschenrechte äußerte die indonesische Regierung im September 2012, dass sie "die Anwendung des Konzeptes indigener Völker [in Indonesien] nicht anerkennt." Der kompletten Verleugnung der Existenz indigener Völker in Indonesien ging die Empfehlung der Vereinten Nationen voraus, Indonesien möge doch die ILO-Konvention 169 ratifizieren und so den indigenen Völkern des Landes mehr Schutz zugestehen. Die indigenen Völker Indonesiens genießen nicht nur keinen Schutz, in West-Papua sind sie regelrecht Freiwild. Seit den 1960er-Jahren sind dort über 100.000 Menschen durch das indonesiche Militär getötet worden. Seit 2003 verwährt Indonesien sowohl den Vereinten Nationen wie auch ausländischen Menschenrechtsorganisationen den Zutritt nach West-Papua.

Einen kleinen Erfolg konnten die indigenen Völker Indonesiens aber im Mai 2013 feiern, als das indonesische Verfassungsgericht nach einer Klage der Organisation indigener Völker Indonesiens entschied, dass die Wälder indigener Bewohner nicht länger einfach als Staatswald deklariert werden dürfen. Mit dieser Entscheidung wurde dem Staat das Verfügungsrecht an indigenem Land genommen, wodurch er es auch nicht mehr ganz so einfach Palmöl- oder Bergbaukonzernen überlassen kann.

UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker

Im September 2007 verabschiedete die UN-Vollversammlung nach über zwanzigjähriger Debatte die "UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker". Lediglich vier Staaten - Kanada, Australien, Neuseeland und die USA - stimmten dagegen. Obwohl die Erklärung nicht rechtsverbindlich ist, wurde ihre Verabschiedung als Zeichen der Hoffnung gefeiert, da sie auf die Staaten moralischen Druck auszuüben vermag.

Die Erklärung erkennt die grundlegeneden Menschenrechte für indigene Völker an, darunter ihr Recht auf uneingeschränkte Selbstbestimmung, unveräußerliche kollektive Besitzrechte, die Nutzung und Kontrolle über ihr Land und dessen natürlichen Ressourcen sowie das Recht, ihre eigenen politischen, religiösen und kulturellen Institutionen zu bewahren und zu entwickeln sowie den Schutz ihres kulturellen und intellektuellen Eigentums.

Ständiges Forum für Indigene Angelegenheiten

Das Ständige Forum für Indigene Angelegenheiten (Permanent Forum on Indigenous Issues) ist ein beratendes Gremium des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen. Per Resolution der UN-Generalversammlung im Jahr 2000 ins Leben gerufen, umfasst seine Zuständigkeit alle indigen Fragen zu wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, Gesundheit, Kultur, Umwelt, Menschenrechte und Bildung. Das Forum darf allen UN-Gremien, -Programmen und -räten Empfehlungen und Ratschläge geben, die mit indigenen Themen befasst sind.

Das Gremium besteht aus je acht Regierungsvertretern und Vertretern indigener Völker und tritt einmal jährlich für zwei Wochen in öffentlichen Sitzungen zusammen. Es war eine der Hauptforderungen indigener Völker im Vorfeld der Gründung des Forums, dass indigene Organisationen und Vertreter in den Debatten des Forums als Beobachter an allen Sitzungen beteiligt sein können.

Zunächst sollte es Permanent Forum on Indigenous Peoples heißen, aber wegen des "s" in peoples scheiterte dieses Vorhaben.

UN-Sonderberichterstatter für die Rechte Indigener Völker

Im Jahr 2001 setzte die Kommission für Menschenrechte der UN, der heutige Menschenrechtsrat, einen Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker ein. Er arbeitet Empfehlungen aus und berichtet dem Menschenrechtsrat jährlich über seine Tätigkeit.

Sein Mandat erlaubt es dem Sonderberichterstatter, auf eigene Initiative tätig zu werden, wodurch er beispielsweise bei Recherchereisen nicht auf die Einladung einer Regierung angewiesen ist. Solche Besuche sind ein effektives Mittel, um internationale Aufmerksamkeit auf Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völkern zu lenken.

Der Sonderberichterstatter ist zudem für die Weiterentwicklung der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker und weiterer internationaler Standards betraut, arbeitet eng mit dem Ständigen Forum zusammen und soll sein Augenmerk speziell auf die Situation indigener Frauen und Kinder richten.

Erster Amtsinhaber war von 2001 bis 2008 der Mexikaner Rodolfo Stavenhagen, ihm folgte im Mai 2008 der amerikanische Jura-Professor James Anaya nach.

Interamerikanische Kommission für Menschenrechte

Die Kommission, die ihren Sitz in Washington D.C. hat, ist zusammen mit dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte im costaricanischen San José für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Nord-, Mittel- und Südamerika zuständig und ist ein Organ der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS).

Gegründet 1959 sind die Amerikanische Erklärung der Menschenrechte und -pflichten, die Amerikanische Menschenrechtskonvention sowie die Charta der OAS die Grundlagen ihrer Arbeit.

Mehrmals jährlich tritt die Kommission zusammen, die aus insgesamt sieben Kommissaren besteht, die für vier Jahre von der Generalversammlung der OAS gewählt werden. Kein Mitgliedsland darf mehr als einen Kommissar stellen.

Die Kommission kann per Petitionen von indigenen Völkern oder Gemeinden angerufen werden, wenn sie der Meinung sind, dass ihre Rechte verletzt wurden. Als Antwort auf die Petitionen erlässt die Kommission Resolutionen und Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten und fordert diese auf, die Rechte all seiner Einwohner gemäß der Amerikanischen Menschenrechtskonvention zu respektieren und sicherzustellen.

Weitere Aufgaben der Kommission sind neben der Untersuchung individueller Petitionen Besuche vor Ort, um Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen die Stärkung und Förderung der Menschenrechte durch Seminare, Konferenzen und Treffen mit Regierungen, Universitäten und der Zivilgesellschaft. Außerdem kann die Kommission Fälle an den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterleiten.

Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte

Der Gerichtshof wurde 1979 gegründet und untersucht Fälle, die von OAS-Institutionen oder Mitgliedsstaaten bezüglich Menschenrechtsfragen an ihn herangetragen werden. Darüber hinaus darf der Gerichtshof auch Empfehlungen zu innerstaatlichen Gesetzen abgeben und untersuchen, ob sie in Einklang mit der Amerikanischen Menschenrechtskonvention stehen. Sobald ein Staat, der die Amerikanische Menschenrechtskonvention ratifiziert hat (USA, Kanada, Brasilien gehören nicht dazu) einer Verletzung angeklagt wird, muss der Gerichtshof zu einer Entscheidung finden. Gegen die Urteile des Gerichtshofes gibt es keine Einsprucsmöglichkeit, allerdings eine neunzigtägige Frist für ein "Ersuchen um Interpretation". Die insgesamt sieben Richter werden für sechs Jahre, bei einmaliger Wiederwahlmöglichkeit, von der Generalversammlung der OAS gewählt. Auch hier darf kein Staat mehr als einen Richter stellen. Zwar sind die urteile des Gerichtshofes bindend, allerdings hat dieser keine effektiven Möglichkeiten, seine Urteile auch tatsächlich durchzusetzen. Auch die jährliche Berichtspflicht des Gerichtshofes vor der Generalversammlung der OAS über die Umsetzung der Urteile durch die Mitgliedsstaaten ändert daran wenig, da die OAS selbst ihre Mitlieder nicht wirkungsvoll anhält, Urteile tatsächlich zu vollstrecken.


Aktiv werden, Indigene unterstützen

Der Drang der westlichen Welt nach immer mehr und immer weiter geht nicht nur auf Kosten der Natur, sondern mehr und mehr auch auf Kosten indigener Völker. Sei es für Energie, Lebensmittel oder Luxusartikel, kaum etwas davon wird gewonnen, abgebaut, geerntet oder produziert, ohne dass zuvor indigene Bevölkerung von ihrem Land vertrieben wurde. Jede/r Einzelne kann zur Entlastung beitragen und zum regenwaldfreundlichen Menschen werden. Unsere Tipps:

  • Konsum überdenken und den Verbrauch an Rohstoffen minimieren - das beinhaltet Holz, Papier, fossile Brennstoffe, Lebensmittel, Luxusartikel, Energie.
  • Hinterfragen und Druck machen. Unternehmen fragen, wie sie es bei Ressourcengewinnung, Produktion und in der Lieferkette mit Indigenen- und Menschenrechten halten.
  • Wir sind nicht nur Verbraucher, sondern Bürger! Fordere deinen Bundestagsabgeordneten auf, sich für die Ratifzierung der ILO-Konvention 169 einzusetzen.
  • 'Keine Werbung'-Aufkleber an den Briefkasten machen
  • soziales Umfeld informieren und zum Papiersparen anhalten
  • Darüber hinaus gibt es viele Aktionen, die unsere Arbeit stärken. Wem es ernst ist mit Wald-, Klimaschutz und Menschenrechten, der sollte nicht zögern - bei Zweifeln kann man uns gerne fragen..

  • Spenden
  • Fördermitglied bei Pro REGENWALD werden
  • andere zum Mitmachen anregen
  • selbst ehrenamtlich mitarbeiten
  • Emailaktionen mitmachen
  • Aktionstage und - wochen mitorganisieren
  • Ausstellungen ausleihen und organisieren
  • Vorträge anbieten bzw für uns organisieren
  • Seminare besuchen, sich weiterbilden
  • eine eigene Aktionsgruppe gründen und loslegen
  • Anteilscheine für Baumpflanzprojekte verschenken
  • etwas hinterlassen, Pro REGENWALD in einem Vermächtnis begünstigen
  • Produkte mit Palmöl meiden
  • Fleischkonsum reduzieren


Links zu weiteren Infos über Indigene

www.theguardian.com Regelmäßige Nachrichten einer der weltweit führenden Tageszeitungen zu indigenen Themen aus aller Welt.
www.ipsnews.net Internationales Nachrichtenportal zu allen Themen der Entwicklungs-, Umwelt- und Menschenrechtspolitik. Der Schwerpunkt liegt hier auf indigenen Rechten.
www.cwis.org Das Center for World Indigenous Studies ist eine unabhängige Forschungs- und Bildungsorganisation und widmet sich einem breiteren Verständnis und einer höheren Wertschätzung der Ideen und des Wissens indigener Völker und ihrer sozialen, ökonomischen und politischen Realität.
www.tebtebba.org Tebtebba (Indigenous Peoples’ International Centre for Policy Research and Education) ist eine indigene Organisation, die sich für die Durchsetzung, Achtung und den Schutz indigener Völker weltweit engagiert.
www.firstpeoples.org Indigene Nichtregierungsorganisation, die schwerpunktmäßig Entwicklungsprojekte in indigenen Gemeinschaften weltweit durchführt.
www.infoe.de Das Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie will eine Lobby schaffen für die nicht in der industriellen Zivilisation lebenden Gesellschaften. Und es will Forum sein für indigene Völker, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und andere engagierte Personen gleichermaßen.
www.amazonwatch.org Amazon Watch ist eine 1996 gegründete Nichtregierungsorganisation, mit dem Ziel den Regenwald und und die indigenen Völker Amazoniens zu schützen.
www.indigene.de Portal des Klimabündnis (www.klimabuendnis.org) zu politischen, ökologischen und rechtlichen Belangen und Projekten mit indigenen Völkern in Südamerika.
www.forestpeoples.org Die Organisation Forest Peoples Programme wurde 1990 gegründet, um besonders in und von Wäldern lebende indigene Völker in ihrem Kampf um ihr Land und ihren Lebensraum zu unterstützen.
www.wrm.org.uy Das World Rainforest Movement ist eine internationale Organisation mit dem Ziel, Völkern in Waldgebieten im Kampf gegen Holzeinschlag, Staudämme, Bergbau, Plantagen, Kolonialisierung und Infrastrukturprojekte und für ihre Rechte zu unterstützen.
www.iwgia.org Die International Work Group for Indigenous Affairs in Kopenhagen ist eine internationale Menschenrechtsorganisation, die sich für die Menschenrechte, Selbstbestimmung, Landrechte, Kultur und Entwicklung indigener Völker einsetzt.
Sehr informative Seite zu indigenen Rechten und den internationalen Prozessen dazu sowie ausführliche Nachrichten.
undesadspd.org Homepage des Permanent Forum on Indigenous Issues der Vereinten Nationen mit allem Wissenswerten zu indigenen Völkern und den Prozessen auf UN-Ebene.
www.oilwatch.org Oilwatch ist ein Widerstandsnetzwerk gegen die Erdölausbeutung in tropischen Ländern und damit quasi automatisch ein Unterstützernetzwerk indigener Völker. Internetseite mit vielen aktuellen Berichten und Nachrichten aus betroffenen Gebieten.
www.bmf.ch Der schweizerische Bruno-Manser-Fonds engagiert sich für die Erhaltung tropischer Regenwälder und setzt sich insbesondere für die Rechte der Regenwaldbevölkerung ein. Die Kampagne zur Unterstützung der indigenen Völker Sarawaks gegen die Staudammprojekte unter www.stop-corruption-dams.org.


Bücher:
Peoples, James/Bailey, Garrick: Humanity. An Introduction to Cultural Anthropology Eigentlich ein Lehrbuch für Ethnologie-Studenten bietet es eine ausgezeichnete Einführung und Überblick in verschiedene Aspekte indigenen Lebens weltweit – Sprache, Familie, Wirtschaft, politische Organisation, Sozialstruktur, Religion und vieles mehr anhand zahlreicher Beispiele.
Helbling, Jürg: Tribale Kriege. Konflikte in Gesellschaften ohne Zentralgewalt, Frankfurt 2004. Wie führen indigene Völker Krieg und was sind die Auslöser.
Pedersen, Klaus: Naturschutz und Profit. Menschen zwischen Vertreibung und Naturzerstörung, Münster 2008. Das westliche Konzept des Naturschutzes und wie es weltweit – auch auf Kosten indigener Völker – teils kompromisslos durchgesetzt wird.
Manser, Bruno: Tagebücher aus dem Regenwald. 1984-1990, Basel 2004. Die beeindruckenden Aufzeichnungen von Bruno Manser, der jahrelang mit den Penan im Regenwald Borneos lebte. Vier Bände voller indigenem Wissen und dem Kamof gegen die Zerstörung ihres Lebensraumes und ihrer Kultur.
Corazza, Jago/Pagano, Nicola: Die letzten Papua. Kunst und Kultur der Ureinwohner Neuguineas, 2008. Eindrucksvoller Bildband über das Leben verschiedener Völker West-Papuas und Papua-Neuguineas.


Pro REGENWALD letzte Änderung: 2015-02-24