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Klimawandel?
Für deutsche Forstexperten längst eine klare Sache
Stichwörter: Klimawandel Waldbewirtschaftung

Wir blenden jetzt mal aus, dass es immer noch Leute gibt, die den Klimawandel an sich und massive Ökosystemveränderungen sowie daraus sich ableitende enorme Anpassungskosten leugnen. Diese Klimaskeptiker (siehe u.a. www.klimasketiker.com) sind zwar ganz schön effiziente Vernebler, aber wer sich etwas detaillierter mit den Argumenten auseinandersetzt, wie beispielsweise Stefan Rahmstorf vom PIK, für den gibt es dann auch keine Zweifel mehr: der Klimawandel, wie wir ihn derzeit erleben, wird enorme Anpassungskosten verursachen.

Was mir bisher aber immer gefehlt hat, war ein gut aufbereitetes und (be)greifbares Beispiel aus unserer unmittelbaren Umwelt, das Schäden und Aktivitäten zur Behebung des Schadens dokumentiert. Gletscher sind ja ganz gute Beispiele, aber was tut man Anschauliches um weggeschmolzene Gletscher zu ersetzen?

Seit heute bin ich um eine Anregung schlauer: Schaut euch eure Fichtenforste an und fahrt nach Laufen zu den Versuchsfeldern des bayerischen Amts für forstliche Saat- und Pflanzenzucht. Da wachsen (vielleicht) die Fichtenäcker der Zukunft. Ein klarer Fall von Reaktion auf Klimawandel und das nicht irgendwo auf einem exotischen Inselstaat im Pazifik, sondern in Bayern. Bestimmt kann dann jemand von der Bayerischen Forstverwaltung auch schon mit Zahlen aufwarten, was der Umbau der Wälder in unserer Region in den nächsten 100 Jahren kosten wird - und was das übertragen auf die Wälder weltweit bedeuten würde, das darf sich dann jeder selbst hochrechnen.



Neue Bäume braucht das Land
Es tut sich was im deutschen Wald: Die allgegenwärtige Fichte schwächelt - ein robuster und nützlicher Nachfolger wird weltweit gesucht

von Hanno Charisius

Wer wissen will, wie der deutsche Wald in hundert Jahren aussehen wird, sollte nach Laufen fahren, ganz unten im Südosten Bayerns. Auf einem Versuchsfeld des bayerischen Amts für forstliche Saat- und Pflanzenzucht recken dort in langen Reihen Keimlinge ihr zartes Grün aus der Erde. Für diese Breiten ungewöhnliche Gewächse wie die König-Boris-Tanne aus Bulgarien, die Orientbuche, die Silberlinde aus Ungarn, die Libanonzeder oder die amerikanische Hemlocktanne sprießen aus bayerischem Boden. "Wir haben hier Zukunft angebaut", sagt Randolf Schirmer, Leiter des Sachgebiets Feldversuche und Energiewald der Bayerischen Forstverwaltung. Also: Obacht geben, dass man sie nicht gleich zertritt.

Während sich Weltpolitiker noch über Ausmaß und Bekämpfung des Klimawandels streiten, kann man im Wald längst die Folgen sehen. In Deutschland verändern bereits erhöhte Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster die Vegetation. Deshalb suchen Forstexperten an vielen Orten der Welt nach zeitgemäßem Ersatz für heimische Pflanzen.

Besonders die Fichte, der wirtschaftlich bedeutendste Baum Deutschlands, leidet unter dem sich ändernden Klima. Der Nadelbaum wurzelt relativ flach. Deshalb ist er auf regelmäßige Regenfälle angewiesen und bei Stürmen nicht besonders standfest. Der trockene Sommer 2003 und Orkane wie Vivien, Lothar oder Kyrill haben gezeigt, welche Probleme dadurch entstehen. Ganze Waldstücke haben diese Stürme umgemäht.

Wenn der Wind dann wieder innehält, kommt der Borkenkäfer. Gefallenes Holz ist ein Festmahl für die Insektenbrut, die der Käfer in der Rinde der Baumleichen ablegt. Die Larven wachsen dann zu Käfern heran und befallen die umliegenden noch stehenden Gehölze, die von Wärme und Wassermangel bereits geschwächt dem Schädling nicht widerstehen. Keine andere Baumart werde als so empfindlich eingeschätzt wie die Fichte, sagt Andreas Bolte vom Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Eberswalde. "Sie ist das Problemkind der deutschen Forstwirtschaft." Seit der jüngsten Bundeswaldinventur im Jahr 2002 sei der Fichtenzuwachs schon geschrumpft.

Der Niedergang der Fichte trifft besonders die südlichsten Bundesländer Bayern (mit 44 Prozent Fichtenanteil im Wald) und Baden-Württemberg (37 Prozent) hart. In beiden Ländern zusammen stehen auf 1,5 Millionen Hektar Fichten, das ist mehr als die Hälfte des deutschen Fichtenbestands. Waldökologe Christian Kölling von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft LWF rechnet damit, dass bis zum Jahr 2100 etwa die Hälfte der heutigen bayerischen Bestände verloren gehen werden. Auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Sachsen und Thüringen wird der Fichtenschwund breite Schneisen hinterlassen.

Die Empfindlichkeit der Fichte ist der Grund, warum sie in Deutschland außer in höheren Lagen keinen geeigneten Lebensraum mehr findet. Pollenanalysen aus alten Bodenproben verraten, wie die Waldgesellschaften in Europa einmal aussahen. Botaniker schätzen, dass 67 Prozent der deutschen Landfläche bereits heute mit Buchenmischwäldern bewachsen wären, würde der Mensch nicht seit Jahrhunderten den Wald systematisch bewirtschaften. Auf 21 Prozent stünden Eichenmischwälder, und nur ein Prozent wäre mit reinen Nadelwäldern bedeckt. Wegen der schützenden Hand der Förster nimmt die Fichte heute jedoch 28 Prozent der deutschen Waldfläche ein. Buche und Eiche schaffen es zusammen auf nur 24,5 Prozent.

Die Verbreitung der Fichte wider die Natur hat wirtschaftliche Gründe. Laubholz ist in der Industrie weit weniger beliebt als das schnell wachsende, geradschaftige Holz des Nadelbaums, das zur Konstruktion von Dachstühlen genauso geeignet ist wie für Möbel, Schiffe und Musikinstrumente. Doch nun müssen sich die Waldbesitzer auf die Suche nach Deutschlands neuem Superbaum machen. Sie fahnden nach einer Art, die so gutes oder gar besseres Holz liefert als die sieche Fichte, und die aber toleranter als der Nadelbaum ist gegenüber Trockenheit und Wärme.

Für die Kandidatensuche haben Forstexperten zunächst Klima- und geologische Daten verschiedener Regionen der Welt ermittelt. So wurden Landstriche aufgespürt, in denen bereits heute Klimabedingungen herrschen, wie gegen Ende dieses Jahrhunderts in Bayern erwartet werden: etwa zwei Grad Celsius wärmer im Jahresmittel und in der Vegetationsperiode von Mai bis September bis zu 25 Prozent weniger Regen. Gebiete von Kanada über China und Neuseeland bis zur Altiplano-Hochebene in Bolivien erfüllten diese Bedingungen. In diesen Regionen wurden dann Baumarten ermittelt, denen man Chancen in Bayern gibt, berichtet Martin Bachmann, Leiter des Sachgebiets Waldbau von der Bayerischen LWF. Deren Saatgut wurde im vergangenen Frühjahr im Versuchsgarten Laufen ausgesät.

Nun steht Bachmann vor dem Acker und schaut auf eine kleine Parzelle mit braunen Stängeln. "Paulownia", sagt sein Kollege Randolf Schirmer trocken, der Chinesische Blauglockenbaum. Bis September standen die im Mai gesäten Pflanzen fast einen Meter hoch auf dem Acker. Dann wurde es kühl, und die Bäume gingen ein. Bis dahin galt Paulownia als Favorit für sogenannte Kurzumtriebsplantagen, die schnell geerntet und in Biomassekraftwerken verbrannt werden. Schirmer zeigt, warum manche Waldbesitzer so interessiert sind an diesem Baum. Er hat eine Holzscheibe von etwa 20 Zentimeter Durchmesser mitgebracht und die lediglich sieben Jahresringe zählt. Die Fichte schafft es in dieser Zeit höchstens auf die Daumendicke eines Försters.

Doch in Laufen keimt auch Hoffnung: Neben den Resten des Blauglocken-Experiments stehen Tausende einjährige Nadel- und Laubbäumchen, die Schirmer mit Rindenmulch abdecken lässt, damit sie den Winter überstehen. Schwarzkiefern und Flaumeichen türkischer Herkunft stehen gut da. Auch eine Gelb-Kiefer aus den USA hat das bayerische Klima bislang verkraftet.

Die Pflanzen, die sich in Laufen bewähren, sollen in den kommenden Jahren auf Versuchsflächen bei Wien und im Schweizer Wallis angepflanzt werden, wo heute schon ein ähnliches Klima herrscht, wie es Teilen Bayerns vorhergesagt wird. Doch vielen Ökologen wird bei dem Gedanken mulmig, neue Baumarten in die Lebensräume einzubringen. Sie sorgen sich, dass die Einwanderer bestehende Pflanzengemeinschaften überwachsen oder gefährliche Schädlinge mitbringen, die sich in der neuen Umgebung vielleicht schnell vermehren. Douglasie und Roteiche etwa werden von ökologisch orientierten Waldbauern als problematisch angesehen. Mit beiden gibt es seit mehr als 100 Jahren Anbauerfahrung, obwohl beide nicht in Deutschland heimisch sind. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert legten Förster Versuchsflächen an.

Die Erkenntnisse aus diesen Exotenwäldern sind gemischt. Die nordamerikanische Küstentanne gedeiht zwar prächtig, nur ist ihr Holz nicht sehr begehrt. Das rötliche Holz der Douglasie hingegen ist dem der Fichte mindestens ebenbürtig. Die Stämme wachsen pfeilgerade bis zu 60 Meter in die Höhe und erfreuen ökonomisch orientierte Waldbauern. Doch mit ihrer mächtigen Krone braucht die Douglasie viel Platz. So loben ihre Fans das "Naturverjüngungspotenzial" - sie kann sich aus eigener Kraft stark vermehren. Umweltschützer bezeichnen das als "Invasivität", weswegen das Bundesamt für Naturschutz eine douglasienfreie Pufferzone von zwei Kilometern um wertvolle Biotope fordert.

Dabei ist nicht klar, ob die Douglasie überhaupt mit dem zukünftigen Klima in Deutschland zurecht käme. "Sie mag Wärme, aber keine Trockenheit, sonst wäre ganz Italien voller Douglasien", sagt Waldökologe Christian Kölling. Versuchsanbauten lassen außerdem kaum Rückschlüsse auf Schädlinge zu. Vielleicht droht dem Importbaum einst dasselbe Schicksal wie heute der Fichte.

Auch deshalb betonen die Waldreformer immer wieder, dass es ihnen nicht darum geht, den gesamten heimischen Bestand durch neue Arten zu ersetzen. Doch das Baumartenspektrum sei eng, sagt Baumann, "wir sollten die Palette bemessen ausbauen. Der wissenschaftlich begleitete Versuchsanbau von Gastbäumen sollte kein Tabu sein."

Um Konflikte zu umgehen, suchen Forscher möglichst in geographischer Nähe nach einem Fichtenersatz. Randolf Schirmer inspizierte im vergangenen Jahr Schwarzkieferbestände in der Türkei, die an das trocken-warme Klima dort besser angepasst sind als heimische Schwarzkiefernarten. Wie entscheidend die Herkunft eines Baumes für sein Schicksal in Deutschland sein kann, demonstriert der Forstoberrat in einem Waldstück neben dem Versuchsfeld. Dort stehen Douglasien, die vor ein paar Jahrzehnten angepflanzt wurden. Einigen geht es prächtig, die anderen sind fast tot. Auf einer Karte der Westküste der USA verdeutlicht er den Unterschied. Die Bäume, die in Bayern gedeihen, stammen von der Pazifikküste, die anderen kamen aus dem Inland - Luftlinie kaum 200 Kilometer entfernt.

Solange keine Nachfolgerin für die Fichte gefunden ist, die allen Ansprüchen gerecht wird, bleibt den deutschen Förstern nur, sich mit den vorhandenen Arten zu arrangieren. Die Buche spielt dabei eine besondere Rolle, weil sie als klimaflexibel gilt. Fleißig mischen bayerische Förster bereits den Laubbaum in die Fichtenbestände und erhoffen sich davon Stabilisierungseffekte. In anderen Bundesländern wartet man mit dem Umbau. Das hänge jedoch weniger mit klimatischen Unterschieden zusammen, als mit politischen Entscheidungen und sehr unterschiedlichen Prognosen zur Klimaentwicklung, sagt Andreas Bolte. "In Bayern und Baden-Württemberg zeichnet sich ein klarer Trend ab, und die Vorhersagen der verschiedenen Klimamodelle ähneln sich sehr."

"Wo die Zukunft ungewiss ist, sollte man eine Strategie der Risikominimierung wählen", sagt Bolte. Er empfiehlt artenreiche, naturnahe Mischwälder. "Es ist gefährlich, sich in unsicheren Zeiten auf ein enges Baumartenspektrum festzulegen." Bei Bäumen kann man nicht wie beim Getreide Jahr für Jahr eine neue Sorte auswählen. "Erst in zwei bis drei Menschengenerationen wird sich zeigen, ob die Entscheidungen, die wir heute treffen, richtig waren", sagt der Freiburger Waldforscher Kändler. Deshalb hält er auch Versuchsanbauten mit importierten Baumarten für wichtig: "Sie helfen unseren Nachfahren, die richtigen Entscheidungen zu fällen."

Und wenn die Modelle nicht stimmen? Wenn es wärmer wird als die zwei Grad, um die politisch derzeit gerungen wird? "Wenn die Temperatur deutlich höher steigt, kann man die Forstwirtschaft, wie wir sie heute kennen, vergessen", sagt Kölling. Für diesen Fall empfiehlt er den Deutschen sich vom vertrautenWaldbild mit seinen Nadelbäumen zu verabschieden und nach Süden zu blicken, dorthin, wo heute schon die Bedingungen herrschen, die Deutschland prognostiziert werden. Im Wallis zum Beispiel breitet sich derzeit eine Palmenart aus.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr.299, Dienstag, den 29. Dezember 2009


Kommentare

# forstmeister am 08.01.2010, 09:07

Weitere Infos siehe bei der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, unter anderem:
http://ow.ly/U8aY
http://ow.ly/U89P
http://ow.ly/U8ch (Merkblatt als PDF)

Johann

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