Aussichtlos: Artensterben ist SystemfehlerStichwörter: Artenschwund Politik
Als Problem erkannt ist es: Von EU über Bundesregierung bis runter zu den Länderregierungen wollen alle das Artensterben in Europa und Deutschland bzw. Bayern stoppen. 2010 sollte das Wendejahr für die Artenvielfalt werden - zu diesem Termin sollte das Aussterben der Arten vorbei sein.
Als ob der Bürger überhaupt kein Gedächtnis hätte, reden die Politiker im Jahr 2010 (eigentlich das 'Wendejahr') allmählich davon, dass nun frühestens 10 Jahre später die Wende kommen werde (siehe auch: Die EU kommt mit der Artenvielfalt nicht voran - und dies, wenn auch eine große Herausforderung, doch eine tolle Leistung sei.
Alle wissen, dass hauptsächlich der Vorrang wirtschaftlicher Interessen der Grund für die Probleme sind. Die Monokulturen auf den Äckern, die Naturzerstörung für Gewerbegebiete oder Straßen, das Abholzen von Wäldern, die Überdüngung oder Überfischung - das alles treibt das Artensterben voran.
Wie aussichtlos die Situation allein in Bayern ist, lässt die Gegenüberstellung der Budgets für Naturschutz und die Straßenbauverwaltung erahnen: Seit Jahren wendet der Freistaat gerade mal 36 Millionen Euro im Jahr für den Naturschutz auf, die Straßenbauverwaltung verfügt über 1,8 Milliarden Euro im Jahr.
Das Artensterben geht ungebremst weiter
Von 80 000 Tier- und Pflanzenarten im Freistaat stehen bereits 40 Prozent auf der Roten Liste - Söder glaubt an die Wende
Von Christian SebaldMünchen - Natürlich gibt es Erfolge: den Weißstorch etwa. Er galt lange als hochbedrohte Vogelart, etliche Fachleute rechneten fest damit, dass er alsbald in Bayern ausgestorben sein würde. Inzwischen haben sich die Bestände stabilisiert - auch dank gezielter Artenschutzprogramme des Freistaats. Doch der Weißstorch ist und bleibt die Ausnahme. Denn auch in Bayern sind unzählige Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Das hat jetzt Umweltminister Markus Söder (CSU) unumwunden eingeräumt. 'Von den 80000 Tier- und Pflanzenarten, die wir hier im Freistaat haben, stehen 40 Prozent auf einer Roten Liste', erklärte Söder, als er am Mittwoch den ersten Artenschutzbericht der Staatsregierung präsentierte. '5,7 Prozent der Tier- und 3,5 Prozent der Pflanzenarten gelten gar als ausgestorben.' Selbst bei Allerweltsarten ist der Schwund dramatisch. So geht seit geraumer Zeit die Zahl der Spatzen so rasant zurück, dass Ornithologen angst und bange wird.
Nur Markus Söder nicht. Vor zwei Jahren hatte die Staatsregierung angekündigt, dass sie das Artensterben im Freistaat stoppen will. Für wenigstens die Hälfte der Rote-Liste-Arten solle die Situation bis 2020 'deutlich besser'sein, hieß es damals vollmundig. Und Söder hält daran fest. 'Das Ziel ist und bleibt die Trendumkehr', sagt er. Denn für den Umweltminister ist der Artenschutz nicht nur eine ökologische Notwendigkeit. Sondern ein 'ethischer Imperativ und eine kulturelle Herausforderung'. Geht es doch um nicht weniger als die 'Bewahrung der Schöpfung' und den 'Erhalt unserer bayerischen Heimat'.
Wie Söder das ehrgeizige Ziel schaffen will, bleibt sein Geheimnis. Denn dazu müsste die Staatsregierung ihr Engagement im Naturschutz deutlich ausbauen. Und zwar sowohl finanziell als auch personell. Zu allererst freilich müsste sie politisch umsteuern und zum Beispiel auf die Zerstörung des Isentals durch die neue A94 verzichten. Denn das Isental ist eine der letzten, fast völlig urtümlichen Flusslandschaften Bayerns mit nahezu unberührten Auwäldern. Doch so wenig die Staatsregierung von der Zerstörung des Isentals lassen wird, so froh müssen die Naturschützer sein, wenn die Staatsregierung das Geld für den Naturschutz und das Personal nicht weiter kürzt.
Seit Jahren wendet der Freistaat gerade mal 36 Millionen Euro im Jahr für den Naturschutz auf. Zum Vergleich: Die Straßenbauverwaltung verfügt über 1,8 Milliarden Euro im Jahr. Zwar hat Söder jetzt versichert, er wolle an den 36 Millionen für den Naturschutz auf keinen Fall rütteln - allen Sparzwängen zum Trotz, mit denen er im Zuge der Haushaltsberatungen konfrontiert sein werde. Aber die Naturschützer trauen dem Minister nicht. 'Schon jetzt läuft bei den Artenhilfsprogrammen weniger als in den Vorjahren', heißt es beim Bund Naturschutz, 'auch die Biotopkartierungen und -schutzprogramme liegen auf Eis.'
Beim Personal sieht die Situation nicht weniger düster aus. Gerade mal 330 Mitarbeiter zählt der amtliche Naturschutz - im gesamten Freistaat und über alle Behördenebenen hinweg. Die Straßenbauverwaltung kommt auf ungefähr 6600 Mitarbeiter - trotz Stellenabbaus und Ämterzusammenlegungen. Dabei kämpfen die Naturschützer vergeblich um kleinste Aufstockungen. So fehlen an den Unteren Naturschutzbehörden an den 71 Landratsämtern seit Jahren 20 Planstellen, damit sie wenigstens ihr Soll erreichen. An den Bezirksregierungen und am Landesamt für Umwelt ist die Lage nicht minder angespannt. Nicht nur dass hier frei werdende Stellen nicht wieder besetzt werden. 'Wann immer es um Stellenkürzungen geht, werden bevorzugt welche in den Naturschutzabteilungen gestrichen', sagt ein Insider.
Umso forscher gibt sich Söder gegenüber der Bundesregierung. Nicht nur dass sie ganz generell mehr Geld für den Naturschutz zur Verfügung stellen soll. Söder fordert 'zusätzlich einen Biodiversitätsfonds, in den ein Teil der Einnahmen aus der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke fließt'. Auch aus der EU soll mehr Geld nach Bayern gelangen. 'Derzeit setzt Berlin nur knapp 24 Millionen Euro an EU-Mitteln für die Alpen ein, für die Ostsee dagegen das Dreifache', sagt er. 'Dieses Ungleichgewicht darf nicht bleiben.'
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.244, Donnerstag, den 21. Oktober 2010 , Seite 63
In der bayerischen Regierung scheint es Herrn Söder wichtiger zu sein, nicht unangenehm aufzufallen, seiner Karriere nicht zu schaden, als seinen Idealen zu folgen. Daß dem bayerischen Ministerpräsidenten die Natur egal ist, ist eh klar. Daß es fast nur um Geld und Prestige geht, ebenso. Also bloß nicht querschießen, sonst wird man abgesägt. Es ist erbärmlich und traurig, wie die CSU mit der Natur umgeht, sie benutzt, verbraucht und zubetoniert. Ich erwarte mir da nichts mehr von Herrn Söder und noch weniger von der CSU. Die sind einfach schon viel zu lange an der Macht.
Wir brauchen ehrliche, mutige Politiker, die noch Verantwortungsgefühl und Liebe zur Natur haben, und keine parteitreuen Politiker, die Ja und Amen zu allem sagen, was man von ihnen verlangt, damit sie Vorteile davon haben.
Naturschutz kommt hier fast ausschlieißlich von den Umweltverbänden, die gegen die Politiker antreten, die eigentlich für die Schönheit Bayerns (und das sind die Rest-Naturbestände in Bayern) eintreten sollten