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Nicaragua: Sorry, aber der Regenwald muss wegStichwörter: Waldzerstörung Protest Großprojekte

Wenn es gut ausgeht, zerstört Nicaragua in den nächsten Jahren 'nur' 400.000 Hektar Regenwald und Feuchtgebiete. Soviel wird Experten zufolge für einen neuen Kanal mindestens geopfert werden, der in wenigen Jahren Atlantik und Pazifik zusätzlich zum Panama-Kanal verbinden soll. Mit Sicherheit werden ein paar Hektar Ökosystem mehr zerstört werden, vorsorglich hat die nicaraguanische Regierung den chinesischen Betreiber des Projekts, die Hong Kong Nicaragua Canal Development Investment Co Ltd. (HKND), von aller Umwelthaftung befreit.

Julian ist seit einige Wochen Weltwärtsfreiwilliger in Neuva Guinea in Nicaragua. Die Region ist von der geplanten Route des Kanals betroffen und seit chinesische 'Agenten' die Menschen heimsuchen um eventuelle Kosten für Umsiedlung/Entschädigung zu ermitteln, ist es vorbei mit der provinziellen Behäbigkeit: die Leute organisieren sich, machen Protestkundgebungen und laden zu Experten-Hearings ein.

Julian hat ein paar Beobachtungen und Fakten zusammengetragen, die wir von www.forestguardians.net übernommen haben.


Der Kanal und was ich davon mitbekomme

Als Freiwilliger arbeite ich für die Stiftung „Esperanzita“ nahe Nueva Guinea (RAAS, Nicaragua), eine Modellfinca und Lehrstätte für ökologische Landwirtschaft, und zusätzlich für die übergeordnete Bio-Bauerngenossenschaft „Sano y Salvo“. Einige der Mitglieder dieser Genossenschaft sind von Enteignungen bedroht. Ihre Grundstücke liegen in dem Gebiet, das für den Bau Nicaraguakanals vorgesehen ist. Grund genug sich einmal näher damit zu befassen, was da eigentlich in Planung ist. Im Folgenden habe ich eine Übersicht mit einigen wichtigen Aspekten bezüglich des Kanals zusammengestellt:

In Nicaragua ist derzeit ein Kanalprojekt enormen Ausmaßes in Planung, der sogenannte Nicaraguakanal. Dieser Kanal soll eine Verbindung zwischen dem Pazifik und dem Atlantik schaffen und somit eine Konkurrenz zum Panamakanal darstellen. Mit einer Breite von bis zu 500 m wird er auch für Schiffe der Post-Panamax-Klasse passierbar sein. Zusätzlich wird eine je 10 km breite Sicherheitszone links und rechts des Kanals eingerichtet. Dass ein solches Mammutprojekt einer ausführlichen Diskussion bedarf, versteht sich von selbst. Es gilt den zu erwartenden Vorteilen die Risiken gegenüberzustellen.

Doch diese Diskussion findet kaum statt. Die Regierung versucht Kritik an dem Vorhaben möglichst im Keim zu ersticken. Selbstverständlich wird auf die Einnahmen geschielt die der Panamakanal Jahr für Jahr in die Staatskasse Panamas einspielt, etwa 1 Mrd. USD (1). Das macht etwa 1/3 des derzeitigen Haushaltes in Nicaragua aus (2). Zudem werden vermutlich die Eliten, zu denen die entscheidungsbefugten Politiker gehören, wohl am ehesten auch finanziell vom Kanal profitieren.

Offensichtlich ist, dass ein Land wie Nicaragua ein Projekt dieser Größenordnung finanziell niemals alleine stemmen könnte. Die Konzession für den Bau und den Betrieb (für bis zu 100 Jahre) hat ein chinesisches Konsortium, die HKND Group, erhalten. Dieses ist verpflichtet 50 Mrd. USD in das Projekt zu investieren. Sehr viel Geld für ein Land wie Nicaragua. Im Volksmund ist daher auch vom „canal chino“ (chinesischer Kanal) die Rede.

Dies legt die Vermutung nahe, dass geopolitische Interessen Chinas mit eine Rolle spielen. Tatsächlich ist es für China interessant, über eine eigene Alternative zum Panamakanal zu verfügen, um die Versorgung mit Erdöl aus Venezuela sicherzustellen. Die USA waren direkt am Bau des Panamakanals beteiligt und sind daher eng mit diesem verknüpft. Zudem beinhaltet die Konzession auch umfassende Rohstoffabbau- und Landnutzungsrechte entlang der Kanalstrecke (3). Das Vorhandensein einer solchen geopolitischen Komponente wird von offizieller Seite jedoch dementiert.

Die Wirtschaftlichkeit des geplanten Kanals ist laut Experten zumindest fragwürdig, berücksichtigt man die sich in Planung befindlichen „trockenen Kanäle“ und den Ausbau des Panamakanals. Zudem ist der Nicaraguakanal mit knapp 300 km auch deutlich länger als der Panamakanal mit seinen 80 km und somit auch entsprechend teuer.

Ein großer Verlierer derartiger Projekte ist in aller Regel die Umwelt. HKND Group ist von vorneherein von allen ökonomischen und ökologischen Folgekosten ausgeschlossen und unabhängige Umweltstudien existieren bisher nicht. Dabei erfordert die besondere Lage Nicaraguas, mit seinen empfindlichen und schützenswerten Ökosystemen, eine gründliche Betrachtung des Umweltaspekts. In der Fachpresse ist von einem ökologischen Desaster die Rede (4). Ganze Flüsse, so der Rio Punta Gorda und der Rio Brito, wird der Kanal einverleiben. Insbesondere die Streckenführung durch den Nicaraguasee ist umstritten. Der Nicaraguasee stellt das größte Süsswasserreservoir Mittelamerikas dar und garantiert die Süsswasserversorgung der Region für die kommenden Jahrzehnte. Dieses Reservoir ist zumindest gefährdet (5)(6). Denn es ist nicht abzusehen, welche Auswirkungen der unvermeidliche Salzeintrag auf das bestehende Ökosystem hat, zusätzlich zu dem Eintrag von Schadstoffen aus dem Schiffsverkehr. Auch eine Ansiedlung invasiver Arten ist wohl kaum zu vermeiden.

Viele Anwohner sind wirtschaftlich direkt vom See abhängig und fürchten um ihre Existenz. Die durch die notwendige, kontinuierliche Ausbaggerung entstehende Trübung belastet nicht nur das Ökosystem des Nicaraguasees, sondern auch das der Küstenregionen. Die Küstenregionen sind die Kinderstuben der Meere. Bestände seltener Korallen werden dem Kanal weichen müssen, weitere Teile sind durch schädliche Emissionen (Schadstoffe, Trübung, Lärm,...) gefährdet.

Aber auch auf Land sind die Auswirkungen desaströs. 400 000 Hektar Regenwald und Feuchtgebiete sollen dem Kanal weichen. Darunter wichtige Rückzugsgebiete bedrohter Spezies, wie dem mittelamerikanischen Tapir. Das Cerro Silva Natural Reserve ist direkt betroffen und auch umliegende Ökosysteme wie das Bosawás Biosphere Reserve oder das Indio Maíz Biological Reserve sind gefährden. Das Kanalprojekt unterminiert zudem die Rechte einer Vielzahl autonomer indigener Bevölkerungsgruppen. Gegen den Regierungsentschluss sind inzwischen 30 Klagen (Stand 25. Februar 2014) durch indigener Interessensvertreter eingegangen (3).

Insgesamt ist die Stimmung der Bevölkerung in der Hoffnung auf Arbeitsplätze vorsichtig optimistisch. Dennoch formiert sich zunehmend Widerstand, der in erster Linie, aber nicht nur, von Betroffenen ausgeht. Alle Grundstückseigner innerhalb der Sicherheitszone sollen enteignet werden, teilweise verschwinden so ganze Ortschaften von der Karte. Zu den Entschädigungskonditionen gibt es widersprüchliche Angaben, je nachdem auf welchen Verantwortlichen man sich gerade bezieht. Unabhängig von der Entschädigung, gibt es kaum ausreichend Ausweichflächen und ein Einfall in die bestehenden Naturschutzreservate ist zu unterbinden.

Derzeit werden durch Mitarbeiter der HKND Group, geschützt durch Sicherheitskräfte der Regierung, auf mehr oder minder rabiate Art die Besitztümer der Betroffenen evaluiert. Der Widerstand zeigt sich in Form bisher friedlicher Demonstrationsmärsche und Reden hauptsächlich in der Region um Nueva Guinea (RAAS) im Süd-Osten Nicaraguas und der Region Rio San Juan (5). Die Regierung versucht, diese teilweise durch Verbote, basierend auf keiner oder sehr fadenscheinigen Begründungen, zu unterbinden. Wer als Kritiker der Regierung identifiziert wird, hat zudem häufig mit Repressalien zu kämpfen (Verlust der Arbeitsstelle, Entzug von Hilfeleistungen, ...).

Noch in diesem Jahr soll der Bau beginnen und in nur 5 Jahren abgeschlossen sein, ein Zeitraum, der kaum einzuhalten ist. Die Verantwortlich sind bestrebt, möglichst schnell Fakten zu schaffen, um einem Scheitern des Projekts zu vorzubeugen.

Da ich hier, in Nueva Guinea, nahe an den Protesten dran bin, bekomme ich auch einiges davon mit, zum einen durch die Medien (Radio, Zeitung), aber auch im Gespräch mit den Menschen hier. Zum Teil ist auch eine erhöhte Polizeipräsenz festzustellen, auch wenn ich noch nicht lange genug hier bin, um wirklich sagen zu können, was normal ist und was nicht. Mein Eindruck ist jedenfalls, dass wir hier in Nueva Guinea mit diesem Projekt in Zukunft noch öfter konfrontiert werden dürften.

1 „Panama-Kanal spült fast eine Milliarde Dollar in den Staatshaushalt„, Die Welt, 26.11.13 link

2 source: CIA world factbook, (2013)

3 Nicaraguakanal: Jahrhundertwerk oder Desaster? Spektrum.de Interview mit Axel Meyer link

4 A. Meyer, J. A. Huete-Pérez, Natur, 2014, 506, 287 doi:10.1038/506287 link

5 “EL GRAN LAGO AMENAZADO”, www.confidencial.com.ni, 11.10.2014 link

6 “El Canal interoceanico por Nicaragua”, Serie: Ciencia, Tecnica y Sociedad, Academia de Ciencias de Nicaragua, 2014; ISBN 978-99964-0-287-6

7 “Sexta protesta contra expropiaciones”, www.confidencial.com.ni, 12.10.2014 link

Kommentare

# Frank Katscher, Stuttgart am 21.11.2014, 18:58

Leider gibt es keine Zivil Courage bei den Weltpolitikern, so auch bei Mutti, mal den Chinesen zeigen was sie wert sind mit all ihren verseuchten Produkten, gar nichts!- die sollen die Welt verschonen und ihren Dreck selbst konsumieren. Finger Weg von Nikaragua.

# Conrado am 17.01.2015, 22:22

Nicaragua hat 6.2 Millionen Einwohner und muss JEDES JAHR noch 100,000 neue Nicas verpflegen und beschaeftigen. Die Arbeitslosigkeit soll bei 40% liegen, und eine halbe Millionen muessen als illegale "Gastarbeiter"in Costa Rica mit Dreckarbeit vegetieren. Der Kanal ist nur 278 km lang. Aber die USA und BRD (welche den Widerstand finanziert !!! Durch die Botschaft der "Mutti" in Managua !) wollen den Kanal verhindern. In USA jedoch hat die U.S. Regierung die Keystone XL Pipeline schon "de facto" genehmigt: 1721 km quer durch das Heartland der USA von Kanada bis Houston - mit 800,000 Faessern Teeroil und ueber das groesste Grundwasser in Nordamerika mit 450,000 km2 welches 30% der U.S. Landwirtschaft mit Wasser versorgt.

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