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Alles wieder etwas komplizierter
Neue Bäume im Klimawandel
Stichwörter: Baumpflanzung Klimaschutz CO2

Mit der Panikmache um den Treibhauseffekt und den anstehenden Klimawandel übersieht man gerne auch die positiven Folgen dieses Wandels. Neben der vielversprechenden Aussicht in Grönland bald Tomaten züchten zu können (damit würden die umweltbelastenden Transportwege aus den derzeitigen Anbaugebieten in Südspanien wegfallen), befördert der Klimawandel auch das Geschäft einiger Firmen und Organisationen, die zum Schutz des Klimas Bäume pflanzen (lassen) - und landauf und landab dafür Spenden oder Investments einwerben. Nicht dass es einige Dutzend Gründe geben würde um neue Bäume zu pflanzen ... das Hauptargument für die neuen Bäume hier beschränkt sich sehr modisch auf CO2-Bindung und Klimarettung.

Wir von Pro REGENWALD konnten die 'Vorteile' dieses Konzepts nie ganz nachvollziehen. Denn wenn man dort einen Baum pflanzt, wo früher schon einmal ein Wald/Baum gestanden war, dann ersetzt der neue Baum den alten und bindet - wenn man den CO2-Haushalt kalkulieren will - eigentlich zuerst mal das CO2 des früher abgeholzten Baumes. Bisher hat uns keiner der vermarktungsstarken Klimaschutzbaumanpflanzer erklären können, warum nun stattdessen plötzlich CO2 aus Kraftwerken oder Verbrennungsmotoren, welches heute oder in naher Zukunft aus fossilien Brennstoffen freigesetzt wird, in den Kohlenstoff-Haushalt dieser neuen Bäume gerechnet wird?

Wer heute Bäume pflanzt, trägt in erster Linie die mit der Zerstörung aufgelaufene alte (CO2-)Schuld ab und versucht zur Verbesserung des in Mitleidenschaft gezogenen Ökosystems beizutragen ... eine Ausgleichsrechnung mit Diesel-, Benzin- oder Erdgas-CO2 macht nur wer das System falsch definiert und einen Ablasshandel zur Gewissensberuhigung betreiben und weiterhin den Kohlenstoff aus fossile Brennstoffen in die Biosphäre pumpen will.

Um keine Zweifel aufkommen zu lassen: Wir sind für Bäume pflanzen, am besten mit dem Ziel, sich dem lokal natürlichen Waldökosystem anzunähern und mit dem Effekt, dabei den ehemalige CO2-Speicher der Region wieder aufzufüllen ... aber wie in dieser Betrachtung das CO2 aus künftig zu verbrennenden fossilen Energieträgern einfließt, das bleibt erklärungsbedürftig.

Während die Klimaschutzbaumanpflanzer noch nach einer Antwort suchen, könnte eine neue Studie die Geschäfte mit Spenden und Investments für diese Art des 'Klimaschutzes' verhageln. Danach verursachen Bäume genau das Gegenteil: Sie tragen zur Erderwärmung bei!

Der Wald steht schwarz und heizet

Nicht jeder Baum ist ein Verbündeter im Kampf gegen die Erderwärmung. Wissenschaftler warnen vor übereifrigen Aufforstungsprojekten im Namen der CO2-Bilanz.

Von Volker Mrasek, Financial Times Deutschland, 29.7.08

Dass Klimaschutz nach hinten losgehen kann, hat Annette Freibauer mit eigenen Augen gesehen. In Südafrika besichtigte die Geoökologin ein riesiges Aufforstungsprojekt: "Stellen Sie sich einen Hunderte Kilometer langen Gürtel Eukalyptusbäume vor", sagt die Wissenschaftlerin am Johann Heinrich von Thünen-Institut, der früheren Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft. Zwar nehmen die Bäume bei ihrem schnellen Wachstum große Mengen Kohlendioxid auf. Doch vor lauter Bäumen sahen die Planer die ökologischen Folgen ihres Landschaftseingriffs nicht. "In der Region versiegen heute Quellen, und Flussoberläufe fallen trocken, weil der Eukalyptus sie leer saugt", sagt Freibauer.

Auch Kanada tappte in die Klimafalle. Dort pflanzte die Forstverwaltung in großem Stil nordamerikanische Drehkiefern, um die CO2-Bilanz des Landes aufzuhellen. Nun fallen die Monokulturen Schadinsekten zum Opfer und werden in den heißen Sommern von Waldbränden heimgesucht. "Die kanadischen Wälder haben sich für die nächsten zwei bis drei Jahrzehnte von einer CO2-Senke in eine CO2-Quelle verwandelt", bilanzierten Pep Canadell und Michael Raupach von der australischen Forschungsorganisation Csiro jüngst im Fachmagazin "Science".

Kein anderes terrestrisches Ökosystem lagert so viel CO2 ein wie Wald. Weltweit ist noch rund ein Drittel der Erdoberfläche von Bäumen bedeckt, sie enthalten etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre. Und die Wälder sind noch aufnahmewillig: Sie schlucken etwa ein Drittel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen. "Die klimaschützende Rolle von Wäldern steht außer Frage", befinden Canadell und Raupach. Aber inzwischen müsse man "die Ansicht revidieren, große Aufforstungen könnten immer und überall einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten".

In den Nadelwäldern des hohen Nordens würden neue Plantagen nach heutigem Wissensstand das Klima zusätzlich aufheizen. Dort, an der Grenze zur Tundra, liegt auf waldfreiem Boden in der Regel eine Schneedecke, die viel einfallendes Sonnenlicht reflektiert und so eine Erwärmung der Erde verhindert. Die dunklen Kronen der Nadelbäume haben eine viel geringere Albedo, wie Wissenschaftler die Reflexionskraft einer Oberfläche nennen. "Der Effekt ist gewaltig", sagt Annette Freibauer - und er wirkt sich viel schneller aus als die Aufnahme von Kohlenstoff.

Selbst in gemäßigten Breiten wird der Klimabonus von Aufforstungen inzwischen in Zweifel gezogen. Im Sommer verdunsten sie zwar viel Wasser und kühlen so die Atmosphäre. Laut vieler Simulationen heizen sie sich aber wegen ihrer niedrigen Albedo stärker auf als Acker- und Weideland - vor allem im Winter, wenn Schnee fällt. Besser gesagt: falls Schnee fällt. Der Klimawandel verändert die Bedingungen, unter denen der Wald arbeitet und erschwert Forstwirtschaftlern ihre Berechnungen. Ohnehin birgt der arten- und formenreiche Mischwald der gemäßigten Breiten die meisten Unbekannten für jede Klimasimulation.

"Das Wichtigste ist der Schutz der bestehenden Wälder, vor allem in den Tropen", sagt denn auch der Schweizer Physiker Martin Heimann, Direktor des Jenaer Max-Planck-Instituts für Biogeochemie. Tropenwälder absorbieren nicht nur besonders viel Kohlendioxid, sie erzeugen auch eine feuchte, kühlende Luftschicht und fördern die Bildung von Wolken, die Sonnenlicht reflektieren. In den 90er-Jahren wurden nach Expertenschätzungen jährlich über 150.000 Quadratkilometer dieses natürlichen Kühlaggregats abgeholzt, eine Fläche fast doppelt so groß wie Österreich. Um die 1,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff - ein Fünftel der gesamten vom Menschen verursachten Emissionen - gingen so pro Jahr in die Atmosphäre.

Gut ein Drittel davon ließe sich vermeiden, wenn die Holzfäller nur etwas behutsamer zu Werke gehen würden: "Pro gefällten Baum werden 10 bis 20 andere ernsthaft geschädigt, weil Holzfäller und Erntemaschinenpersonal ohne Plan und fachliche Unterweisung arbeiten", schreibt ein Team um den Botaniker Francis Putz in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Plos Biology". Langzeitstudien in Malaysia und Brasilien hätten die CO2-sparende Wirkung der schonenderen Holzernte bestätigt.

Seit der letzten Weltklimakonferenz auf Bali befasst sich eine Initiative damit, Waldschutz zu einem Bestandteil des Kioto-Nachfolgeprotokolls für die Zeit nach 2012 zu machen. "Man darf nicht erwarten, dass die ganzen Tropen zu einem Nationalpark umgestaltet werden", sagt der auf Waldwirtschaft und Bioenergie spezialisierte Offenburger Politikberater Michael Dutschke. Vielmehr müsse sich ein nachhaltiges Forstmanagement durchsetzen - zum Beispiel durch die Vergabe von Emissionszertifikaten wie bei anderen Klimaschutzprojekten. Über 120 Millionen Tonnen CO2-Emissionen könnten jährlich durch Waldschutzprojekte ausgeglichen werden, wenn eine Tonne CO2 mit 100 $ bewertet würde, ergab eine Studie des Uno-Klimarats IPCC.

Als Zielmarke hat eine internationale Expertengruppe die Formel "50:50:50:50" vorgeschlagen: Bis zum Jahr 2050 muss die Entwaldungsgeschwindigkeit um 50 Prozent reduziert und mindestens 50 Prozent des jetzigen Baumbestands erhalten werden - dann blieben der Erde 50 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen erspart. "Es gibt Schätzungen, dass mindestens 10 Mrd. $ pro Jahr nötig sein werden, um die Entwaldungsraten zu halbieren", sagt Dutschke. Außerdem müssten Institutionen geschaffen werden, die die Waldnutzung kontrollierten und Verstöße ahndeten, meint Annette Freibauer: "Das ist eigentlich das Allerwichtigste." Brasilien beispielsweise habe eines der fortschrittlichsten satellitengestützten Beobachtungsprogramme. Doch wenn die Aufnahmen illegale Holzeinschläge aufdeckten, bleibe das in der Praxis ohne Folgen: "Die Polizei traut sich nicht hin.

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