Münchener Rück: Wir stehen für nichts - und sind auch noch stolz darauf!Stichwörter: Protest Staudamm Indigene Aktion
Letzten Donnerstag (23.04.) hatte die Münchener Rück zu ihrer alljährlichen Hauptversammlung ins Münchener Messecentrum geladen. Unter den rund 3.000 Aktionärinnen und Aktionäre waren auch mehrere VertreterInnen von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Deutschland und Brasilien, um vom Vorstand der Rückversicherungsgesellschaft in Erfahrung zu bringen, wie das Unternehmen in Zukunft bei umstrittenen Großprojekten - und aktuell im Fall Belo Monte - vorgehen will.
Die Antworten des Vorstandsvorsitzenden von Bomhard auf die Fragen der Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen waren - um es noch halbwegs diplomatisch auszudrücken - erschreckend naiv.
Bei der Münchener Rück gibt es keine Mindeststandards für den Umgang mit großen Infrastrukturprojekten, wie es Staudämme sind, und entsprechende Richtlinien soll es in absehbarer Zukunft auch nicht geben. Während andere Banken und Finanzinstitutionen zumindest Ausschlußkriterien haben - etwa die Finger von Projekten zu lassen, bei denen mehr als 5.000 Menschen umgesiedelt werden müssten - will die Münchener Rück weiterhin von Fall zu Fall entscheiden. Die Zwangsumsiedlung von mehreren tausend Menschen ist nach wie vor kein Hinderungsgrund, um in Staudammprojekte zu investieren. Zum Vergleich: Selbst die Weltbank hat inzwischen erkannt, das Zwangsumsiedlungen negative Folgen haben können und diesem Umstand in der Vergangenheit schändlicherweise nicht angemessen Rechnung getragen wurde (http://www.tagesschau.de/ausland/weltbank-umsiedlungen-101.html).
Zu den im Februar begonnen Zwangsumsiedlungen für das Projekt Belo Monte und den Rechtsbrüchen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltverwüstungen (siehe Pressemitteilung unten) wiederholte von Bomhard die Aussagen von der letztjährigen Hauptversammlung: Brasilien sei eine Demokratie und ein Rechtsstaat, von daher könne man sie gar nicht kritisieren, es werde schon alles seine Richtigkeit haben und so schlimm seien die Zustände bei Belo Monte ihrem Kenntnisstand nach nicht.
Auf die konkrete Frage, was denn Ausschlußkriterien der Munich Re für Projekte seien - was sie also auf gar keinen Fall unterstützen würde - wurde eine "kurze Liste" an Kriterien von ihm vorgetragen: keine Nahrungsmittel, keine geächteten Waffen (http://de.wikipedia.org/wiki/Ge%C3%A4chtete_Kriegsmittel) und fünf (!) Länder stehen auf der Liste der Staaten, mit denen nicht zusammengearbeitet wird, da es Diktaturen, Unrechtsregime etc. sind (Namen wurden nicht genannt). Weniger an Standards bzw. Vorgaben für das eigene Unternehmen und seine MitarbeiterInnen finden sich wohl bei keiner Bank und Finanzinstitution dieser Größenordnung. Solange keine Vorgaben zu Papier gebracht sind, muss man sich die Frage stellen, an welchen Werten und Spielregeln sich denn die eigenen Mitarbeiter orientieren sollen? Kabarettreif war die Aussage von Bomhards, wenn sie in Indien aus der Kohleenergie aussteigen würden, kämen andere Unternehmen mit niedrigeren Standards als den ihren. Weniger als keine Standards?
Kein Wunder, dass die Münchener Rück es dann auch nicht verwerflich findet, in 15.000 Hektar Eukalyptusplantagen in Brasilien "zur Zellstoffgewinnung" zu investieren - immerhin "zertifiziert".
Auf der Homepage der Münchener Rück heißt es wörtlich: "Seit über 40 Jahren beschäftigt sich Munich Re mit dem Thema Klimawandel..." (siehe hier) - verstanden hat sie ihn in diesen 40 Jahren nicht!
Pressemitteilung, 21.04.2015
Munich RE: Nachhaltigkeit ganz klein geschrieben – Aussitzen statt Einmischen
- (Zwangs-)Umsiedlungen beim Großstaudamm Belo Monte; fundamentale Rechte von Betroffenen werden missachtet
- Nationaler Korruptionsskandal greift auf Belo Monte über
- Bischof klagt über „Umwelt- und Menschenrechtskatastrophe“
São Paulo/München/Köln/Berlin, 21. April 2015 Anlässlich der Hauptversammlung der Munich RE am kommenden Donnerstag in München kritisieren Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen die Rückversicherung verschiedener Großstaudammprojekte durch die Munich RE, darunter Belo Monte in Brasilien, sowie für sportliche Großereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft und Olympia. Im brasilianischen Altamira läuft aktuell der Count-Down zur Flutung des Stausees für das Kraftwerk Belo Monte. Unter chaotischen Bedingungen und mit fragwürdigen Mitteln versucht das Betreiberkonsortium Norte Energia die betroffenen 9.000 Familien, darunter 600 indigene Familien, schnellstmöglich umzusiedeln. Die Staatsanwaltschaft musste inzwischen eingeschaltet und ein Notfallteam in die Region entsandt werden, um die Rechte der Betroffenen auf Entschädigung und/oder Umsiedlung zu garantieren. Über 1.000 Beschwerden wegen Regelverstößen sind dabei in den letzten Wochen registriert worden.
Der katholische Bischof der Diözese Altamira und Träger des „Alternativen Nobelpreises“, Erwin Kräutler, informiert die Munich RE in einem Brief, der auf der Hauptversammlung verlesen wird, über die Situation vor Ort. „Ich bin Bischof am Xingu-Fluss im brasilianischen Amazonas und das Wahnsinnsprojekt Belo Monte wird vor meiner Haustüre gebaut. Ich weiß, wovon ich rede, wenn ich erkläre, dass (...) Belo Monte nichts mit 'sauberer' Energie zu tun hat“, so der aus Österreich stammende Bischof. An die 40.000 Menschen verlören in Altamira und Umgebung Haus und Hof und die meisten wüssten nicht einmal, wohin sie dann gehen sollen. „In den Monaten Februar und März dieses Jahres begann nun die Zerstörung der Häuser in der Region, die geflutet werden soll“, so Bischof Kräutler. Zahlreiche von Fischern und Indigenen bewohnte Inseln und Uferlandschaften würden abgeholzt und die Leute abtransportiert. Sie bevölkern heute die Straßen von Altamira. „Jede Firma, die sich an Belo Monte beteiligt, zeichnet sich mitverantwortlich für diese Menschenrechts- und Umweltkatastrophe“, mahnt Erwin Kräutler. Die Munich RE hat 2011 25% der Rückversicherungssumme für den Bau des Staudamms übernommen.
Verena Glass von der Widerstandsbewegung Xingu Vivo para Sempre ist extra aus Brasilien angereist, um über die aktuelle Situation vor Ort zu berichten. Gegen sechs der zehn Firmen, die das Belo-Monte-Baukonsortium bilden, wird aktuell wegen der Verstrickung in einen landesweiten Korruptionsskandal ermittelt. Dabei geht es um Geldwäsche, Untreue, Kartellbildung und Korruption in Milliardenhöhe. Mittlerweile hat sich der Skandal auch auf das Staudammprojekt ausgeweitet. Neuesten Ermittlungen zufolge wurden Schmiergelder in Höhe von mindestens 30 Mio. Euro an Regierungsparteien gezahlt, um an die lukrativen Bauaufträge für Belo Monte zu gelangen. „Doch das kümmert die Munich RE anscheinend nicht – der Konzern vertraut weiter darauf, dass die Firmen bei Belo Monte schon alles richtig machen. Das ist ein Skandal. Die Munich RE darf sich nicht länger hinter dem Argument verstecken, dass jedes Einmischen und jede Kontaktaufnahme mit staatlichen Behörden oder Betroffenen über das Vertragsverhältnis hinausgehen. Kein Aktionär will Dividende auf Kosten von Menschenrechten in Brasilien“, fordert Verena Glass.
Umweltorganisationen wie GegenStrömung und urgewald hatten bereits in den beiden vergangenen Jahren den Vorstand der Munich RE auf die Menschenrechtsverletzungen beim Staudammbau Belo Monte hingewiesen. „Obwohl Vorstandschef Dr. Nikolaus von Bomhard schon vor zwei Jahren eingeräumt hat, dass dieses Projekt auch zahlreiche Risiken in sich birgt, scheint der Konzern die Probleme jetzt einfach aussitzen zu wollen“, kritisiert David Vollrath von GegenStrömung.
Belo Monte ist dabei nicht der einzige Großstaudamm, den die Munich RE in den letzten Jahren in Brasilien rückversichert hat. Auch bei anderen Staudämmen in Brasilien wie Teles Pires oder Santo Antonio kam es wiederholt zu Baustopps, zuletzt im November 2014, weil betroffene indigene Gemeinschaften auch hier nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, angemessen konsultiert und Umweltauflagen nicht angemessen umgesetzt worden sind. „Dies zeigt, dass es sich bei Belo Monte nicht um einen bedauerlichen Einzelfall handelt, sondern dass die Prüfverfahren der Munich RE in Sachen Umwelt- und Menschenrechtsschutz noch immer ein Armutszeugnis sind. Im Spannungsfeld zwischen Ertragsorientierung und ökologisch-sozialer Nachhaltigkeit zieht letztere immer noch den Kürzeren“, resümiert Barbara Happe von urgewald.
Die Munich RE steht zudem wegen der Rückversicherung sportlicher Großereignisse wie der Fußballweltmeisterschaft und Olympia in der Kritik. Christian Russau von den Kritischen Aktionären wirft dem Konzern vor, sich zu sehr mit FIFA und IOC zu verbandeln. „Die Münchener Rück hat die WM in Brasilien mit gut einer halben Milliarde Euro rückversichert und sich nie für das Schicksal der brasilienweit bis zu 250.000 Menschen interessiert, die wegen WM und Olympia von Zwangsräumung bedroht sind oder bereits geräumt wurden“, so Russau. „Allein die Presseberichte zu den bei WM-Bauten in Katar zu Tode gekommenen Bauarbeitern sollten die Munich RE doch endlich wachrütteln und sie sollte ihre Geschäftsbeziehungen zur FIFA aufkündigen.“
Gegenanträge: www.kritischeaktionaere.de