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Immer mehr eine Frage der Sichtweise:
Klimawandel - Bedrohung oder Riesengeschäft
Stichwörter: Klimawandel Greenwash Klimaschutz

Dass einiges läuft schief läuft mit dem Klimaschutz, daran hat man sich mittlerweile gewöhnt. Das Problem verlangt einfach zu viele drastische Änderungen von Politik und Wirtschaft, dass keiner mehr wirklich vorne mitgestalten könnte.

So langsam zeichnen sich auch erste Fehlentwicklungen ab ... wie dass man beispielsweise für (eigentlich ja auch sinnvollen) Regenwaldschutz bezahlt und im Gegenzug dafür bei uns weiter mit zu hohen CO2-Emissionen den Klimawandel voranbringen darf. Ach ja, fast vergessen: das Skandalöse daran ist, dass offensichtlich bei einigen Kompensationsgeschäften dieser Art ein Großteil des Geldes vor allen Dingen bei den zwischengeschaltenen Händlern hängengeblieben und für den vorhergesehenen Zweck nie angekommen ist.

Dass es mit dem Klimaschutz nicht so vorangeht, wie es könnte, liegt nach Ansicht des Journalisten Johann Hari auch an den Umweltschützern. Anfang März hat er den Großen im Umweltgeschäft in seinem Beitrag The Wrong Kind of Green vorgeworfen, mehr auf Geschäfte mit der Wirtschaft zu spekulieren als entschlossenen Klimaschutz zu fordern und dadurch ihre eigentliche Aufgabe zu verraten.

Der Vorwurf hat natürlich eingeschlagen wie eine Bombe. Und weil wir die zugrundeliegende Kritik und Diskussion darüber so wichtig finden, haben wir den Artikel übersetzt (was diesmal ein hartes Stück Arbeit war). The Nation hat den angegriffenen Verbänden die Gelegenheit zur Erwiderung eingeräumt, die bisherigen Rechtfertigungen und sonstigen Stimmen finden sich in einem Forum (leider nur in Englisch)




Das falsche Grün?
von Johann Hari, The Nation, 2010-03-04

Warum flogen Amerikas führende Umweltorganisationen nach Kopenhagen und setzten sich dort für eine Politik ein, die zu einem schnelleren Sterben der Regenwälder und unkontrollierter globalen Erwärmung führt? Warum lehnen ihre Lobbyisten in Washington die einzig wahren Lösungen für den Klimawandel als “undurchführbar” und “unrealistisch” ab, als wären sie nur eine weitere rußige Tentakel der Kohleindustrie?

Auf den ersten Blick erscheinen diese Fragen seltsam. Organisationen wie Conservation International gehören zu den vertrauenswürdigsten “Marken” in Amerika. Sie versprechen, die Natur zu schützen und zu verteidigen. Jetzt, wo wir mit der größten ökologischen Krise der Menschheitsgeschichte konfrontiert sind, sind viele der Umweltschutzorganisationen, die eigentlich den Kampf anführen sollten, damit beschäftigt, von den weltweit größten Umweltverschmutzern Geld einzusacken - und im Gegenzug wissenschaftlich basierten Umweltschutz zu begraben. Manchmal ist diese Korruption raffiniert, manchmal ist sie offensichtlich. Mitten im Wirbel um, von Klimaskeptikern erfundene, Klimaskandale, findet man hier ein echtes “Climategate”, das darauf wartet enthüllt zu werden.

Ich habe die letzten Jahre mit der Berichterstattung darüber verbracht, wie die globale Erwärmung die Welt neu gestaltet. Ich habe in fast ausgestorbenen Dörfern an der Küste Bangladeschs gestanden, während Familien auf eine entfernte Stelle im ansteigenden Ozean zeigten und sagten: “Sehen Sie den Schornstein, der aus den Fluten ragt? Dort stand mein Haus...Ich musste es vor sechs Monaten verlassen.” Ich habe am Rand der Arktis gestanden und gesehen, wie Gletscher, die seit Jahrtausenden existieren, ins Meer gestürzt sind. Ich habe an den Grenzen zum ausgetrockneten Darfur gestanden und Flüchtlinge erklären gehört: “Das Wasser ist ausgetrocknet. Deshalb haben wir uns wegen dem, was davon noch übrigblieb, gegenseitig umgebracht.”

Während ich das frühe Stadium dieses Ökozids bezeugte, glaubte ich, dass die amerikanischen Umweltorganisationen in den Gängen des Capitol Hills in Washington an der Seite dieser Menschen stünden, im Versuch das “Massenvernichtungswetter” aufzuhalten. Aber jetzt wird deutlich, dass viele einen anderen Weg eingeschlagen hatten - auf den sie sich in den 1980er-Jahren begaben als alles mit einer Spende anfing.

Umweltorganisationen werden gewöhnlich vor allem von ihren Mitgliedern und wohlhabenden Einzelspendern finanziert. Sie alle hatten nur ein Ziel: die Zerstörung der Umwelt zu verhindern. Ihre finanziellen Mittel waren gering, aber sie spielten eine entscheidende Rolle beim Schutz weiter Teile der Wildnis und bei der Verabschiedung strenger gesetzlicher Regelungen, die Luft- und Wasserverschmutzung verbieten. Aber Jay Hair - von 1981 bis 1995 Präsident der National Wildlife Federation - war unzufrieden. Bis er eine riesige neue Einnahmequelle entdeckte: die schlimmsten Umweltverschmutzer.

Hair fand heraus, dass die großen Mineralölkonzerne ihr Geld gerne den Umweltschutzorganisationen gaben. Ja, sie zerstören viele unberührte Orte der Welt. Ja, in den späten 80er-Jahren stellte sich heraus, dass sie das Klima - die wichtigste Grundlage des Lebens - dramatisch destabilisieren. Aber für Hair machte sie das nicht zu Feinden; sondern er war der Meinung, sie würden ihre Fehler aufrichtig wieder gutmachen wollen und dafür zahlen, die Umwelt zu schützen. Er begann, ihnen Millionen Dollar auszusaugen, und als Gegenleistung dafür verliehen seine und andere Organisationen, wie The Nature Conservancy (TNC), ihnen Auszeichnungen für “verantwortlichen Umgang mit der Umwelt”.

Konzerne wie Shell und British Petroleum (BP) waren begeistert. Sie sahen diese Verbindung als wertvolle “Versicherung ihres Rufes” an: jedes Mal, wenn sie wegen ihrer enormen Emissionen an Treibhausgasen oder wegen der Ermordung von Regimekritikern, die verlangt hatten, dass die Öleinnahmen an die lokale Bevölkerung gehen sollten, kritisiert wurden oder auch wegen eines Ölteppichs, der irreparable Schäden verursacht hatte, holten sie ihre leuchtenden grünen Auszeichnungen hervor, die sie durch “wohltätige” Spenden erworben hatten, um drohende gesetzliche Regelungen durch die Regierung abzuwehren. Zunächst schockierte dieses Verhalten die Umweltschutzgesellschaft. Hair wurde vehement als Verräter und Scharlatan verurteilt. Aber nach und nach sahen sich die anderen Organisationen schrumpfen, während die Organisationen, die von Unternehmen gemästet wurden, wuchsen und wuchsen - also begannen auch sie, die Schecks anzunehmen.

Christine MacDonald, eine idealistische junge Umweltschützerin fand heraus, wie sehr dieses Geld die Institutionen verändert hatte, als sie 2006 begann für Conservation International zu arbeiten. Sie erzählte mir: “Ein oder zwei Wochen nachdem ich dort angefangen hatte, ging ich zum großen Planungsmeeting, das für alle Medienteams der Organisation gedacht war. Sie fingen an über dieses angeblich tolle neue Projekt zu reden, das sie mit BP durchführen wollen. Aber ich hatte den Tag zuvor in der Zeitung gelesen, dass die EPA (Environmental Protection Agency) BP vorgeworfen hatte, die umweltschädlichste Fabrik im ganzen Land zu betreiben…Aber niemand in diesem Meeting oder sonst jemand aus der Organisation wollte darüber reden. Es war ein Tabu. Man durfte nicht fragen, ob BP wirklich umweltfreundlich war. Sie ‚haben uns geholfen‘, und das war’s.”

Sie erkannte schnell - wie sie es in ihrem enthüllendem Buch ”Green Inc.” schildert - wie dieses Verhalten fast alle populären Umweltschutzorganisationen durchdrungen hat. Sie nehmen das Geld und bieten im Gegenzug Lob, auch wenn das Geld von Firmen stammt, die Umweltzerstörung verursachen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Als ans Licht kam, dass viele Esszimmerausstattungen von IKEA aus Bäumen gefertigt wurden, die aus gefährdeten Wäldern stammen, eilte der World Wildlife Fund (WWF) zur Verteidigung des Unternehmens. Er sagte - fälschlicherweise -, dass IKEA “nie garantieren könne”, dass dies nicht passiert. War das ein Zufall oder liegt das daran, dass der WWF ein “Marketingpartner” von IKEA ist und Geld von dem Unternehmen bekommt?

Ebenso kamen 2008 die Hersteller von Clorox Bleach auf den Sierra Club zu und sagten, wenn Sierra Club ihr neues Sortiment mit ”umweltfreundlichen” Putzmitteln unterstützt, würden sie ihm einen Anteil des Gewinns abgeben. Sierra Clubs Ausschuss für Unternehmensverantwortung erklärte, dass der Deal offensichtlich einen Interessenkonflikt auslöse - nahm das Angebot aber trotzdem an. Geschäftsführer Carl Pope verteidigte den Schritt in einer E-Mail an die Mitglieder, in der er behauptete, dass die Organisation eine genaue Analyse der Putzmittel durchgeführt hatte, um herauszufinden, ob sie “wirklich höherwertig” sind. Doch das hatte die Analyse nicht ergeben. Die Co-Vorsitzende von Sierra Clubs Ausschuss für Toxine und Pestizide, Jessica Frohman, sagte: “Wir haben der Produktlinie nie zugestimmt.” Außer ein paar Fragen zu stellen, hat der Ausschuss nichts unternommen, um die Produktlinie als umweltfreundlicher als die der Wettbewerber zu hervorzuheben oder gesagt, dass sie auf irgendeine Art und Weise gut für die Umwelt ist.

Die Umweltorganisationen verteidigen ihr Verhalten dadurch, dass sie behaupten so das Verhalten der Unternehmen zu verbessern. Aber wie diese Beispiele zeigen, kommt der Druck häufig von der anderen Seite: die Abhängigkeit vom Geld der Unternehmen hat die Verbände grundlegend verändert. Wie MacDonald sagt: “Die großen Umweltschutzorganisationen nehmen nicht nur Geld von den Firmen, die tief in Umweltverbrechen verwickelt sind; sie sind zu einer Art PR-Büro für die Unternehmen geworden, von denen sie Unterstützung erhalten.”

Es dauerte zwei Jahrzehnte bis diese korrupte Beziehung bei den großen Umweltschutzorganisationen zur Norm wurde. Wenn Sie sich vorstellen, so etwas würde in irgendeinem anderen Bereich passieren, wird deutlich wie surreal das Ganze ist. Das wäre so, als würde der Menschenrechtsbericht von Amnesty International von der burmesischen Junta, Dick Cheney und Robert Mugabe gesponsort werden. Für Umweltschutzorganisationen ist es geradezu absurd, finanzielle Mittel genau von denjenigen anzunehmen, die die Umwelt zerstören - trotzdem sehen sie es inzwischen als selbstverständlich an.

Dieses Verhaltensmuster war schlimm genug, als es nur um ein lausiges Putzmittel für den Haushalt ging oder einen einzelnen kleinen Wald betraf. Aber heutzutage sind die Einsätze unvorstellbar höher. Wir erleben ein knappes Zeitfenster, in dem wir die rasende Erderwärmung noch verhindern können. Wir haben so viele Treibhausgase in die Atmosphäre gepumpt, dass die Klimawissenschaftler der Welt sagen, dass der “point of no return” bald erreicht ist. Mit einer Erwärmung von bis zu 2 Grad Celsius, passieren allerhand schreckliche Dinge - wir verlieren die Inseln im Südpazifik, wir setzen den Verlust von großen Teilen Floridas und Bangladeschs in Gang, schreckliche Dürren werden Zentralafrika verwüsten - aber selbst wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen stoppen, haben wir nur eine 50:50-Chance das Klima auf diesem höheren Level zu stabilisieren. Schon allein das ist ein außergewöhnliches Spiel mit der Sicherheit der Menschen. Viele Klimaforscher sagen sogar, dass wir ein erheblich niedrigeres Ziel anstreben sollten: 1,5 Grad Celsius oder noch weniger.

Über 2Grad Celsius schwindet die Möglichkeit der Stabilisierung in diesem wärmeren Zustand, weil die natürlichen Prozesse der Erde anfangen zusammenzubrechen. Die großen Mengen Methan, die im arktischen Permafrostboden gespeichert sind, werden in die Atmosphäre ausgestoßen, was zu einer weiteren Erwärmung führen wird. Feuchte Regenwälder beginnen auszutrocknen und niederzubrennen, was das gesamte Kohlendioxid, das sie speichern, freisetzen wird und die weitere Erwärmung verursacht. Das sind die “Kipppunkte”: danach können wir nicht zu einem Klima zurückkehren, in dem sich unsere Zivilisation entwickelt hat.

Im Zeitalter der globalen Erwärmung ergibt die alte Idee der Erhaltung - der Schutz eines hügeligen Fleckchens Land, irgendwo einsam und unberührt - deshalb keinen Sinn mehr. Wenn die Biosphäre überall um uns herum zusammenbricht, können wir kein üppiges Stück Grün umzäunen und es beschützen: es wird ebenfalls sterben.

Man würde von den amerikanischen Umweltschutzorganisationen erwarten, dass sie sich der großartigen Welle der Aktivisten anschließen und fordern, dass wir an einer sicheren Menge an Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre festhalten: 350ppm (parts per million), laut dem NASA-Klimawissenschaftler Professor James Hansen. Und - in der Öffentlichkeit gegenüber ihren Mitgliedern - geben sie sich unterstützend. Auf seiner Webseite sagt der Sierra Club: “Wenn dieser Stand über längere Zeit hinweg dem Niveau von 350ppm bleibt (er ist bereits bei 390,18ppm), würde das, soweit wir wissen, eine Katastrophe für die Menschheit auslösen.”

Aber hinter verschlossenen Türen wird ein anderes Lied gesungen. Kieran Suckling, Geschäftsführer des Zentrums für biologische Vielfalt in Arizona, dessen Organisation finanzielle Mittel von Umweltverschmutzern ablehnt, hat genau dies erlebt. Er erzählte mir: “Es ist eine gigantische politische Schizophrenie. Der Sierra Club sendet E-Mails an seine Mitglieder, in denen steht, dass man, wie von der Wissenschaft gefordert, auf 350ppm kommen müsse. Doch in Wirklichkeit kämpfen sie gegen jede Art von Emissionsverringerung, die uns irgendwie näher ans Ziel bringen würde.”

Beispielsweise begann die EPA 2009, Treibhausgase durch den Clean Air Act zu regulieren. Dieser verlangt von der EPA sicherzustellen, dass die Menge an Schadstoffen in der Luft “mit der Sicherheit der Menschen zu vereinbaren” ist - eine Veränderung, die vom Sierra Club unterstützt wurde. Aber das Zentrum für biologische Vielfalt ersuchte die EPA, diese Verpflichtung tatsächlich ernst zu nehmen und das zu tun, was die Klimaforschung wirklich als “mit der Sicherheit der Menschen zu vereinbaren” bezeichnet hat: uns auf 350ppm zurückzubringen. Suckling erklärt: “Ich war erstaunt als ich bemerkte, dass der Sierra Club unsere Forderung eiskalt ablehnte. Sie sagten, man dürfe das nicht tun. Genaugenommen sagte der Sierra Club, falls wir eine Klage einreichen würden, um die EPA zur Durchsetzung des Clean Air Acts zu bewegen, würden sie sich wahrscheinlich zugunsten der EPA einmischen. Sie warfen die Klimawissenschaft also einfach aus dem Fenster.”

Tatsächlich verspottete David Bookbinder, der höchste Klimaberater des Sierra Clubs, die Versuche des Zentrums, die 350ppm als rechtlich bindende Forderung festzuschreiben. Er sagte, dass es “eine wirklich sinnlose Aufgabe” sei und verwies auf “ die wohlverdiente bürokratische Vergesslichkeit” - er fügte schwach hinzu, dass “350ppm vielleicht der Wert sei, an dem der Planet enden sollte”, aber nicht durch solch einen Mechanismus wie den Clean Air Act. Er wurde in den Medien neben Vertretern der Bush-Regierung zitiert, die seine Verachtung für die Forderung des Zentrums teilte.

Aber warum würde der Sierra Club eine Maßnahme ablehnen, die entwickelt wurde, um den Zusammenbruch der Umwelt zu verhindern? Sierra Club antwortete nicht auf meine Bitte um eine Erklärung. Klimaforscher sind verwirrt. Als James Hansen zu diesem Verhalten befragt wurde, sagte er: “Ich finde das Verhalten der meisten Umwelt-NGOs schockierend...Ich will ihre lahmen Entschuldigungen für ihr schreckliches Verhalten nicht hören.” Es ist leicht zu erkennen, warum Organisationen wie Conservation International, die Geld von “Big Oil” und “Big Coal” annehmen, rückwärtsgewandte Positionen einnehmen. Ihre Wohltäter würden ihre enormen Gewinne einbüßen, wenn wir den Übergang weg von fossilen Brennstoffen einleiten würden - deshalb verfallen sie in diskretes Schweigen, sobald dieses Thema zur Sprache kommt. Aber obwohl der Sierra Club das Geld von so manchem Unternehmen akzeptiert, nimmt er kein Geld von den allerschlimmsten Umweltverschmutzern. Warum ist dieses Verhalten dann, angesichts der größten Herausforderung vor der wir stehen, dennoch so schädlich?

Es scheint, als sei es soweit gekommen, dass die Führung des Sierra Clubs, ihren Blick nur noch auf den amerikanischen Senat ausrichtet und darauf, zu welcher Gesetzgebung er am einfachsten umschmeichelt werden kann. Sie sagen, es ergibt keinen Sinn, eine Strategie zu unterstützen, die die Senatoren völlig ablehnen würden. Man müsse “politisch realistisch” sein und versuchen für ein Anliegen einzutreten, das auch konservative Demokraten im Kongress ansprechen wird.

Diese Fokussierung auf eine Schritt für Schritt-Reform wäre normalerweise verständlich; jeder Schritt für eine Veränderung braucht seine Unterstützer. Aber die Existenz von Kipppunkten - die von Klimaforschern deutlich bestätigt wurden - macht den Ansatz der kleinen Schritte gegen die globale Erwärmung lächerlich. Wenn wir den sicheren Anteil an Treibhausgasen in der Atmosphäre überschreiten, wird die Erde ihre riesigen Kohlenstoffvorräte freisetzen und wir werden Zeugen einer außer Kontrolle geratenen Erwärmung werden. Danach werden alle Senkungen, die wir einführen, nutzlos sein. Man kann nicht nur halb über einen Abgrund springen: man stürzt trotzdem in den Tod. Es geht um alles oder nichts.

Definitionsgemäß kann ein Gesetz, das es durch den derzeitigen, korrumpierten Senat bis zur Verabschiedung schafft, nicht genug sein, die katastrophale globale Erwärmung zu verhindern. Warum? Weil der Großteil des Senats - einschließlich vieler Demokraten - “Big Oil” und “Big Coal” gehören. Sie nennen die Zuschüsse zu deren Wahlkämpfen Spenden. Senatoren werden sich ihren Wohltätern nicht widersetzen. Wenn man also nur nach Maßnahmen verlangt, die der Senat morgen verabschieden könnte, legt man im Prinzip ein Veto gegen die Position “richtiger” Umweltorganisationen gegenüber der fossilen Brennstoffindustrie ein.

Bisher glauben vor allem die “Erhaltungs”-Organisationen, dass sie realistisch handeln, indem sie an der “politischen Realität” festhalten. Diese besagt, dass nur Senkungen weit entfernt von der Meinung der Klimawissenschaft möglich sind. Sie scheinen nicht zu realisieren, dass in einem Konflikt zwischen der politischen und der physischen Realität, die physische siegen wird. Die Gesetze der Physik sind realer und dauerhafter als jedes flüchtige politische System. Man kann nicht am Ufer eines ansteigenden Meeres stehen und sagen: “Entschuldigung, die Swing States wollen nicht, dass das heute passiert. Komm in fünfzig Jahren wieder!”

Eine klassische Fallstudie dieser Umgehungsmentalität kann man im Blog von David Donniger, dem Politikdirektor des Klimazentrums des Natural Resources Defense Council (NRDC), finden, die er nach dem Scheitern des Kopenhagener Klimagipfels geschrieben hat. Der Gipfel endete mit keinem bindenden Vertrag für irgendein Land, seine Treibhausgasemissionen zu begrenzen, und mit einer Missachtung der wissenschaftlichen Ziele. Angesichts der kürze der verbleibenden Zeit, die uns zum Handeln noch bleibt, war das Ergebnis schockierend. Donniger war wirklich wütend - auf die Menschen, die sich beschwerten. Er prangerte das “Katastrophengeschrei in den europäischen Medien und die eher schwachen Rezensionen in vielen amerikanischen Berichten” an. Er sagte die Menschen würden “an Richtlinien und Erwartungen festhalten, sodass in Kopenhagen kein angemessenes und durchführbares Ergebnis erzielt werden konnte - oder vielleicht sogar sollte.”

Dieser letzte Satz ist sehr aufschlussreich. Donniger glaubt, es sei ”vernünftig” innerhalb der Beschränkungen des amerikanischen und globalen politischen Systems zu handeln und unvernünftig, innerhalb der Zwänge der Klimawissenschaft zu handeln. Die Umweltschützer, so deutet er an, liegen falsch, wenn sie sagen, dass ihre Standards auf dem Treffen hätten erfüllt werden sollen; das Abkommen sei “nicht schlecht”. Nach fünfzehn Klimagipfeln, nach zwanzig Jahren zunehmender verzweifelter wissenschaftlicher Warnungen vor der Erwärmung und den sich immer deutlicher abzeichnenden Kipppunkten, sagt er, dass die Regierungschefs der Welt die Verhandlungen nicht beschleunigen sollten und die europäischen und amerikanischen Medien aufhören sollten zu jammern. Man muss sich an dieser Stelle dringend ins Gedächtnis rufen: hier redet nicht der Geschäftsführer einer Ölfirma, sondern ein Vorstandsmitglied einer der führenden Umweltschutzorganisationen.

Es gibt einen anderen Weg, wie sich Umweltorganisationen verhalten können. Wenn das bestehende politische System so korrupt ist, dass es die einfache menschliche Sicherheit nicht aufrechterhalten kann, dann sollten sie ihre Mitglieder ermutigen, aktiv zu werden um die Blockade durch die Mineralölindustrie zu überwinden. Das ist exakt das, was in Großbritannien passierte - und auch funktionierte. Demonstranten haben in den letzten fünf Jahren Kohlezüge und neue Flughafenstartbahnen blockiert - und als Ergebnis blieben Projekte für Flughafenstartbahnen, die zuvor als sicher galten auf der Strecke und Politiker wurden sehr nervös, wenn es darum ging irgendwelche neuen Kohlekraftwerke zu genehmigen. Die großen britischen Umweltorganisationen sträuben sich nicht, die Mängel der Labour-Regierung beim Umweltschutz mit stärkst möglichen Worten zu verurteilen. Vergleichen Sie den Erfolg dieser direkten Konfrontationen mit dem völligen Scheitern des “Wir agieren innerhalb des Systems-Ansatzes” der amerikanischen Organisationen. James Hansen wies darauf hin, dass das britische Modell echte Hoffnung verspricht als falsche Hoffnungen zu wecken. Es gibt bereits Hoffnungsschimmer - eine inspirierende Bewegung gegen Kohlekraftwerke in den USA, die vom Sierra Club unterstützt wird - aber es muss noch nachgebessert werden.

Unter Vortäuschung der Tatsache, dass das kaputte System noch funktioniert - und auch nach einem weiteren Sieg der Demokraten, und noch einem, und noch einem, so getan wird als würde es funktionieren - verhindern die großen Umweltorganisationen die angemessene Reaktion besorgter Bürger, die auf das gesamte System nicht gut zu sprechen sind. Anstatt unsere Wut über diesen Verrat der Politiker an unserer Sicherheit zu leiten und zu verstärken, bieten sie uns Placebos an, um uns zu beruhigen. Die US-Klimagesetze sind langfristig angelegt: sie fesseln uns bis 2050 an einen traurigen und unzureichenden Plan, die Emissionen zu reduzieren. Wenn sie dann auch noch von Umweltorganisationen angefeuert werden, geben sie dem Weg der Zerstörung ihre Zustimmung - und nennen ihn Fortschritt.

Selbst innerhalb der Zwänge des existierenden Systems, ist ihre Herangehensweise Ausdruck einer äußerst dürftigen politischen Taktik. Suckling drückt es folgendermaßen aus: “Sie haben eine unglaublich naive politische Haltung. Jedes Mal wenn die Demokraten mit einer Gesetzesinitiative rausrücken, jubeln sie und sagen er sei großartig, selbst wenn wissenschaftliche Erfordernisse in erschreckender Weise missachtet werden. Deswegen sehen Politiker nicht den geringsten Anlass, Gesetze zu verschärfen. Wenn man sofort zeigt, dass man mit ihren Initiativen zufrieden ist, dann müssen sie auch nichts mehr korrigieren. Vergleichen Sie das mit dem Verhalten der Chamber of Commerce oder der Mineralölkonzerne. Sie vertreten eine extrem konservative Position und verlangen von der Mitte, sich auf sie zu zu bewegen. Das funktioniert für sie. Sie handeln wie wirkliche Aktivisten, während die angeblichen Aktivisten in der hintersten Ecke stehen und jeden Knochen feiern, der ihnen hingeworfen wird.”

Die Umweltorganisationen sind zum “Sprachrohr” der demokratischen Partei geworden, egal wie erbärmlich die Position der Partei auch sein mag”, sagt Suckling verzweifelt. “Sie haben kein konkretes Ziel, kein Interesse an der Notwendigkeit wissenschaftlich belegter Emissionseinsparungen und zeigen keinen Willen, das Weiße Haus oder den Kongress entsprechend unter Druck zu setzen.”

Auf den ersten Blick erscheint das unglaublich, tatsächlich ist es aber noch zu freundlich. In Koppenhagen forderten einige der amerikanischen Organisationen ein Vorgehen, das zu einer Umweltkatastrophe führen würde - und einem Geldregen für sie selbst. Es ist eine Geschichte, die sich hinter Details und Akronymen verbirgt, deren Einsatz aber die Zukunft der Zivilisation ist.

Wenn die reichen Länder sagen, dass sie ihre Emissionen reduzieren wollen, klingt das, als würden sie versichern, dass es in Zukunft weniger Kohlekraftwerke gibt und viel mehr erneuerbare Energien eingesetzt werden. Wenn also Obama sagt, dass es bis 2020 eine dreiprozentige Emissionseinsparung geben wird - ein Zehntel dessen, was Wissenschaftler fordern - nimmt man an, dass die Vereinigten Staaten 3 Prozent weniger klimaerwärmende Treibhausgase emittieren. Aber so funktioniert das nicht. Statt dessen suchen sie rund um die Welt einen Ort, an dem die Emissionseinsparung am billigsten durchführbar ist und wollen dafür zahlen, dass die Einsparungen genau dort vorgenommen werden.

Die Abholzung der Regenwälder verursacht derzeit rund 12 Prozent aller Treibhausgasemissionen, denn Bäume speichern Kohlenstoffdioxid. Deshalb sagen sich die Regierungen reicher Staaten, wenn sie etwas dafür bezahlen, dass ein Teil der Abholzungen eingestellt werden, können sie diese als eigene Einsparungen anrechnen. Ein Programm namens REDD - Reducing Emmisions from Deforestation and Forest Degradation - wurde aus der Taufe gehoben, um genau dies umzusetzen. In der Theorie klingt das gut, denn der Atmosphäre ist es egal woher die reduzierten Emissionen stammen, solange die fortschreitende Erwärmung noch aufgehalten werden kann. Eine Tonne Kohlendioxid aus Brasilien landet genauso sicher in der Atmosphäre wie eine Tonne Kohlendioxid aus Texas.

Wenn dieses Argument so trügerisch einfach erscheint, dann, weil es trügerisch ist. In der Praxis ist REDD mit Schlupflöchern gefüllt, groß genug um einen ganzen Planeten zu schlucken.

Um die Schwierigkeiten mit REDD zu verstehen, werfen wir einen Blick auf den Ort, der auserkoren wurde, zu zeigen wie REDD funktionieren soll. Vor 13 Jahren stellte eine Koalition aus The Nature Conservancy und den drei - zu den ganz großen Umweltverschmutzern gehörenden - Konzernen BP, Pacificorp und American Electric Power (AEP) einen Wald in Bolivien unter Schutz und gaben ihm den Namen Noel Kempff Climate Action Project. Sie nahmen sich 3,9 Millionen Hektar tropischen Regenwalds und sagten, sie würden Holzindustrie aus dem Gebiet fernhalten und sicherstellen, dass der Wald erhalten bleibe. Mit diesem Projekt, so behaupteten sie, würden 55 Millionen Tonnen Kohlendioxid gespeichert und vor dem Ausstoß in die Atmosphäre gesichert, was über die Jahre die zusätzlichen 55 Millionen Tonnen emittierten Kohlendioxids ihrer Kohle- und Ölförderung rechtfertige. Interne Unterlagen von AEP prahlen: “Das bolivianische Projekt... könnte AEP Milliarden Dollar an Umweltauflagen einsparen.”

Greenpeace hat ein Forschungsteam in das Projektgebiet entsandt, um zu sehen, wie und was sich dort entwickelt. Einem letztes Jahr zufolge veröffentlichten Bericht fand das Team heraus, dass einige der Holzkonzerne einfach ihre Maschinen eingepackt hatten und damit in das nächste Sück Regenwald außerhalb des Projektgebietes weitergezogen waren. Ein Angestellter von San Martin, einer der größten Holzkonzerne der Gegend, gab an, dass niemand jemals danach gefragt hatte, ob das Unternehmen mit der Abholzung aufgehört habe. Dieses Phänomen ist als “Leakage” (“Leck”) bekannt: das eine Gebiet wird vor der Abholzung geschützt, aber die Abholzung geht einfach ein paar Kilometer entfernt unvermindert weiter.

Tatsächlich nahm einer der größten HolzKonzerne das Geld, das ihm vom Projekt bezahlt wurde, um die Abholzung einzustellen und verwendete es, um statt dessen in einem anderen Teil des Waldes die Bäume zu fällen. Die Projektbetreiber mussten eingestehen, dass 5,8 Millionen Tonnen oder weniger gespeichert wurden - nur ein Zehntel des ursprünglich verheißenen Wertes. Greenpeace behauptet, dass selbst die 5,8 Millionen Tonnen eine starke Übertreibung seien. Es sei ein Potemkinscher Wald für die Umweltverschmutzer.

Wenn man eine Klimakompensation beansprucht und diese nicht funktioniert, dann hat man das Klima gleich doppelt belastet - zum einen weil trotz allem genauso viele Bäume abgeholzt wurden wie man geschützt hat und zum anderen, weil zusätzlich eine riesige Menge Treibhausgase in die Atmosphäre gepumpt wurde, in der irrigen Annahme, diese Emissionen würden ja in den nun toten Bäumen gespeichert. Mit den Offsets (Klimakompensationen) wurden die Emissionen also nicht unterbunden, sogar verdoppelt. Und während die Klimaerwärmung immer weiter zunimmt, sind nun sogar die kleinen Fleckchen Regenwald, die bisher erhalten wurden, dem Untergang geweiht. Warum? Regenwälder sind sehr empfindliche und feuchte Ökosysteme. Die in ihnen gespeicherte Feuchtigkeit unterdrückt jegliches ausbrechende Feuer, aber mit einer Erwärmung von 2 Grad Celsius fangen die Wälder an auszutrocknen - und niederzubrennen. Der Klimawissenschaftler Wolfgang Cramer sagt, dass wir “riskieren, ganz Amazonien zu verlieren”, wenn die Klimaerwärmung 4 Grad Celsius erreicht.

Und die Nachrichten werden noch schlimmer: Kohlendioxid, das von Kohlekraftwerken ausgestoßen wird, bleibt für mehrere tausend Jahre in der Atmosphäre - um dies tatsächlich zu “kompensieren”, müsste man garantieren, dass die Wälder über exakt diesen Zeitraum stehen bleiben. Das ist als wäre Julius Caesar 44 v.Chr. Verpflichtungen eingegangen was Barack Obama heute macht - und was irgendein unbekannter Politiker 6010 machen wird. In der Praxis kann wegen den ernstzunehmenden Risiken der voranschreitenden Erwärmung nicht einmal garantiert werden, dass die Wälder in 50 Jahren noch stehen werden.

Man würde von den großen Naturschutzorganisationen erwarten, dass sie auf dieses absurde System schimpfen und eine ernst zu nehmende, wissenschaftlich basierte Alternative einfordern. Aber in Washington und in Kopenhagen waren diese Organisationen die leidenschaftlichsten Verteidiger der CO2-Kompensationen. Sie sind der Ansicht, dass dieses System in der “politischen Realität” die einzige Möglichkeit sei, um die nötigen Gelder für den Regenwald bereitzustellen, also müsse man damit arbeiten. Aber das ist ein merkwürdiger Kompromiss - abgesehen davon, dass er so gar nicht funktioniert.

Tatsächlich haben einige große Organisationen sogar Lobbyarbeit betrieben, um die im System vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen abzuschwächen, was zur Folge hat, dass die Regenwälder noch schneller sterben. Um das zu verstehen, muss man eine Unterscheidung verstehen, die auf den ersten Blick technisch klingt, aber von ausschlaggebender Bedeutung ist. Wenn man dafür zahlt, dass die Abholzung gestoppt wird, dann gibt es verschiedene Methoden festzustellen, ob man erfolgreich ist. Man kann sich ein kleines subnationales Gebiet, wie zum Beispiel das Noel Kempff-Projekt aussuchen und dieses schützen. Oder man schaut auf das ganze Land und versucht eine realistischen Anteil seiner Wälder zu schützen. Eine nationale Zielsetzung ist um einiges besser, denn die Unwägbarkeiten durch “Leakage” sind dabei viel geringer. Mit nationalen Zielsetzungen ist es für Holzkonzerne viel schwieriger, einfach ein paar Kilometer weiterzuziehen, um dort mit der Abholzung weiterzumachen: das Weiterziehen von Brasilien in den Kongo oder nach Indonesien ist viel schwieriger und nur wenige Unternehmen werden das schaffen.

Simon Lewis, ein Forstwissenschaftler der Leeds University, sagt: “Es steht außer Frage, dass nationale Zielsetzungen viel effektiver in der Vermeidung von Leakage und dem Erhalt der Wälder sind als subnationale Ziele.”

Dennoch haben sich einige Organisationen, wie TNC und Conservation International, für subnationale Zielsetzungen als Kern des REDD-Mechanismus und der amerikanischen Klimagesetzgebung eingesetzt. Zum Teil dank ihrer Bemühungen wurden diese Forderungen offizielle Politik der US-Regierung und ist nun Kernstück der Waxman-MarkeyGesetzesinitiative. Die Organisationen veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung mit einigen der schlimmsten Umweltverschmutzern - AEP, Duke Energy, der El Paso Corporation - in der sie sich für subnationale Ziele einsetzen, während aber unklar blieb, ob sie eventuell nicht doch nationale Ziele einfordern würden. Sie wollen (kurzzeitig) kleine Fleckchen Wald bewahren, nicht den Regenwald einer ganzen Nation.

Der Mitarbeiter einer dieser großen Organisationen kann aus erster Hand berichten, wie es dort abläuft und die Motivation hinter dem Vorgehen der Organisationen erklären: “Sie handeln so, weil sie auf diese Weise hohe Einnahmen erzielen. Bei nationalen Zielsetzungen, fließt das Geld über die nationalen Regierungen. Bei subnationalen Zielsetzungen geht das Geld direkt an die Leute, die den Wald kontrollieren, das heißt an TNC, Conservation International und andere beteiligte Organisationen. Plötzlich werden die von ihnen geschützten Wälder zu Kapitalanlagen, die als Kompensationen im Emissionshandel Milliarden Dollar wert sind. Sie haben also ein persönliches Interesse am Kompensationsgeschäft und an subnationalen Zielsetzungen - obwohl diese viel umweltschädlicher sind als die Alternativen. Sie wissen das. Es ist schockierend.”

Was unternehmen sie, um sicherzustellen, dass Politik in ihrem Sinne gestaltet wird - und das Geld fließt? Eine andere Quelle, von einer Umweltorganisation, die Geld von Unternehmen ablehnt, beschreibt, was sie hinter verschlossenen Türen beobachtet hat: “In ihren Lobbytätigkeiten loben sie jedes Mal die Notwendigkeit subnationaler Projekte und Kompensationsmechanismen und sagen, wie großartig diese seien. Sie erwähnen nie nationale Zielsetzungen oder die Probleme, die durch Kompensationen entstehen. Sie lassen dies auch durch ihre Partnerunternehmen fordern, die ganze Armeen von Lobbyisten haben und natürlich weitaus größer sind als irgendeine Umweltorganisation. Sie treiben ihre eigenen Interessen voran, sie handeln nicht im Interesse der Umwelt.” Sie wurden in ihrer “REDD-Verblendung mittlerweile zu oft auf frischer Tat ertappt”, sagt er.

TNC und Conservation International geben zu, dass sie zugunsten subnationaler Abrechnung argumentieren, behaupten allerdings, dies wäre bloß das “Sprungbrett” zu nationalen Zielen. Becky Chacko, Direktorin der Klimapolitik bei Conservation International, erzählte mir: “Unser einziges Interesse ist es Wälder zu bewahren. Wir vertreten diese Position nicht zu unserem eigenen (finanziellen) Vorteil. Wir denken nicht, dass wir etwas Schlimmes tun, wenn wir sagen, dass Geld fließen muss um Wälder zu erhalten und, dass diese Marktmechanismen das nötige Geld dafür bereitstellen können.”

Doch als ich sie frage, wie Conservation International die konzeptionellen Löcher im gesamten Kompensationssystem rechtfertigt, werden ihre Antworten zögerlich. Sie sagt, die “Probleme des Leakage und der Dauerhaftigkeit von Wäldern” seien “geklärt”. Sie sagt jedoch nicht, auf welche Art und Weise diese Probleme gelöst sind. Wie können Sie garantieren, dass ein Wald Jahrtausende besteht, um Treibhausgasemissionen zu kompensieren, die den Planet für Jahrtausende erwärmen werden? “Wir beziehen dieses Risiko in unsere Kalkulationen mit ein”, sagt sie geheimnisvoll. Sie gesteht ein, dass eine nationale Abrechnung “gründlicher” ist und sagt, dass Conservation International die Erreichung dieses Ziels “letztlich” unterstützen werde.

In den Basisorganisationen der Umweltbewegung macht sich angesichts dieser Position ein Grollen breit. “Ich konnte nicht glauben, was sich in Kopenhagen vor meinen Augen abgespielt hat”, sagt Kevin Koenig von Amazon Watch, einer Organisation, die sich im Amazonasbecken gemeinsam mit indigenen Völkern für deren Landrechte einsetzt. “Diese Organisationen positionieren sich als Makler im Emissionshandel. Sie sind tatsächlich dabei behilflich, ein globales System der “Emissionswäsche” aufzubauen..., das den Eindruck des Handelns erwecken soll, in Wirklichkeit völlig substanzlos ist. Man muss sich wirklich fragen - sind das noch Umweltschutzorganisationen? Mir erscheinen sie eher als die Stoßtrupps der Industrie.”

So ist es dazu gekommen: Nach Jahrzehnten schleichender Bestechung durch die Unternehmen, haben sich einige der größten Umweltorganisationen zum Ebenbild ihrer wirtschaftlichen Geldgeber umfunktioniert: sie stellen den Gewinn über die Erde. Sie unterstützen ein Sytem, obwohl sie wissen, dass es unweigerlich in den Ökozid mündet, weil es ihren Kontostand aufstockt - zumindest bis es zum endgültigen Kollaps kommt. Ihr Verhalten in Kopenhagen war so schockierend, dass Lumumba Di-Aping, der Verhandlungsführer des G77-Blocks der regenwaldreichen, aber finanzschwachen Staaten, sie mit der CIA auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges verglich, als diese ganze Nationen sabotierte.

Wie können wir in der kurzen Zeit, die uns noch bleibt, die wahre Umweltbewegung wiederbeleben? Charles Komanoff, der 30 Jahre als Berater des Natural Resources Defense Council tätig war, sagt: “Wir stehen kurz vor einem Bürgerkrieg in der Umweltbewegung. Viel zu lange wurde der Bewegung aller Sauerstoff vom Monstrum der im System agierenden Organisationen aufgesaugt, die fast nichts bewirken.... Wir müssen neue Organisationen schaffen, die die Grundlagen des Umweltschutzes repräsentieren und richtige Ziele haben.”

Einige der gescheiterten Umweltorganisationen können von innen heraus reformiert werden. Der Sierra Club ist eine demokratische Organisation, mit einer durch die Mitglieder gewählten Führung. Es gibt erste Anzeichen, dass die Mitglieder anfangen, die Organisation nach den Fehltritten der letzten Jahre wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Carl Pope wurde durch Mike Brune - früher beim Rainforest Action Network, einer vielmehr den radikalen Forderungen der Klimawissenschaft verbundenen Organisation - ersetzt. Andere Organisationen jedoch, wie Conservation International und TNC, scheinen zu einer internen Reform außerstande und sollten schlichtweg gemieden werden. Sie sind kein Teil der Umweltbewegung: sie sind von Umweltverschmutzern geförderte Blutsauger, die vom Fleisch des Umweltschutzes zehren und es schwächer und erschöpfter zurücklassen.

Die ersten Alternativen scheinen schon strahlend über Amerika aufzugehen. In nur einem Jahr hat die brilliante 350.org ein riesiges Netzwerk enthusiastischer Aktivisten gebildet, die unsere Politiker auffordern, dem wissenschaftlichen Ratschlag zu folgen - nicht der Parodie dessen, die durch Betrüger feilgeboten wird. Sie müssen die korrupten Naturschützer als Stimme des amerikanischen Umweltschutzes schnelsst möglich ersetzen.

Dies wird ein schwieriger und hässlicher Kampf werden, wenn wir all unsere Energie zusammennehmen müssen, um es mit den Kräften des Ökozids aufzunehmen. Allerdings ähneln diese Naturschutzorganisationen in zunehmendem Maße den Kräften der Umweltzerstörung, gehüllt in einen grünen Mantel. Wenn wir nicht bald eine echte, standhafte Umweltbewegung schaffen, sollten wir uns besser an ein neues Geräusch gewöhnen - an umstürzende Bäume und an einen steigenden Meeresspiegel, gefolgt vom dumpfen, insgeheimen Beifall von Amerikas “Naturschützern”.

Johann Hari schreibt Kolumnen für den Independent in London und wirkt bei Slate mit. Er wurde von Amnesty International für seine Reportage über den Krieg im Kongo zum “Newspaper Journalist of the Year” gekürt.

Übersetzung: Pro REGENWALD, Martin Glöckle, Annika Niepoth, Hanna Wilke

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