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Das Klimaabkommen von Paris & indigene SichtweisenStichwörter: Indigene Politik Protest Klimawandel UN REDD

Alle Welt feiert das Klimaabkommen von Paris vor einer Woche. Der Durchbruch ist geschafft, die Staatengemeinschaft verpflichtet sich den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken und aus fossiler Energie soll auch ein bisschen ausgestiegen werden. Und während manche ganz euphorisch sind, dass erstmals in einem Klimaabkommen explizit auch Wälder eine Rolle spielen (klimaretter.info), vergeht einem bei genauerem Hinsehen schnell die Freude.

Ein wesentlicher Bestandteil des vermeintlichen Waldschutzes ist der sogenannte REDD-Mechanismus (redd-monitor.org). Bereits seit Jahren kritisieren Indigenen- und Umweltorganisationen die Idee, Wälder in den internationalen Emissionshandel mit einzubeziehen. Als die Klimaverhandlungen in Paris schon in vollem Gange waren, warnten vier Indigenenvertreter bei einer gemeinsamen Pressekonferenz vor den Auswirkungen von REDD auf indigene Völker weltweit. Im folgenden die Statements:

Tom Goldtooth (Indigenous Environmental Network): Eine der Sorgen der Indigenen unseres Netzwerks ist die weitere Umsetzung von REDD – Reduktion der Emissionen aus Entwaldung und Walddegradation. Es ist einer der CO2-Marktmechanismen, die Eingang in die Pariser Vereinbarungen gefunden haben. Wir befürchten, dass es ein Instrument ist, das weiteren Landraub und Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völkern verursachen wird. Die größten Sorgen macht uns aber die Verletzung unserer traditionellen Weltanschauung. Deshalb werden wir darüber sprechen, wie REDD und andere Mechanismen des Emissionshandels die traditionellen Wertvorstellungen verletzen, die wir indigene Völker teilen – die Heiligkeit von Mutter Erde.
Wie kann man Luft verkaufen? Wie kann man unsere Bäume an ein System des Klimakapitalismus verkaufen? Darüber werden wir sprechen.
Immer wenn ihr Indigene sprechen hört, egal woher wir kommen, hört ihr uns direkt aus dem Herzen sprechen. Ihr hört uns über unsere Verbindung mit der Mutter Erde sprechen. Wir erzählen von der Unverletzlichkeit der ganzen Natur, des Lebens. Das ist unser Fundament. Deswegen analysieren wir alle Lösungen sehr kritisch, die uns auf den Fluren der Klimaverhandlungen präsentiert werden.
Wie ich schon im Film – und vor diesem Gremium – sagte, wurden die Informationen, wie sehr diese fremden Marktmechanismen sowohl unsere Lebensweise bedrohen und welche Zugeständnisse wir für eine Partizipation daran machen müssen, nur teilweise mitgeteilt. Wie bringen wir diese traditionellen Wertvorstellungen in Einklang mit dem Auseinanderreißen der Struktur unserer Gemeinschaften, was dazu führt, dass wir uns gegenseitig für Geld bekämpfen.
Ich habe Menschen aus Dörfern im abgelegenen Wald gesehen. Sie wissen bis heute nicht, was das [REDD] überhaupt sein soll.

Berenice Sánchez, Expertin für Ernährungssouveränität, Mexiko: Bei dieser Konferenz wird nur über Geld geredet, nicht über tatsächliche Lösungen für den Klimawandel. REDD ist keine Lösung für den Klimawandel. Anstatt darüber zu reden, das Wirtschafts- und Produktionssystem sowie den Kapitalismus selbst zu verändern, sorgt REDD nur für Überlegungen, wie noch mehr Geld gemacht und Chevron Texaco ein grünes Mäntelchen umgehängt werden kann.
Und niemand redet darüber, wie es sein kann, von diesen verschmutzenden Konzernen aus den Industrieländern Gelder – oder Bestechungen – anzunehmen. Wie kann eine Gemeinschaft Geld annehmen, um angeblich das Klima oder den Wald zu retten, wenn es nur eine Kompensation für Ölgewinnung oder Bergbau in anderen indigenen Territorien ist?
2012 wurde ein Teil unseres Territoriums gerodet und wir wussten nicht, warum. Die Regierung sagte, wir sollen uns keine Sorgen machen, sie hätten 3.000 US-Dollar erhalten, um die Wälder zu roden. Und mit diesen 3.000 Dollar würde das Unternehmen woanders Bäume pflanzen, und sie könnten dort Häuser bauen, wo vorher unser Wald war. Wir sagten ihnen, dass Bäume keinen Preis haben. Man kann sie nicht einfach fällen. Die Aufgabe unserer Bäume ist es, Bäume zu sein und Sauerstoff zu liefern.
Wir essen in der Regenzeit viele Pilze. Wir gehen los, sammeln die Pilze und essen sie. Und wir fragten uns, wenn sie aufhören würden unseren Wald zu roden und dafür vermutlich über den Emissionshandel CO2-Zertifikate bekommen: Wie sollen wir unseren Kindern unsere traditionelle Lebensweise beibringen?
All dies muss sich ändern, da wir am Rande eines schrecklichen Zusammenbruchs stehen. Hier in Paris wird nicht wirklich über die Rechte der indigenen Völker geredet, aber wir sind hier, um unsere Botschaft zu verbreiten. Wir sind hier, um Mutter Erde zu verteidigen.
Für uns ist der Himmel unbezahlbar, man kann ihn nicht kaufen und verkaufen. Man kann den Ozean nicht kaufen und verkaufen, unser Korn, unsere Samen, unsere Bäume, sie sind heilig, deshalb sind wir hier. Wir sind hier, um all dies zu verteidigen und hoffen, dass die Welt uns hört, uns beachtet und weiß, dass Geld nicht die Lösung ist.

Gloria Ushigua, Präsidentin des Sapara Frauenverbandes, Ecuador: Ich komme vom Amazonas. Ich bin nicht aus der Stadt. In den Bergen, da ist ein Geist. Da sind Wesen wie wir. Und im Fluss sind Wesen. Ich habe von meinen Schamanen gelernt, mit ihnen zu sprechen und bei ihnen zu sein.
Jetzt wird mein Territorium übernommen. Sie wollen nach Öl bohren. Das wird die Berge und Flüsse und die Geister darin zerstören. Es wird alles zerstören. Wir werden sterben. Alle indigenen Völker Ecuadors werden sterben. Wir alle haben Angst davor.
Die Hälfte des Amazonas Ecuadors wurde von Chevron Texaco verschmutzt. Es gibt indigene Völker, die an Krebs und Hepatitis sterben und Tumore haben. Wir sehen die Folgen der Erdölförderung.
Ich bin froh, hier zu sein und ihnen zu erzählen, was mit dem Land indigener Völker und dem wunderbaren Ort, an dem ich geboren wurde, geschieht.
Die Regierung geht sehr hart mit den Indigenen um. Sie versucht die indigenen Völker zu überzeugen, Ölbohrungen zu erlauben, aber wir wollen das nicht, wir akzeptieren es nicht. Die indigenen Völker sind in dieser Sache vereint, auch wenn die Regierung versucht, Einzelne zu kaufen und sie sogar mit zu den COPs bringt.
Der Geist des Amazonas unterstützt uns gleichwohl. Unsere Spiritualität ist der Amazonas, deswegen verteidigen wir ihn so vehement. Wir wollen nicht Hungers sterben.

Alberto Saldamando, Anwalt für indigene Rechte: Ich arbeite seit gefühlten Generationen im Bereich der Menschenrechte, unter besonderer Berücksichtigung der Rechte indigener Völker.
Diese Rechte schließen das Recht auf Land, auf angestammtes Land, mit ein. Tatsächlich sagt das Komitee für die Eliminierung der Rassendiskriminierung, dass das Recht auf angestammtes Land die Rückgabe dieses Landes mit einschließen sollte.
Die UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker ist eindeutig das wichtigste Dokument, auf das wir uns berufen. Sie wurde im Jahr 2007 verabschiedet.
Wir hatten mit viel Juristerei zu kämpfen, bis wir das Recht der indigenen Völker auf Selbstbestimmung durchsetzen konnten. Die UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker erkennt das Recht auf Selbstbestimmung ohne Einschränkungen an. Sie erkennt außerdem das Recht auf angestammtes Land an. Und tatsächlich verlangt sie, dass dieses Land, wo immer es möglich ist, zurückgegeben werden soll.
Es ist nicht so, dass wir hier über etwas Abstraktes reden, wir reden über das spirituelle Leben der indigenen Völker. Es ist auch ein Recht auf Kultur.
Eine unserer Forderungen bei der COP ist, dass alle Maßnahmen gegen den Klimawandel den Menschenrechten entsprechen sollen, also auch den Rechten der indigenen Völker.
Ich gebe ein Beispiel für ein Aufforstungs- und REDD-Projekt. Ich habe es direkt hier vom Infostand des Green Climate Fund. Dies hier sind die Anfangsprojekte, die vom Green Climate Fund gefördert werden. Das Projekt, auf welches ich mich beziehe, liegt in Peru. Es liegt in einem der peruanischen Nationalparks, einem geschützten Gebiet, in dem auch Indigene leben. So wird es vom Green Climate Fund beschrieben:
„Das Projekt ermöglicht eine bessere Landnutzungsplanung und -management der regionalen Feuchtgebiete, während es gleichzeitig das nachhaltige, gewerbliche Bio-Geschäft mit Nicht-Holz-Produkten aus dem Wald stärkt… Die Förderung wird Regierungsbehörden dabei unterstützen, Landnutzungspläne zu entwickeln und für lokale Organisationen Unterstützung anbieten, um Indigenen Partizipation zu ermöglichen.“
Das internationale Recht fordert keine Beteiligung von NGOs, sondern der Völker und ihrer traditionellen Beschlussorgane selbst. Es verlangt die vorherige Information über das Projekt. Diese freie, vorherige und informierte Zustimmung beinhaltet das Recht, Nein zu sagen. Dieses Projekt baut darauf, dass diese Rolle von NGOs übernommen wird. Das ist ein Hauptargument.
„Der größte Anteil der Mittel wird in die Unterstützung von Bio-Geschäften fließen, was Wirtschaftspläne, Marketing und Management, Ausstattung und Zubehör ebenso mit einschließt, wie die Entwicklung von Solaranlagen für den Betrieb.“
Das bedeutet nichts anderes als die Öffnung des Territoriums für Straßen. Es werden Siedler auftauchen – eine andere Form der Kolonialisierung – um die anfallenden Arbeiten zu erledigen.
Egal welches spirituelle Leben die Indigenen auch haben, welche Beziehung sie zum Wald haben, es wird zerstört werden.
Das sind unsere Bedenken und die Menschenrechtsstandards, die nicht angewandt werden. Wir wollen darauf hinweisen, dass versucht wird, REDD als Entwicklungsmechanismus zu verwenden. Die Staaten benutzen REDD, um das Land der Indigenen zu erschließen und zu entwickeln. Welche Traditionen die indigenen Völker auch haben mögen, welchen spirituellen Werten sie verwachsen sind, egal welchen spirituellen Zeremonien, Liedern, Sprachen – ihre bloße Identität ist durch diese Projekte, die das indigene Land nur als Ausgangspunkt für Entwicklung sehen, bedroht.
Es ist also nicht nur REDD, sondern alles was REDD mit sich bringt. Jeder möchte den Wald schützen, aber die Unterstützung solcher Projekte, die Unterstützung der großen Unternehmen, des Straßenbaus, das ist das Gefährlichste an REDD.
Quelle: redd-monitor.org
(Übersetzung: Pro REGENWALD, Miriam Winzer u.a.)

Die Aufnahme von REDD ist aber nicht das einzig schockierende am Klimaabkommen. Auf Druck der USA, Norwegen, Australien und der Europäischen Union wurden die Rechte indigener Völker aus dem verbindlichen Teil des Vertragswerks gestrichen, weil sie eine mögliche rechtliche Haftung fürchteten. Schon in Paris protestierten Indigenenvertreter dagegen und auch einzelne Staaten wie die Philippinen, Kanada und Costa Rica waren eher auf Seite der Indigenen, konnten sich letztlich aber nicht durchsetzen (theguardian.com).

So verwundert es nicht, dass im 32-seitigen Klimaabkommen Indigene tatsächlich nur in den nicht bindenden Teilen Erwähnung finden: in der Präambel heißt es, dass bei allen ergriffenen oder zu ergreifenden Maßnahmen gegen den Klimawandel indigene Völker beachtet werden sollen und später im Text taucht immerhin noch einmal die Anerkennung des ökologischen indigenen Wissens auf ecowatch.com.

Am Morgen des letzten Verhandlungstages versammelten sich Indigenenorganisationen aus aller Welt um vor der Kathedrale Notre Dame gegen den Ausschluss ihrer Rechte zu protestieren, bis die Polizei kam und die Versammlung auflöste. Ihre Kritik und Bewertung des weltweit gefeierten Klimaabkommens ist aber eindeutig:
"Das Pariser Klimaabkommen ist ein Handelsabkommen, nicht mehr. Es verspricht, Wald zu privatisieren, zu verkaufen und macht ihn durch CO2-Zertifikate zur Handelsware in betrügerischen Systemen wie REDD+. Diese Kompensationsmechanismen dienen den Industrieländern lediglich dazu, ihre Emissionen auf dem Rücken des globalen Südens reinzuwaschen. Das Klimaprogramm der USA sieht beispielsweise vor, das 250 Millionen Megatonnen CO2 von Meeren und Wäldern absorbiert werden sollen. Diejenigen, die für die Klimakrise verantwortlich sind, kaufen sich nicht nur frei, sie profitieren auch noch davon.", so Alberto Saldamando.

Oder, um es mit der Maori Sina Brown-Davis ganz kurz zusammenzufassen: "Der Meeresspiegel steigt und unsere Gemeinden können nirgendwohin...." (indigenousrising.org).

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