VerbraucherverwirrungAus Mist 'Gold' gemachtStichwörter: Wirtschaft Zertifizierung Kanada Papier
Kleenex wird sauber titelt die Süddeutsche gestern und schreibt weiter, dass 'selbst Umweltschützer begeistert' wären. Was ist passiert? Der US-Papierkonzern Kimberly-Clark - unter anderem Hersteller der Kleenex-Tücher und Hakle Toilettenpapier - hat angekündet, bis 2011 auf Fasern aus Urwaldhölzern zu verzichten. Greenpeace hat jahrelang gegen die Verwendung von Urwaldhölzern Kampagnenarbeit gemacht. Da verwundert es nicht, diese Erklärung als Erfolgstory zu vermarkten. Das hat Greenpeace getan und deshalb berichtet die Süddeutsche entsprechend euphorisch.
Aber halt, irgend etwas stimmt da doch nicht! Bäume aus bis dahin nicht industriell genutzten Wäldern zur Herstellung von Hygienepapieren zu verwenden, ist eine Riesensauerei, die schon längst abgestellt gehört hätte. Die andere Sauerei ist aber, dass wir generell zuviele Bäume zu Papier machen und dass man genau dies drastisch reduzieren müsste ... da kann man sich doch nicht allen Ernstes darüber freuen, dass die Firma endlich das macht, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist.
Gerade am Ende der Papier-Nutzungskette, also bei Hygienepapieren, ist es wichtig, komplett auf Primärfasern zu verzichten. Dabei ist es egal ob die Bäume aus sogenanntem Urwald oder aus einem Wirtschaftswald kommen. Papierfasern lassen sich häufiger verwenden, deshalb wird auch Altpapier gesammelt und zum Container getragen. Primärfasern in Hygienepapier fallen nach nur einer Nutzung aus dem Papierkreislauf. Bei Hygienepapieren ist es deshalb MUSS, auf Sekundärfasern zurück zu greifen.
Im Papiermemorandum (Links siehe unten), welches eine ganze Reihe deutscher Umweltverbände, darunter auch Greenpeace, als notwendiges Szenario für zukünftig nachhaltigen Paperverbrauch formuliert haben, kommen die Verbände zum Schluss, dass eine Verbrauchsreduzierung um 50 Prozent nötig sei.
Eine Entscheidung mit Symbolcharakter: Der weltweit größte Hersteller von Hygieneprodukten, Kimberly-Clark, verzichtet künftig auf Zellstofffasern, die aus Urwaldhölzern stammen. Der US-Konzern, der in Deutschland mit den Marken Hakle und Kleenex auf dem Markt ist, verbraucht jährlich über vier Millionen Tonnen Zellstoff.
Von wegen Symbolcharakter! Kimberly-Clark sollte künftig nur noch zwei Millionen Tonnen Zellstoff verbrauchen ... und das würde man dann auf alle Fälle applaudieren.
Fazit: Im Augenblick ist 'Kleenex wird sauber' eine tolle Werbeaktion für Kleenex. Als umweltbewusste Verbraucherin oder ebensolcher Verbraucher würde ich mit dem Slogan künftig nur noch Kleenex kaufen ... selbst dann, wenn ich es vielleicht gar nicht brauche.
Weitere Information:
'Memorandums für einen nachhaltigen Papierverbrauch in Deutschland' in der Kurzfassung (3 Seiten, 1,2 MB, pdf) oder in der Langfassung (17 Seiten, 1,1 MB, pdf).
Nachtrag: Glen Barry von Ecological Internet hat auf die Kimberly-Clark/Greenpeace-Ankündigung mit einer eigenen Pressemitteilung reagiert. Glen Barry vertritt offensichtlich eine radikalere Position und weil er einige interessante Fragen aufwirft, haben wir seine Pressemitteilung übersetzt und dokumentieren sie folgend:
Greenpeace wischt sich seinen weichen Arsch mit Kanadas borealen Urwäldern
Ecological Internet verurteilt entschieden die von Kanadas Greenpeace Organisation ausgesprochene Anerkennung der Abholzung der borealen Nadelwälder als nachhaltig und umweltfreundlich. Diese Abholzung dient der Herstellung von Wegwerfpapierartikeln, einschließlich Toilettenpapier. Gestern gab Greenpeace ein vorzeitiges Ende seiner „Kleercut“ Kampagne gegen das Kimberly-Clark Unternehmen (den Hersteller von ‚Kleenex’, ‚Scott’ und ‚Cottonelle’ Markenpapierprodukten) bekannt, indem es dreist verkündete, dass „heute Urwälder wie der nördliche Nadelwaldgürtel gewonnen haben“.
Die langjährige Kampagne von Greenpeace gegen die „Verbrechen am Urwald“ durch Kimberly-Clark wurde aufgrund der Versprechen des Unternehmens eingestellt, dass 40% seines nordamerikanischen Papiergewebes entweder bis 2011 recycelt oder FSC-zertifiziert sein werden. Traditionsgemäß hatte das Unternehmen jährlich 3 Millionen Tonnen Primärfaser verarbeitet. Dieser Verbrauch soll nun bei einer erfolgreichen Umsetzung des Versprechens auf 2,4 Tonnen sinken. Diese lächerlich schwache Zielsetzung wird die anhaltende Zerstörung der kanadischen Urwaldökosysteme zur Herstellung von Papierwegwerfprodukten für weitere Jahrzehnte legitimieren.
„In einer Welt, deren Belastungsfähigkeit bereits ausgereizt ist, die sich mit einem abrupten Klimawandel und einem Arten- und Ökosystemkollaps konfrontiert sieht, fordern wir Greenpeace dazu auf, umgehend die Umweltforschung offenzulegen, die behauptet, dass primär- und altgewachsene Wälder weiterhin kahlgeschlagen werden können und sollten, um unsere Ärsche abzuwischen“ moniert Dr. Glen Barry. „Es ist typisch Greenpeace, eine Kampagne nur halbherzig auszuführen, teilweise einen Erfolg zu erzielen, den Sieg zu verkünden und zu einer fernsehwirksameren Protestmöglichkeit weiterzuschreiten, um sein eigenes Säckel zu füllen.
Ecological Internet ruft deswegen Greenpeace dazu auf, (zur Abwechslung mal) Inhalt gegenüber der äußeren Form vorzuziehen und sich unmittelbar von der vom FSC betriebenen Zertifizierung von erstmals industriell abgeholzten Primärwäldern als „gutgeführte Wälder“, was Umweltverträglichkeit unterstellt, zu distanzieren.
„Niemand, einschließlich Greenpeace, kann uns sagen, wie viele zehntausend Hektar Urwaldökosysteme durch das FSC-Zertifizierungsetikett für Produkte wie Toilettenpapier und Gartenmöbel zerstört werden. Bis Greenpeace und Co. damit aufhören, das Abholzen von Urwäldern unter dem FSC als umweltfreundlich und nachhaltig zu bezeichnen, rufen wir engagierte Waldschützer dazu auf, ihre Mitgliedschaft bei Greenpeace und anderen Verteidigern der Abholzung von Urwäldern niederzulegen und damit aufzuhören, Toilettenpapier aus Primärfaser zu benutzen, egal wie empfindlich ihre Hintern auch sein mögen“, erklärt Dr. Barry.
Es liegt an uns, die Kleercut Kampagne so lange fortzusetzen, bis die Abholzung von Primärwäldern ein Ende hat. Dies bringt Greenpeace in die engere Auswahl als Kandidat für die „Forest Greenwash“ Auszeichnung des Jahres.
Das kanadische nördliche Nadelwaldgebiet ist Nordamerikas größter altgewachsener Wald und beinhaltet 25% des noch existenten intakten Urwaldes der Welt. Es bietet einen Lebensraum für gefährdete Wildtiere, wie zum Beispiel das Waldrentier, und einen Zufluchtsort für mehr als eine Milliarde Zugvögel. Überdies ist er auch der größte irdische Speicher für Kohlenstoff auf dem Planeten, da er den Gegenwert von 27 Jahren Treibhausgasemissionen speichert.
Im März 2005 ließ Greenpeace verlauten: „Es ist ein Umweltverbrechen, dass Kimberly-Clark die Zerstörung eines der letzten Urwälder der Erde durch die Herstellung seines Kleenex Toilettenpapiers, seiner Taschentücher und Windeln verursacht“, sagte Richard Brooks, einer der Waldaktivisten von Greenpeace. „Es muss den Kunden bewusst sein, dass sie, wenn sie sich für Kleenex Markenprodukte entscheiden, zur Zerstörung des nördlichen Nadelwaldgürtels, einem Naturerbe aller Kanadier, beitragen.
„Wir rufen Geschäftsführer dazu auf, dieses Beweismaterial für Verbrechen an Urwäldern an Kimberly-Clark, den Hersteller von Kleenex Papiermarkenartikeln, zurückzusenden“, fügte Brooks hinzu. „Wenn die Verbraucher wüssten, dass Urwälder im nördlichen Ontario kahlgeschlagen werden, um Produkte herzustellen, die nur einmal benutzt werden und danach einfach weggeschmissen oder in der Toilette heruntergespült werden, wären sie entsetzt.
Nach der Bekanntmachung von Greenpeace werden solche Aktivitäten weiterhin vonstatten gehen, wenn auch in einer Art und Weise, die der FSC als „gut-geführt“ bezeichnet. Es gibt keine ökologisch nachhaltige oder auch nur im Geringsten vorteilhafte industrielle Erstabholzung von Primärwäldern, und Greenpeace sollte sich schämen, einen solchen Handel zu legitimieren. Wenn man Greenpeace unterstützt, unterstützt man auch das Abholzen von Urwäldern, das unser aller Dasein gefährdet.
Da kann ich nur zustimmen