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ILO 169 oder der Schutz indigener LebensentwürfeStichwörter: Indigene UN Politik

Wie könnte ein nachhaltiger, ressourcen- und klimaschonender Lebensstil aussehen? Wie fühlt er sich an? Und wie könnte man ihn flächendeckend praktizieren? Das sind die großen Fragen angesichts des Klimawandels, angesichts weltweit knapper werdender Ressourcen sowie anhaltender Umweltzerstörung. Indigene Wirtschaftsweisen, die den langfristigen Erhalt des Waldes oder des Ackerlandes im Blick haben, sind die Antwort, argumentiert Stephen Leahy, der in seinem Artikel "Living the Indigenous Way, from the Jungles to the Mountains" konkrete Beispiele solcher indigener Wirtschaftsweisen auflistet. Doch anstelle die wesentlichen Erkenntnisse dieser auf Nachhaltigkeit angelegten indigenen Systeme in heutiges Wirtschaften herüberzuretten, müssen indigene Völker weltweit um ihr Überleben fürchten.

Eine Grundvoraussetzung für ihr Überleben ist die Anerkennung der Rechte indigener Völker weltweit, wie sie etwa die ILO-Konvention 169 garantieren würde. Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen ILO trägt den Titel "Übereinkommen über indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern" und ist die einzige internationale Norm, die indigenen Völkern rechtsverbindlichen Schutz und Anspruch auf Grundrechte garantiert. In 44 Artikeln versichert die Konvention den indigenen Völkern Rechte wie die Anerkennung von Eigentums- und Besitzrechten an ihrem angestammten Land; das Recht der Völker an den natürlichen Ressourcen und ihr Recht, sich an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen zu beteiligen.

Die Konvention trat am 5. September 1991 in Kraft, wurde seither aber lediglich von 22 Staaten ratifiziert, darunter Peru, Venezuela, Ecuador, Spanien, Brasilien, Bolivien und Costa Rica. Staaten, in denen viele indigene Völker leben, wie etwa Russland, Australien, Schweden, Kanada und die USA lehnen eine Ratifizierung bislang ab. Auch Deutschland hat die ILO-Konvention noch nicht ratifiziert. Zuletzt scheiterte im Oktober 2012 ein entsprechender Antrag im Bundestag, da die Regierungskoalition aus CDU/CSU/FDP mögliche Haftungs- und Prozessrisiken für deutsche Unternehmen im Ausland fürchtete.

Wie Deutschland verweigern sich auch andere Staaten der ILO-Konvention 169. Gegenüber dem UN-Kommissar für Menschenrechte äußerte die indonesische Regierung im September 2012, dass sie "die Anwendung des Konzeptes indigener Völker [in Indonesien] nicht anerkennt." Der kompletten Verleugnung der Existenz indigener Völker in Indonesien ging die Empfehlung der Vereinten Nationen voraus, Indonesien möge doch die ILO-Konvention 169 ratifizieren und so den indigenen Völkern des Landes mehr Schutz zugestehen. Die indigenen Völker Indonesiens genießen nicht nur keinen Schutz, in West-Papua sind sie regelrecht Freiwild. Seit den 1960er-Jahren sind dort über 100.000 Menschen durch das indonesische Militär getötet worden. Seit 2003 verweigert Indonesien sowohl den Vereinten Nationen wie auch ausländischen Menschenrechtsorganisationen den Zutritt nach West-Papua.

In diesem Jahr hat der Bundesrat eine neuerliche Initiative gestartet, um die Ratifizierung der ILO 169 in Deutschland auf den Weg zu bringen. Die Debatte in den einzelnen Landtagen zu dieser Initiative offenbarte Lücken in politischer Bildung, wie etwa in Bayern, wo die CSU ihre Ablehnung damit begründete, dass in Bayern keine schutzbedürftige indigene Bevölkerung ersichtlich sei (siehe: EWNB Rundbrief Nr. 66). In dieser Argumentslinie hätte die CSU wahrscheinlich auch gegen die Abschaffung der Sklaverei (besser: gegen die Unterstützung einer Konvention zur Abschaffung des Menschenhandels und ähnliche Vereinbarungen) gestimmt ...

Glücklicherweise fand sich Ende März im Bundesrat dann trotz des Widerstands der Bayern eine Mehrheit für die Ratifizierung der ILO 169 Konvention, die nun von Bundestag und Bundesregierung die Einleitung der Ratifizierung fordert. Das oftmals vorgebrachte Argument, dass es in Deutschland keine schützenswerte indigene Bevölkerung gäbe und die Ratifizierung überflüssig sei, weist der Bundesrat deutlich zurück: "Laut den Vereinten Nationen zählen rund 400 Millionen Menschen in über 70 Ländern zu den indigenen Völkern. In einigen Staaten wurden und werden diese Völker bewusst enteignet und unterdrückt, anderswo werden deren Lebensweise, Kultur und soziale Gewohnheiten schlicht ignoriert. Dies hat zur Folge, dass die Angehörigen dieser Völker nur sehr eingeschränkt am politischen und wirtschaftlichen Leben der jeweiligen Mehrheitsgesellschaft teilhaben können. Diese Benachteiligung wird besonders dann deutlich, wenn ihr Lebensumfeld ins Blickfeld nationaler und internationaler wirtschaftlicher Aktivitäten wie Abbau von Bodenschätzen, Infrastruktur- Großprojekte oder Landverkauf rückt und indigene Völker mangels politischer Vertretung und Lobby nur wenige Chancen haben, entsprechende Vorhaben zu verhindern oder zu beeinflussen."

Es ist also an der Zeit, dass die deutsche Bundesregierung nicht nur von Menschenrechten redet, sondern endlich ein Zeichen setzt und durch Ratifizierung der IKO 169 aktiv Menschenrechte schützt ... und mit Sicherheit muss man in Bayern noch einige Seminare politische Bildung zum Konzept der UN sowie zur Idee und Wirkungsweise von Konventionen einplanen.

Kommentare

# Noggler, Othmar am 04.11.2015, 17:08

Zur Erinnerung: Die Regierung Schröder/Fischer hatte die Ratifizierung im Koalitionsvertrag. In der zweiten Regierungsperiode fehlte sie. Widerstand kam jeweils aus dem Wirtschaftsministerium weil damit der gewünschte Zugriff auf wichtige Ressourcen behindert würde. Die Argumentation: "Wir haben keine Indigenen" war Politik der Kohl-Regierung. Die Opposition war jeweils für die Ratifizierung, in Regierungsverantwortung knickte sie jeweils vor dem Wirtschaftsministerium ein...
Mal schauen, was diesmal herauskommt.
Dr. Othmar Noggler, einst Vorsitzender des Ökumenischen Ausschusses für Indianerfragen. (S. Bundestagsprotokolle zum Thema.

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