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Globalisiert: Fleischhunger in Europa zerstört Wald in SüdamerikaStichwörter: Fleisch Soja Unternehmensverantwortung Waldzerstörung Verbraucherbewusstsein


hier wird Wald mit Maschineneinsatz großflächig 'weggeräumt'
Aufgescheucht von mehreren Fleischskandalen - und Verbrauchern, die mehr auf die Umwelt und das Wohl der Tiere achten - haben die großen Handelsketten in Europa in den letzten Jahren versucht, ihr Fleisch zunehmend aus lokalen und/oder nachhaltigeren Quellen zu beziehen. Was eigentlich ein Grund für Optimismus sein sollte ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Denn obwohl mehr Fleisch, das innerhalb der EU verkauft wird, mittlerweile von Tieren aus der Region stammt, bedeutet dies noch lange keine Entlastung der Umwelt anderswo.

Die Fleischindustrie hängt nach wie vor von riesigen Mengen Soja zur Viehfütterung ab - und der größte Teil davon stammt aus Südamerika, wo mit der Flächengewinnung für den Sojaanbau Waldzerstörung und Landrechtsverstöße einhergehen.
Der Chaco ist artenreicher Wald


Links der Piste ist der Wald frisch abgebrannt, rechts steht er noch.


Im Hintergrund riesengroße Felder, Monokulturwüsten, die Jahr für Jahr weniger fruchtbar sind. Im Vordergrund abgebrannter Wald.


Moderne industrielle Landschaftskunst. Die Baumstreifen sollen wohl helfen, die Erosion zu minimieren.

Ende März veröffentlichten die NGOs Mighty Earth und FERN einen ausführlichen Bericht über die Auswirkungen und Machenschaften der Sojaindustrie im Gran Chaco Südamerikas. Dort wütet nicht nur eine Holzkohle-Mafia (Holzkohle: So ist Grillen Sünde), auch die Soja-Industrie ist laut dieser neuen Studie für mehr und mehr Zerstörung verantwortlich.

Die Recherche von Mighty Earth vor Ort zeigt, daß große Agrarkonzerne wie Cargill, ADM, Bunge u.a. einerseits Plantagenbesitzer mit Geld, Dünger und Pestiziden unterstützen und in den Häfen schließlich die Lieferungen aufkaufen, um sie nach Europa zu verschiffen.

Und die Rodungen im Gran Chaco gehen immer weiter, schließlich wird ja mehr Soja für mehr Vieh und mehr Fleisch benötigt. Dass in Südamerika mittlerweile schon über 650 Millionen Hektar Flächen gerodet und für Landwirtschaft und Sojaproduktion verfügbar gemacht wurden, scheint kein Hinderungsgrund zu sein.

Ein Ergebnis der Studie ist, dass die Intransparenz der Lieferketten die Verantwortungslosigkeit für Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und Umweltzerstörungen begünstigt. Die großen deutschen Lebensmittelhändler "beschäftigen" sich aber immerhin schon mit dem Thema "Null-Entwaldung und Nachhaltigkeit in ihrer Lieferkette", sagen sie.

Der Druck muss also erhöht werden, denn obwohl Europäische Union, Mitgliedsstaaten und Unternehmen das Problem sehen, sind konkrete Maßnahmen oder gar Verpflichtungen in weiter Ferne.

Die Studie von Mighty Earth ist hier nachzulesen: http://www.mightyearth.org/avoidablecrisis/

oder hier als pdf herunterzuladen: Avoidable Crisis, zum Download

SOJAANBAU IN SÜDAMERIKA - WIE DER URWALD FÜR DEUTSCHES FLEISCH GERODET WIRD
In Südamerika werden Tausende Hektar Urwald gerodet, ein einzigartiges Ökosystem ist bedroht. Unternehmen schaffen dort riesige Flächen für den Anbau von Sojabohnen - vor allem für deutsche Fleischproduzenten.

von Nicolai Kwasniewski, 26.03.2018

Riesige Rechtecke, wie eingestanzt in den Urwald des Gran Chaco, so weit das Auge reicht. Einige der gerodeten Flächen rauchen noch, Planierraupen schieben schwelende Baumstümpfe zusammen. Wie offene Wunden sehen die künftigen Plantagen aus, befreit von Bäumen, von Gürteltieren und Wildschweinen. Vorbereitet für den Anbau von Sojabohnen in gigantischen Monokulturen.

Es sind bedrückende Aufnahmen, die die US-Umweltschutzorganisation Mighty Earth mithilfe von Drohnen gemacht hat. Die Organisation hat Satellitenaufnahmen ausgewertet und ein Team nach Südamerika geschickt, um die Zerstörungen an 20 besonders betroffenen Standorten in der Region zu dokumentieren. Die Wälder und Savannen der Region Gran Chaco, nach dem Amazonas das zweitgrößte Ökosystem des Kontinents, erstrecken sich über den Norden Argentiniens, den Westen Paraguays und den Südosten Boliviens.

In den vergangenen Jahren sind Maschinen immer weiter in die Region vorgedrungen: Baumfällmaschinen, Frontlader, Planierraupen. Wohl auch für US-Großkonzerne werden hier Flächen geschaffen, um auf riesigen Feldern Soja anzubauen. In keinem anderen Gebiet weltweit geht die Umwandlung von Wald in Äcker rasanter voran als hier.

Südamerikanisches Soja für deutsches Fleisch

Weil das raue Klima des Chaco nicht optimal ist für den Anbau von Monokulturen, pflanzen die Bauern hier vor allem gentechnisch veränderte Sojabohnen. Die widerstehen nicht nur Wind und Wetter, sondern auch Agrarchemikalien wie Glyphosat, die hier im großen Stil eingesetzt werden und die Grundwasser, Seen und Flüsse vergiften. Die Sojaernte landet zum größten Teil in Deutschland, als Futter für die Tiermast.

Wer in deutschen Supermärkten Fleisch kauft, bekommt zwar in der Regel ein heimisches Produkt. Die Folgen der billigen Produktion sind allerdings auch in weit entfernten Ländern spürbar. Geschädigt werden nicht nur Tiere und Pflanzen, wie der Mighty-Earth-Report zeigt, sondern auch die Menschen. Das Gift im Wasser macht vor allem die Kinder krank. Die Zahl der Neugeborenen mit Geburtsfehlern steigt ebenso wie die Krebsrate und die Zahl der Atemwegserkrankungen. Immer wieder müssen Dörfer der Ureinwohner den Plantagen weichen - häufig werden die Menschen mit Gewalt vertrieben. Es sind erschütternde Berichte, die Mighty Earth zusammengetragen hat.

Vieles davon ist bekannt, aber noch nie war es so gut dokumentiert wie in dem aktuellen Bericht - und nie gab es so einen klaren Zusammenhang mit den deutschen Sojaimporten.

Züchter und Mäster haben Deutschland zum größten Sojaimporteur Europas gemacht, im Jahr 2016 lagen die Einfuhren bei 3,7 Millionen Tonnen Sojabohnen und 2,8 Millionen Tonnen Sojaschrot. Den weitaus größten Teil der Lieferungen beziehen die deutschen Importeure aus Südamerika - und sie nehmen nach Recherchen von Mighty Earth auch den Löwenanteil jenes Sojas ab, für die in Argentinien und Paraguay der Gran Chaco gerodet wird.

Diese Untersuchung von Lieferketten ist immer mühsam; kaum einer der Beteiligten möchte reden, Besitzverhältnisse von örtlichen Unternehmen oder Lagerstätten sind meist unklar. Die Großkonzerne, die das Soja weltweit kaufen und verkaufen, haben keine direkten Mitarbeiter in den entlegenen Regionen Südamerikas, Bauern oder Arbeiter sind nicht bei ihnen angestellt. Allerdings sammelten die Rechercheure vor Ort eine Kette von Indizien.

Händler, die nicht wissen wollen, woher ihre Ware kommt

Wer sich auf die Spur von Agrarrohstoffen wie Soja, Palmöl, Kakao oder Getreide begibt, gerät immer an dieselben Akteure; der weltweite Agrarhandel liegt im Wesentlichen in der Hand von nur fünf Unternehmen:

  • Archer Daniels Midland (ADM)
  • Bunge
  • Cargill
  • Louis Dreyfus
  • Wilmar

Sie sind weit mehr als reine Händler: Sie unterstützen Plantagenbesitzer mit Geld, Düngemittel oder Agrarchemikalien. Die Verbindung solcher Konzerne zu den Rodungen im Gran Chaco: Das Soja, das auf den frisch entwaldeten Flächen wächst, muss per Schiff außer Landes gebracht werden. Die Bauern vor Ort berichteten, dass fast die gesamte Ernte über die Flusshäfen der argentinischen Städte Rosario und San Lorenzo verschifft wird.

Mittelsmänner transportieren das Soja zu diesen Hafenstädten, von ihnen haben die Mighty-Earth-Mitarbeiter erfahren, wer angeblich den Hauptteil Lieferungen aufkauft: Es sind die Firmen Bunge und Cargill, zwei Giganten mit zusammen mehr als 180.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 150 Milliarden Dollar. Sie unterhalten Silos und andere Hafeneinrichtungen in Rosario und San Lorenzo - fast das gesamte direkt von Argentinien nach Deutschland importierte Soja kommt aus diesen Häfen.

Wer die Eigentümer der gigantischen Sojaplantagen sind, ist dagegen unklar, die Rechercheure trafen vor Ort keinen der Besitzer an. Die meisten Farmen gehören demnach ausländischen Konzernen oder Firmen mit Sitz in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires.

Mit den Recherchen konfrontiert, teilte Bunge mit, das Unternehmen habe keine Aufzeichnungen über Ankäufe bei den von Mighty Earth befragten Landwirten. Cargill antwortete, es sei unwahrscheinlich, dass seine Silos von den von der Organisation besuchten Orten beliefert würden, weil die Verarbeitungsanlagen nicht in der Nähe lägen. Beide Firmen haben sich öffentlich zu "Null-Entwaldung" in ihren Lieferketten verpflichtet, auf die Frage nach der Rückverfolgbarkeit gaben aber weder Cargill noch Bunge Antworten, die erkennen ließen, dass sie über vollständige Informationen über Standorte und Herkunft des Sojas in ihrer Lieferkette verfügten. Dazu sind sie aber auch nicht verpflichtet.

Nichts müsste gerodet werden - es gibt genug Flächen

Ob Ausrede oder Tatsache: Die mangelnde Transparenz der weltweiten Lieferketten ist immer wieder der Grund dafür, dass sich niemand für Umweltzerstörungen oder Menschenrechtsverletzungen verantwortlich fühlt. Ob Bananen, Kaffee oder Kakao, Kleidung, Kobalt oder Gold: Kein Unternehmen wird belangt.

Dabei wäre zumindest die Abholzung laut Mighty Earth vermeidbar: Flächen von insgesamt mehr als 650 Millionen Hektar in Lateinamerika seien bereits gerodet, dort könnten die Konzerne Soja anbauen, ohne weitere Ökosysteme zu zerstören. Und deutsche Unternehmen, so die Argumentation der Organisation, hätten die Macht, das durchzusetzen: Würden sie, als größte Abnehmer in Europa, keine Rohstoffe aus Entwaldung kaufen, hätte das eine enorme Wirkung.

Die großen Fünf, die zwei Drittel des deutschen Lebensmitteleinzelhandels kontrollieren - Edeka, Lidl/Kaufland, Rewe/Penny, Aldi und Metro/Real - sind sich der Folgen negativer Nachrichten durchaus bewusst. Und sie haben, gemeinsam mit den Tierfutterproduzenten als Großabnehmer, eine gewisse Machtposition gegenüber der Sojaindustrie. Mit den Recherchen im Gran Chaco konfrontiert, zeigen sich die Unternehmen betroffen und verweisen darauf, dass sie sich bereits mit dem Thema Null-Entwaldung und Nachhaltigkeit in ihrer Lieferkette beschäftigen.

Druck zeigt in Brasilien Wirkung

Einen zaghaften Schritt haben mehr als dreißig deutsche Händler, Futterhersteller und Fleischproduzenten bereits unternommen: Gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband und der Bundesregierung veröffentlichten sie im vergangenen Herbst ein Positionspapier. Darin verpflichteten sie sich zu nachhaltiger Fütterung - und damit auch zu umweltschonend angebautem Soja.

Der Haken: Weder verpflichteten sich die Unternehmen auf einen gemeinsamen Standard, noch implementierten sie eine echte Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette.

Dabei gibt es im brasilianischen Amazonasgebiet bereits ein Vorbild, dort ist eine funktionierende Waldüberwachung installiert. Die Ausweitung auf die anderen Soja produzierenden Regionen Lateinamerikas, einschließlich des Gran Chaco, würde laut Mighty Earth weniger als eine Million Dollar kosten.

Im brasilianischen Amazonasgebiet zeigte der Druck Wirkung: Es waren auch die Kunden in Deutschland, die die großen Agrarhandelsunternehmen dazu brachten, keine Rohstoffe mehr von Farmern zu kaufen, die an Abholzung beteiligt sind. Der Erfolg war groß, die Rodung von Flächen für den Sojaanbau stoppt fast vollständig. Nur die zwei Branchenriesen Bunge und Cargill machten weiter: Sie erkundeten weitere unberührte Waldgebiete, im brasilianischen Cerrado, im bolivianischen Amazonasgebiet und eben im Gran Chaco in Argentinien und Paraguay.

Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/sojaanbau-in-suedamerika-entwaldung-fuer-deutsches-tierfutter-a-1199151.html

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