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Ausmisten zum Jahreswechsel: Ortega entledigt sich seiner KritikerStichwörter: AktivistInnen unter Druck Menschenrechte Korruption

Die nicaraguanische Polizei hat Ende letzter Woche in einer abgestimmten Aktion die Büros mehrerer Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie Medien durchsucht, die Mitarbeiter zeitweise festgesetzt und Arbeitsgerät wie Computer und Festplatten geplündert. Der Aktion vorausgegangen war eine Parlamentsentscheidung zwei Tage vorher, die den betroffenen Organisationen wegen ihrer Beteiligung an den Protesten gegen die Regierung von Präsident Daniel Ortega im Frühjahr und Sommer diesen Jahres die juristische Person (also ihre gesetzlich anerkannte Rechtsfähigkeit) aberkannt und völlig rechtswidrig den Weg für willkürliche Hausdurchsuchungen frei gemacht hat.

Laut der Erklärung der Innenministerin María Amelia Coronel hätten die Organisationen gegen das Gesetz 147 für gemeinnützige Organisationen verstoßen. Sie seien aktiv an dem gescheiterten Putschversuch beteiligt gewesen und hätten den Terrorismus gefördert, Hassdelikte begangen und die Zerstörung öffentlicher und privater Institutionen unterstützt. Die - im Übrigen durch massiven Wahlbetrug 2016 zustande gekommene - Nationalversammlung verfügte zudem die Übertragung aller Vermögenswerte der neun Organisationen an den Staat.

Auch wenn der Schlag gegen die zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht wirklich überraschend erfolgte, lässt die Vorgehensweise erahnen, welche Bedrohung Ortega-Murillo für sich von diesen Organisationen ausgehen sah: als ob die Aberkennung des legalen Status und die gesetzlich vorgesehene Auflage, binnen zweier Wochen die Geschäftstätigkeit einzustellen nicht genügt hätte, sah sich die Ortega-Maschinerie genötigt, die Organisationen vor Ablauf der Frist die Arbeitsmittel zu entziehen und sie zu zerschlagen.

Flucht ins Exil: Mónica López Baltodano
Eine der 'abgewickelten' Organisationen ist Popol Na. Popol Na begleitete seit Jahren die Bewegung gegen den Bau des interozeanischen Kanals durch Nicaragua u.a. mit juristischer Hilfe und Aufklärungsarbeit. Die Anwältin Mónica López Baltodano schildert in einem Interview mit medico wie sich die Situation seit Beginn der Krise im April immer mehr zugespitzt hat, so dass sie schon im Oktober nach Costa Rica ins Exil musste:

Ich arbeite seit fünf Jahren an der Seite der Bauernbewegung gegen den geplanten Bau eines interozeanischen Kanals durch Nicaragua. In diesen Jahren gab es immer wieder Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen mich als Anwältin der Bewegung. Seit Ausbruch der Proteste im April hat sich die Lage im Land grundsätzlich verändert: Das Regime hat sich entschieden, auf gewalttätigste Art vorzugehen. []

Ab April haben die Verfolgungen derart zugenommen, dass ich im Juni untertauchen musste und in verschiedenen Schutzhäusern untergekommen bin. In den sozialen Medien haben die Drohungen gegen mich noch weiter zugenommen. Ich wurde als Terroristin verleumdet und mir wurden eine ganze Reihe illegaler Aktivitäten angehängt. Nach der willkürlichen Verhaftung meines Onkels Ricardo Baltodano, der auf Grundlage des neu geschaffenen Terrorismusgesetzes angeklagt wurde, gab es einen Vorfall mit meinen Eltern und meinem jüngeren Bruder, die nach einer Demonstration von Paramilitärs verfolgt und bedroht wurden. Sie konnten aber entkommen.

Ich wurde schließlich gewarnt, dass mein Leben in Gefahr sei. Es gebe nicht die Intention, mich festzunehmen und zu verurteilen, sondern mein Name sei in Zusammenhang mit Auftragsmördern gefallen, die das Regime offenbar unterhält.

In der Situation blieb nur noch die Flucht.

Das war noch vor der freitäglichen Heimsuchung: das CENIDH-Team will den Kampf nicht aufgeben.
Eine weitere, vielleicht gewichtigere Stimme der nicaraguanischen Zivilgesellschaft, die Ortega mit seiner Aktion letzte Woche zum Schweigen bringen will, ist das CENIDH bzw deren Direktorin Vilma Núñez. Vilma Núñez ist eine der bekanntesten MenschenrechtsaktivistInnen Lateinamerikas und eine vehemente Kritikerin von Präsident Daniel Ortega und seiner Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo.

Das CENIDH (Centro Nicaragüense de Derechos Humanos) setzt sich seit 28 Jahren für die Menschenrechte in Nicaragua ein. Seit Beginn der schweren politischen Krise im April 2018 dokumentiert die Organisation die gravierenden Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere regierungsnahe Gruppierungen - und zählt bisher über 600 politische Gefangene, die zum Teil im alten Foltergefängnis des Diktators Somoza 'El Chipote' einsitzen.

Die Gefangenen hatten an den großen Protesten teilgenommen, mit denen ein stetig wachsender Teil der Bevölkerung seit April gegen die Willkür und Korruption des Ortega-Regimes ankämpft, das eine brutale Unterwerfungsstrategie gegen die demokratische Oppositionsbewegung im Land entwickelt hat und pflegt.

Spontan umfirmiert: Ministerium mit neuem Aufgabenbereich
Die Arbeit einiger der betroffenen Organisationen sind auch (oder wurden in der Vergangenheit) durch Mittel des deutschen Bundesministeriums für Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert. Dass ihre Ausrüstung sowie noch vorhandene Mittel nun an den nicaraguanischen Korruptions-Staatsapparat fallen sollen, dürfte auch den deutschen Steuerzahler aufregen.

Michelle Bachelet, die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, forderte die Regierung Ortega auf, "die Verfolgung von Menschenrechtsaktivisten, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Journalisten und regierungskritischen Medien unverzüglich einzustellen". Insbesondere die mit deutschen Steuergeldern geförderten Organisationen erwarten, dass auch die Bundesregierung deutlich gegen diese Repression protestiere und sich für den Schutz der Menschenrechte und der kritischen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Nicaragua einsetze.

Die nach dem aktuellen Stand verbotenen und geplünderten Organisationen sind: CISAS, IEEPP, CINCO, CENIDH, HADEMOS, IPADE, Popol Na, Instituto de Liderazgo de las Segovias sowie die Fundación del Río.

Weitere Information siehe:
nzz: «Die Regierung klammert sich an die Macht, obwohl das Land in Trümmern liegt»
confidencial: Persecución y venganza contra Cenidh: más ONG en la mira
articulo66: Ministerio de Gobernación confisca a ONGs sus bienes inmuebles
ai: Nicaragua: Attack on CENIDH is a blow for human rights
taz: Staatliche Repression in Nicaragua Feldzug gegen unabhängige Stimmen
medico: Inmitten des Sturms, die Hoffnung
medico: Hintergründe Nicaragua: Etwas völlig Neues

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