Biodiversitätskonferenz COP15 beendet: Bringt das Abkommen jetzt ein Ende des Artensterbens?Stichwörter: Artenschutz Politik UN Schutzgebiete Biodiversität
UN-Konferenzen zum Arten- oder Klimaschutz starten in der Regel als Zusammenkunft der Unwilligen. Arten oder das Klima wirklich retten (wenn es dann drastischere Verhaltensänderungen erfordern würde) ist nicht das Anliegen der verhandelnden Staaten. Die meisten beugen sich dem Sachzwang noch unangenehmerer und drohender Folgeerscheinungen des Artensterbens und des Klimawandels .. und verhandeln dann darüber, wer von seinem Wirtschafts- und Lebensmodell ein wenig abgeben kann, um denen, die bisher schlechter gestellt sind, ein Stück weit eine Entwicklung zu finanzieren, die sie sich anderenfalls auf Kosten weiterer Artenvernichtung selbst hätten erarbeiten müssen. Und alle miteinander bekunden in der Regel, es künftig im Idealfall alles besser zu machen .. sprich: weniger Arten zu vernichten und den Klimawandel abzuschwächen.
UN-Generalsekretär António Guterres gab den rund 5.000 Delegierten bei der Eröffnung der Biodiversitätskonferenz (COP 15) in Montreal am 7.12. die Zielvorgabe mit auf dem Verhandlungsmarathon. Es gehe darum, die 'Orgie der Naturzerstörung' endlich zu beenden.
Und wie das nun konkret umgesetzt werden soll, darüber haben Regierungsvertreter- und ExpertInnen auf der COP15 im kanadischen Montreal inzwischen zwei Wochen lang verhandelt. In der Nacht zum Montag einigten sich die 196 Staaten auf ein Abkommen, mit dem das Artensterben und die anhaltende Zerstörung von Ökosystemen bis 2030 beendet werden soll. Das ist seither die erklärte Absicht - auf Papier.
Das Abkommen enthält 23 Ziele, mit denen die Natur bis zum Jahr 2030 auf einen Pfad der Erholung gebracht werden soll. Konkret verpflichtet sich die Staatengemeinschaft unter anderem dazu, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und der Meeresfläche des Planeten unter einen wirksamen Schutz zu stellen (30x30-Ziel). Außerdem sollen auf einer Fläche von 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme bis 2030 Renaturierungsmaßnahmen anlaufen.
30x30-Ziel und dann?
Das 30x30-Ziel geht auf eine Initiative von Wissenschaftlern zurück, die seit 2019 ein entsprechendes globales Abkommen forderten, um die biologische Vielfalt zu retten. Dazu gehörte auch, dass mindestens 30 Prozent der Erde offiziell geschützt werden sollen. Die High Ambition Coalition - eine Gruppe von mehr als 100 Ländern - hat sich seit ihrer Gründung im Januar 2021 für das 30x30-Ziel eingesetzt.
Solche flächenbezogenen Ziele gefallen aber nicht allen. Schutzgebiete haben koloniale Ideologien erhalten oder transportiert und auch schon die Rechte indigener Völker verletzt.
Einige internationale Organisationen setzten sich gegen 30x30 ein, da sie befürchteten, dass dies zu weiterem Landraub, Menschenrechtsverletzungen und der Enteignung indigener Völker weltweit führen werde.
Auf der COP 15 bestanden viele Länder darauf, dass dem ehrgeizigen 30x30-Ziel eine ebenso ehrgeizige Finanzierung gegenüberstehen müsse. Die Demokratische Republik Kongo lehnte das Abkommen am Montag zunächst mit dem Argument ab, dass die versprochenen Finanztransfers von den Industrieländern an die Entwicklungsländer immer noch unzureichend seien. Obwohl der Kongo später doch zustimmte, war die Spannung während des Treffens groß. Dem Delegierte aus Namibia nach rühren alle Probleme, die im Rahmen des Biodiversitätsabkommens (CBD) auftreten, von kolonialem Unrecht her.
All diese Bedenken - in Bezug auf Kolonialismus, globale Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen - flossen, um es im Diplomaten-Jargon auszudrücken, in die Verhandlungen über das Rahmenwerk auf der COP 15 ein .. und sind im Endtext, wie so häufig, kaum mehr wiederzufinden.
Der Vorschlag, indigene und traditionelle Gebiete als eigene Schutzkategorie, getrennt von den sonst üblichen Schutzgebieten, einzuführen, durfte vorgetragen und auch diskutitiert werden. Das International Indigenous Forum on Biodiversity argumentierte, dass die Einbeziehung indigener und traditioneller Gebiete in bestehende Schutzmaßnahmen, wie staatlich geführte Schutzgebiete, die Selbstbestimmung der Indigenen untergrabe. Doch letztendlich wurden indigene Gebiete im Rahmenwerk nicht als eigene Schutzkategorie eingeführt.
Einige Organisationen befürchten, dass dies die indigenen Völker einem größeren Risiko von Menschenrechtsverletzungen aussetzt, während andere die deutliche Formulierung im Rahmenwerk bezüglich der Achtung der Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften begrüßten.
Bewertung 1: Wieder nicht alle zufrieden!
Während Regierungen das Ergebnis als Durchbruch feierten, sehen Abgeordnete und NGOs das Ganze deutlich skeptischer:
- Jutta Paulus (Grüne), Mitglied des Europaparlaments, sagt: "Noch immer haben wir offenbar nicht verstanden, dass wir in der Land- und Forstwirtschaft wirklich etwas ändern müssen". Was dazu in dem Abkommen stehe, sei "sehr schwach". Auf Basis dieses Textes "können wir keine weiteren Änderungen anstoßen".
- Friedrich Wulf von der Schweizer Naturschutzorganisation "Pro Natura": "Für die klassischen Naturschutzthemen - Schutzgebiete, Verschmutzung, Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme - bietet das Abkommen gute Antworten, aber es packt die Ursachen nicht an." Die Textstellen zur Landwirtschaft seien widersprüchlich: "Es wird zwar die Biolandwirtschaft erwähnt, das ist gut", aber es wird auch von "nachhaltiger Intensivierung und innovativen Ansätzen" gesprochen, um Ländern Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten. "Das öffnet intensiver Landwirtschaft mit Naturzerstörung und dem Verlust von Artenvielfalt Tür und Tor" (Artenschutzkonferenz in Montreal).
Bewertung 2: sowieso nur unverbindliche Worte
Man darf bei all dem Aufwand - es waren rund 5.000 Delegierte aus 200 Ländern mobilisiert - nicht vergessen: Das in Montreal mühsam ausgehandelte Abkommen ist rechtlich nicht bindend. Es sind wie bei vorherigen Abkommen auch dieses Mal keine Kontrollen oder Sanktionen vorgesehen. Es bleibt zunächst einmal eine gut gemeinte Absichtserklärung.
Wie viel davon realisiert wird, zeigt sich in den nächsten Monaten, wenn die Vertragsstaaten daran gehen müssen, das Abkommen konkret umzusetzen.
Links zu weiteren Details & Infos:
Nations Adopt Four Goals, 23 Targets for 2030 In Landmark UN Biodiversity Agreement, cbd.int, 19.12.2022
Einigung beim Weltnaturgipfel - Jubel und Kritik, dieZeit, 19.12.2022
Weltnaturkonferenz "Ein sehr guter Tag", tagesschau.de, 19.12.2022
Demokratische Republik Kongo kritisiert Vorgehen auf der Artenschutzkonferenz der Spiegel, 20.12.2022
Indigenous Peoples and Local Communities celebrate COP15 deal on nature, forestpeoples.org, 19.12.2022