Pro REGENWALD

Neues Hintergrund Projekte Mitmachen Über uns Mithelfen/Spenden
Please leave these fields blank (spam trap):

Indigene Völker lehnen Emissionshandel und Forest Offset-Projekte abStichwörter: Klimawandel Indigene Politik

Ende April trafen sich in Anchorage, Alaska, knapp 400 Vertreter indigener Völker um ihren Standpunkt zum Klimawandel und zu den derzeit diskutierten Maßnahmen gegen den Klimawandel zu erörtern.

Nach 4 Tagen intensiver Besprechungen verabschiedeten sie im Konsens die Anchorage-Erklärung. Darin schreiben sie: 'Mutter Erde befindet sich nicht länger in einer Periode des Klimawandels, sondern in einer Klimakrise.' Sie fordern ein unverzügliches Ende der Zerstörung.

Wir haben diese Anchorage Declaration übersetzt und dokumentieren sie folgend:

Die Anchorage-Erklärung

  1. April 2009

Vom 20. bis 24. April 2009 trafen sich Vertreter indigener Völker der Arktis, Nordamerikas, Asiens, Pazifiks, Lateinamerikas, Afrikas, der Karibik und Russlands zum Klimagipfel der indigenen Völker (Indigenous People’s Global Summit on Climate Change) in Anchorage, Alaska. Wir danken den Ahtna und dem Volk der Dena’ina Athabasken, auf deren Land wir uns versammelten.

Als indigene Völker, die in den von den Auswirkungen und Hauptursachen des Klimawandels gefährdetsten Gebieten leben, drücken wir hier unsere gegenseitige Verbundenheit aus. Wir bekräftigen die unzerstörbare und heilige Verbindung zwischen Land, Luft, Wasser, Ozeanen, Wäldern, Meereisflächen, Pflanzen, Tieren und unseren menschlichen Gemeinschaften als die materielle und geistige Grundlage unserer Existenz.

Wir sind zu tiefst beunruhigt über die voranschreitende klimatische Zerstörung, die durch nicht nachhaltige Entwicklung herbeigeführt wird. Wir stellen tiefgreifende und unverhältnismässige, negative Auswirkungen auf unsere Kulturen, unser menschliches und ökologisches Befinden, auf Menschenrechte, Wohlbefinden, traditionelle Lebensweisen, Ernährungssouveränität, lokale Infrastruktur, wirtschaftliche Lebensfähigkeit und unser Überleben als indigene Völker, fest.

Mutter Erde befindet sich nicht länger in einer Periode des Klimawandels, sondern in einer Klimakrise. Wir bestehen deshalb auf ein unverzügliches Ende der Zerstörung und der Entweihung der Lebensgrundlagen.

Durch unser Wissen, unsere Spiritualität, Wissenschaften, Praktiken, Erfahrungen und Beziehungen zu unserem traditionellen Land, Gebieten, Gewässern, der Luft, Wäldern, Ozeanen, Mereeisflächen, anderen natürlichen Ressourcen und allem Leben, haben indigene Völker eine entscheidende Bedeutung für die Verteidigung und Heilung der Mutter Erde. Die Zukunft indigener Kulturen liegt in der Weisheit unserer Ältesten, in der Wiederherstellung der heiligen Rolle der Frauen, der Jugend von heute und der Generationen von morgen.

Wir bestehen darauf, dass die angestammten Rechte der indigenen Völker, die von der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte Indigener Völker (UN-DRIP) bekräftigt wurden, in allen Entscheidungsfindungsprozessen und Aktivitäten in Bezug auf Klimawandel voll respektiert werden müssen. Wie in den Artikeln 25-30 der Erklärung festgelegt, beinhaltet dies das Recht auf unser Land und Territorien sowie deren Umwelt und natürlichen Ressourcen. Wenn bestimmte Programme und Projekte diese beeinflussen, muss das Recht auf Selbstbestimmung der indigenen Völker respektiert werden, wie das Recht auf Freie, Vorherige und Informierte Zustimmung verdeutlicht. Dies schließt das Recht „Nein“ zu sagen ein. Die Abmachungen und Prinzipien der UNFCCC müssen den Geist der UN-DRIP wiederspiegeln.

Handlungsaufrufe

  1. Um das fundamentale Ziel der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) zu erreichen, rufen wir die fünfzehnte Konferenz der Parteien des UNFCCC auf, ein bindendes Ziel zur Reduzierung von Emission für Industriestaaten (ANNEX 1) zu unterstützen. Die Werte müssen 2020 mindestens 45% unterhalb der Werte von 1990 und 2050 mindestens 95% darunter liegen. In Erkenntnis der Hauptursachen des Klimawandels, rufen wir die teilnehmenden Staaten auf, an ihrer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu arbeiten. Außerdem rufen wir zu einem gerechten Übergang zu einer dezentralisierten erneuerbaren Energiewirtschaft auf, in der die Quellen und Systeme durch unsere lokalen Gemeinschaften besessen und kontrolliert werden, um Energiesicherheit und -souveränität zu erreichen.

    Zusätzlich haben die Teilnehmer des Gipfeltreffens zugestimmt, zwei Handlungsmöglichkeiten vorzustellen, die jeweils von einer oder mehreren der teilnehmenden regionalen Vertretungen unterstützt wurden. Diese lauten wie folgt:
    1. Wir rufen zum stufenweisen Abbau bisheriger und zum Stopp neuer Förderungen fossiler Brennstoffe auf oder in der Nähe der Länder und Gebiete indigener Völker auf.
    2. Wir rufen zu einer Entwicklung auf, die letztlich zu einem Ende des Zeitalters fossiler Brennstoffe führt, ohne gegen das Recht auf Entwicklung der indigenen Völker zu verstoßen.
  2. Wir rufen die Parteien des UNFCCC auf, die Bedeutung des – von indigenen Völkern geteilten – traditionellen Wissens und traditioneller Bräuche bei der Entwicklung von Strategien gegen den Klimawandel einzubeziehen. Außerdem fordern wir den UNFCCC auf, die historische und ökologische Schuld der Annex I-Staaten bei der Emission von Treibhausgasen anzuerkennen. Wir fordern diese Staaten auf, ihre historische Schuld zu begleichen.
  3. Wir fordern vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dem Millenium Ecosystem Assessment und anderen relevanten Institutionen, die indigenen Völker bei der Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels auf Indigene zu unterstützen.
  4. Wir fordern von den Entscheidungsgremien des UNFCCC, formale Strukturen und Mechanismen für und mit der vollständigen und effektiven Partizipation indigener Völker einzurichten. Insbesondere empfehlen wir, dem UNFCCC:
    1. regelmäßige technische Unterweisungen durch indigene Völker zu traditionellem Wissen und Klimawandel zu organisieren;
    2. das International Indigenous Peoples’ Forum on Climate Change und seine regionalen Brennpunkte in einer beratenden Rolle anzuerkennen und einzuschalten;
    3. sofort einen indigenen Schwerpunkt im Sekreteriat des UNFCCC zu errichten;
    4. in Absprache mit den indigenen Völkern indigene Vertreter die UNFCCC-Finanzierungsmechanismen zu ernennen;
    5. die notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung der vollständigen und effektiven Partizipation indigener und lokaler Gemeinschaften bei Aktivitäten zur Formulierung, Umsetzung, Überwachung, Verringerung und Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels, vorzunehmen.
  5. Alle Initiativen unter REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) müssen die Anerkennung und Umsetzung der Rechte der indigenen Völker sicherstellen, einschließlich der Sicherheit von Besitzverhältnissen, der Anerkennung traditionell angestammten Landes, Gebrauchs- und Gewohnheitsrecht und die vielfachen Leistungen von Wäldern für Klima, Ökosysteme und Menschen, bevor eine Maßnahme ergriffen wird.
  6. Wir fordern die Staaten auf, vermeintliche Lösungswege gegen den Klimawandel zu verwerfen, die negative Auswirkungen auf die Rechte indigener Völker, das Land, die Luft, Ozeane, Wälder, Territorien und Gewässer haben. Dies beinhaltet Atomenergie, großflächige Dämme, Geo-Engineering, „Clean Coal“, Agroenergie, Plantagen und marktbasierende Mechanismen wie CO2-Handel, den Clean Development Mechanism und Wald-Offsets. Die Rechte indigener Völker unsere Wälder und Waldlebensgrundlagen zu beschützen müssen gewährleistet sein.
  7. Wir fordern angemesse und direkte Finanzierung in Industrie- und Entwicklungsländern und die Schaffung eines Fonds, der es indigenen Völkern ermöglicht, vollständig und effektiv in allen Klimaprozessen, einschließlich Anpassung, Verringerung, Überwachung und Technologietransfer zu partizipieren, um so unsere Befähigung, Kapazität und Bildung zu fördern. Wir drängen die verantwortlichen UN-Gremien dazu, die Partizipation, Ausbildung und Kapazitäten indigener Jugend und Frauen zu erleichtern und zu finanzieren, um die Beteiligung in allen internationalen und nationalen Klimaprozessen zu sichern.
  8. Wir fordern von den Finanzinstituten Risikoversicherungen für indigene Völker, die sie nach Naturkatastrophen und extremen Wetterereignissen entschädigt.
  9. Wir fordern alle UN-Abteilungen auf, die Auswirkungen des Klimawandels – insbesondere auf indigene Völker – in ihre Strategie und Aktionspläne aufzunehmen. Hierzu gehören die Weltgesundheitsorganisation WHO, die UNESCO, das United Nations Permanent Forum on Indigenous Issus (UNPFII) etc. Wir fordren die FAO und andere zuständige UN-Gremien auf, eine Arbeitsgruppe indigener Völker einzurichten, um auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ernährungssicherheit und –souveränität für indigene Völker aufmerksam zu machen.
  10. Wir fordern das UN-Umweltprogramm (UNEP) auf, eine beschleunigte Bewertung der kurzfristigen Antreiber des Klimawandels, insbesondere Kohle, durchzuführen. Ziel soll die Aufnahme von Verhandlungen für eine internationale Vereinbarung sein, um Emissionen aus Kohle zu reduzieren.
  11. Wir fordern von den Staaten, die fundamentalen Menschenrechte und den Status von indigenen Völkern anzuerkennen und durchzusetzen. Hierzu gehören auch die Gemeinschaftsrechte zu traditionellem Eigentumsrecht, Nutzung, Zugang, Bewohnen und Besitzrecht von traditionell angestammtem Land, Luft, Wäldern, Gewässern, Ozeanen, Meereisflächen und heiligen Stätten genauso wie die in Verträgen bekräftigten Rechte in Bezug auf Landnutzung und Strategien zur Verringerung der Auswirkungen durch den Klimawandel. Vor allem müssen die Staaten gewährleisten, dass indigene Völker das Recht auf Mobilität haben und nicht gewaltsam von ihrem traditionellen Land und Territorium entfernt oder umgesiedelt werden können. Zusätzlich muss das Recht, in freiwilliger Abgeschiedenheit leben zu könenn, aufrecht erhalten werden. Im Falle von Klimaflüchtlingen, müssen sich entsprechende Programme und Maßnahmen ihrer Rechte annehmen.
  12. Wir fordern die Staaten auf, Territorien, Gewässer, Wälder, Meere, Eisflächen und heilige Stätten, die indigenen Völkern genommen wurden und unsere traditionelle Lebensweise eingeschränkt hat, zurückzugeben und wiederherzustellen. Wir waren gezwungen, unser Land zu unrechten Zwecken zu gebrauchen und mussten es somit Klimabedingungen aussetzen, die den Klimawandel begünstigen.
  13. Um die Bereitstellung der für unser Überleben benötigten Ressourcen in Anbetracht der Klimakrise sicherzustellen, erklären wir unsere Gemeinschaften, Gewässer, Luft, Wälder, Meere, Eisflächen, angestammten Länder und Territorien zu „Ernährungssouveränitätsgebieten“, die von indigenen Völkern festgelegt und gemäß traditioneller Rechte gemanagt werden. Frei von chemisch-industrieller Lebensmittelproduktion und ausbeuterischen Industrien, d.h. frei von Verunreinigungen, Agrotreibstoffen, genetisch veränderten Organismen und Entwaldung.
  14. Wir ermutigen unsere Gemeinschaften zum gegenseitigen Informationsaustausch, der den Schutz und den Respekt von intellektuellen Eigentumsrechten auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene gewährleistet, wie es zu unserem traditionellen Wissen, Innovationen und Praktiken gehört. Dies beinhaltet Land-, Wasser- und Eisflächennutzung, traditionelle Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Saatgut, Futterpflanzen, Pastoralismus, Tiere und Medizin. Elemente, die essentiell sind für Anpassungs- und Entschärfungsstrategien an den Klimawandel, die Wiederherstellung unserer Ernährungssouveränität und –unabhängigkeit sowie zur Stärkung unserer indigenen Familien und Nationen.
Mit Menschlichkeit bieten wir an, unser traditionelles Wissen, unsere Innovationen und Gebräuche zu teilen, um dem Klimawandel zu begegnen, solange unsere fundamentalen Rechte als generationsübergreifende Hüter dieses Wissens vollständig anerkannt und respektiert werden.
Wir wiederholen noch einmal die dringende Notwendigkeit zu gemeinsamem Handeln.
Im Konsens verabschiedet von den TeilnehmerInnen des 'Indigenous Peoples’ Global Summit on Climate Change, Anchorage Alaska', am 24. April 2009 (Übersetzung: Pro REGENWALD, Frank Stenger & Martin Glöckle)

Kommentare

Please leave these fields blank (spam trap):

Kein HTML erlaubt.
Bitte verschont uns hier vor Werbeeinträgen, inhaltsfernem, beleidigendem oder anderweitig nicht tragbarem Geschreibe. Wir löschen solche Einträge, wollen aber nicht jeden Tag kontrollieren müssen.


Kommentar kann bis zu 30 Minuten nach dem Abschicken geändert werden.

Please leave these fields blank (spam trap):