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Abgefahren
BR 163, die Straße zum Ende des Regenwalds
Stichwörter: Brasilien Entwicklung Raubbau Waldzerstörung

Über 40 Jahre schon erhitzt eine Straße in Brasilien die Gemüter. Für die einen ist sie die Schlagader der wirtschaftlichen Entwicklung einer Riesenregion im schlecht erschlossenen Amazonasgebiet, für die anderen ist sie Highway to Hell, der zur Zerstörung des Regenwalds führen wird.

Recht haben beide. Die Bundesstraße BR 163 steht für den Streit über den Umgang mit dem Amazonasgebiet. Wird sie die fast 1800 Kilomenter von Cuiabá in Mato Grosso bis nach Santarém zuende gebaut - bisher sind große Abschnitte noch nicht asphaltiert und somit wochenlang kaum passierbar - dann dürfte das Ende des Regenwalds links und rechts der Straße besiegelt sein. Und dies trotz aller Auflagen, die die Regierung an den Bau der Straße geknüpft hat. Denn der Arm des Gesetzes reicht nicht in den letzten Winkel der Region, in der fast alle Entwicklung illegal vorangetrieben wird.

Karin Steinberger von der Süddeutschen Zeitung hat einige Menschen entlang der BR 163 getroffen.

Die Straße

Der Soja-Highway reißt eine Kluft durch das brasilianische Amazonasgebiet. Einigen verhilft er zu Reichtum. Für andere ist er der direkte Weg in die Öko-Katastrophe.

von Karin Steinberger

Am Anfang der Straße sitzt Otaviano Pivetta. Aufmerksam, aber auch ein bisschen gelangweilt. Er ist lange genug im Geschäft, er kennt das Blabla, irgendwann kommt immer die Frage, wie das ist mit dem Soja und den Rindern und Regenwald. Er hockt da und schaukelt auf seinem Bürostuhl herum wie auf einem Gaul. Was sie immer wollen. Er ist ein Cowboy, er hat dieses gottverlassene Land erobert, ist vor 27 Jahren als Lastwagenfahrer hierhergekommen, hat mit ein paar Hektar angefangen auf dieser miserablen Erde südlich des Amazonas- Regenwaldes, wo der Boden so sauer ist, dass sie Kalk zuführen müssen, damit etwas wächst. Nichts gab es hier im Cerrado Anfang der achtziger Jahre, keine Menschen, keinen Strom, keine anständige Straße, 210 Kilometer musste er mit dem Bus fahren, um ein Telefonat zu führen. Nur Land gab es. Also kaufte er sich 200 Hektar und baute Reis an. Daraus sind mittlerweile 230 000 Hektar geworden, Soja, Mais, Baumwolle, Reis. Auf gepachteten Weiden grasen seine 89 000 Rinder.

Man kann sagen, es ist gut gelaufen für Otaviano Pivetta.

Seine Firma Vanguarda do Brasil machte 2007 einen Umsatz von 139 Millionen Euro, er ist einer der reichsten und mächtigsten Männer dieser Gegend, Politiker, Großgrundbesitzer, Sojabaron. Sein Büro hat eine Wand aus Glas, von hier oben kann er sie gut sehen, die Stadt Cuiabá, Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso, gegründet von bandeirantes auf der Suche nach Gold, Diamanten und Sklaven. Abenteurer, so wie er, der dorthin zog, wo Brasilien wild war, wo Männer nach Schweiß rochen und Gesetze nicht dafür da waren, befolgt zu werden. In der Ferne sieht man den Cerrado, die Savanne Zentral-Brasiliens. Früher standen hier Bäume, es gab Säugetiere und Vögel und Reptilien ohne Zahl. Viele sind nicht geblieben, das Land ist wie abrasiert, baumlos, reglos. Auch da, wo der Cerrado in Regenwald übergeht. Nirgendwo in Brasilien wurde mehr Soja angebaut, nirgendwo mehr Urwald abgeholzt als in Mato Grosso. Es herrscht Goldgräberstimmung. Der Erfolg frisst sich immer weiter in den Norden, in den Regenwald, immer der Straße entlang. Otaviano Pivetta lehnt sich auf seinen gigantischen Schreibtisch: "Nicht einen Baum habe ich gefällt." Dann lässt er sich wieder nach hinten fallen, schaukelt und wartet.

Draußen auf der Bundesstraße BR 163 kommt ein Lastwagen nach dem anderen aus dem Norden, Soja, Baumwolle, Schweinehälften, Rindfleisch, Richtung Cuiabá, dann weiter Richtung Meer, Richtung Europa und China. 2400 Kilometer, immer in die falsche Richtung. Das macht ihn wahnsinnig, wo es doch einen Weg gäbe, der nur halb so lang ist. Die selbe Straße Richtung Norden, Richtung Amazonas. Halber Weg, halbe Kosten. Wenn sie nur endlich durchgehend geteert wäre.

Hier in Cuiabá fängt sie an, die BR 163, die Cuiabá-Santarém-Road, 1770 Kilometer von Nord nach Süd, mitten durch den Regenwald des Amazonas. Aber nicht einmal die Hälfte der Strecke ist geteert, nur die 801 Kilometer von Cuiabá bis Nova Santa Helena, kurz vor der Grenze zwischen den Bundesstaaten Mato Grosso und Pará wird sie zu einer Piste, in der Regenzeit unbefahrbar. Für Pivetta ist die BR 163 die Achse der Expansion, der Soja-Highway, die Straße zum Erfolg, hinauf zum Amazonas-Hafen von Santarém. Für andere ist sie Zerstörung, denn mit den Straßen fängt alles an im Regenwald. Mit der Straße kommen die Holzfäller, die sich illegal Mahagonibäume und teures Hartholz aus dem Wald holen. Dann die Viehzüchter, die den Rest niederbrennen und Gras pflanzen, um ihre Rinder draufzusetzen. Es herrscht Krieg, wo Straßen in den Urwald brechen. Pistoleros, Sklavenarbeit, Bestechung, gefälschte Papiere. Grileiros legen falsche Besitzurkunden in Schubladen voller Heuschrecken, um sie alt und echt aussehen zu lassen. Und ganz am Ende kommen die Sojabarone und werden Besitzer von Land, das eigentlich keiner besitzen darf. Bäume müssen sie nicht mehr fällen, weil keine mehr da sind. So ist der Weg der Straßen.

Für Pivetta ist die BR 163 eine Glücksader. Sein ganzes Leben hat er an ihr aufgebaut. Nur die Logistik ist ein Desaster, sie könnten viel mehr produzieren, wenn endlich der Abtransport besser wäre. Aber die Politiker kümmern sich ja nicht. Pivetta sagt, der größte Feind der brasilianischen Agrikultur ist die brasilianische Regierung. Dann macht er eine Pause, er, der Politiker. Als würde er mit dem Wechselkurs nicht schon genug Schwierigkeiten haben. Und mit den Subventionen für die europäischen und amerikanischen Bauern. Und mit den Spekulanten an der Warenterminbörse in Chicago, die mit ihren Zockereien die Preise hierhin und dorthin jagen. Rauf und runter, wie einen verdammten Gummiball.

Und natürlich die Umweltschützer, über die in Cuiabá keiner mehr ein schlechtes Wort verlieren will, nicht vor der Presse, im Gegenteil, man wolle Fehler korrigieren, Frieden mit der Umwelt schließen. Sagt Pivetta, dessen Traktoren und Rinder die Erde traktieren. Aber damals, als sie hier ankamen, seien sie verpflichtet gewesen, zu roden, sonst hätten sie das Land verloren. "Ich fühle mich nicht als Sünder", sagt Pivetta. Kein Wort über die Naturschützer, die die Straße einfach nicht fertig asphaltieren lassen. Wo er doch gar nichts fällen will, es gebe genug freies Land, so viel, dass man die Produktion verdoppeln, ach, verdreifachen könnte. Nein, er wolle dem Urwald nichts antun, sondern Geld machen. Na ja, und die Welt ernähren, klar, das auch.

"Unsere Beziehung zur Umwelt ist heute anders. Ihr werdet es sehen, wenn ihr Farmen besucht", sagt er. Also fährt man los, Richtung Norden. 245 Kilometer sind es bis Nova Mutum. 245 Kilometer fast ohne Baum. Der Bruder wartet schon.

Grün ist die Welt, in der Adriano Xavier Pivetta sitzt. Das Hauptquartier der Firma Vanguarda do Brasil liegt wie ein Ufo mitten in endlosen, weiten Feldern. Dann fängt er an zu schwärmen. Hört gar nicht mehr auf. Das viele Eiweiß, die Fette, die Kohlenhydrate, die Mineralstoffe. Und sie wächst wie der Teufel. Glycine max, die Sojabohne. Was wäre die Welt ohne Soja. Was wären die Pivettas ohne Soja. Diese Pflanze hat sie reich gemacht, und mächtig. Mit dem ersten Regen im September pflanzen sie, nach 95 bis 100 Tagen ernten sie. Dann kommt die kleine Ernte, Mais, Baumwolle, auf denselben Feldern. Pflanzen, ernten, pflanzen. Reste verfüttern sie an ihre Schweine und ihre Hühner und ihre 89 000 Rinder, verwandeln pflanzliche Proteine zu tierischen. Es ist eine gigantische Produktionskette - ohne Ende und Anfang.

Sie könnten die ganze Welt ernähren, wenn man sie ließe, sagt der kleine Bruder. Wenn sie endlich die Straße bis Santarém ausbauen würden, gäbe es kein Limit, für den Export und den Gewinn. Aber so wie es ist, bleiben 40 Prozent der Kosten auf der Straße, sagt Adriano Xavier Pivetta, schüttelt den Kopf. Was für ein Unsinn. In die falsche Richtung.

Wanderlei Antänio Pignati kennt das. "Klar ist Soja gut - für Sojafarmer." Er sitzt in der Universität von Mato Grosso do Sul. Nicht weit entfernt von Otaviano Pivetta. Sein Zimmer hat keinen Ausblick, keinen großen Schreibtisch, die Klimaanlage produziert mehr Lärm als Kälte. Auch er schüttelt den Kopf. "Sie wollen die Welt ernähren mit Soja? Wer isst denn ihr Soja, die Armen in Afrika jedenfalls nicht. Die Tiere fressen es", sagt er und wühlt in seinen Unterlagen. Wo doch jeder weiß, dass sieben pflanzliche Kalorien verbraucht werden, um eine tierische herzustellen. Unsinniger kann man die Welt nicht ernähren.

Für Wanderlei Antonio Pignati ist die BR 163 die Straße des Irrsinns. Er ist Arzt, er kennt viele Geschichten, Krankengeschichten. Es sei nicht weit von Nova Mutum zu einer Gemeinde, rechter Hand der Straße, 50 Familien. Die Siedlung ist umzingelt von Soja. Zehntausende Hektar. Im Osten, im Westen, im Norden, im Süden. Nichts als Monokulturen, zwei Meter neben der Schule. Weil es keinen interessiere, das Gesetz, das eine 500 Meter breite, unbepflanzte Zone vorschreibt um Menschen, Tiere und Flüsse herum. Aber sie sprühen ihre Herbizide und Insektizide und Fungizide überall. Es ist ihre Art, die Störrischen zu vertreiben, die Kleinbauern, die ihre Felder nicht verkaufen wollen. Es ist ihre Art, Land zu erobern.

Wanderlei Antänio Pignati kann stundenlang von Giften reden und von Verwehungen, wenn wieder einmal Wolken von Agrargiften wie Paraquat und Duquat und 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure über die Städte an der BR 163 ziehen. Wolken der Gier. Selbst Endosulfan versprühen sie in gigantischen Mengen, ein Gift, das in der Europäischen Union seit Jahren verboten ist. 200 Kilogramm chemische Düngemittel brauche ein Hektar Soja, und zehn Kilo Agrargifte. Und Gen-Soja noch viel mehr. Die Menschen hätten Allergien, Lungenerkrankungen, Vergiftungen, Krebs. Seit Jahren untersucht er den Wahnsinn. Er ist ein kauziger, ernsthafter Mann, er hat Studien gemacht und veröffentlicht, er hat belegt, dass sich von 1998 bis 2008 die Zahl der bepflanzten Hektar in Mato Grosso verdreifacht hat und die Zahl der Krebserkrankungen und der angeborenen Fehlbildungen auch. In Sorriso, der Hauptstadt des Soja, hätten sich die Krebserkrankungen und Missbildungen sogar verfünffacht.

"Na, wie war die Fahrt auf der schlechten Straße?", fragt Clomir Bedin. Er kennt das, die vielen Laster, die vielen Löcher. Er sitzt 432 Kilometer nördlich von Cuiabá in seinem Bürgermeisterbüro, das gelb ist und steril, wie aus dem Katalog. Willkommen in Sorriso, in keiner anderen Gemeinde Brasiliens wird so viel Soja produziert. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt weit über dem Durchschnitt des Landes. Bedin strahlt. 1986 zog er mit seiner Familie in das Amazonasgebiet. Es scheint, als könne er sein Glück noch immer nicht fassen. Damals gab es keine asphaltierte Straße, es war das Ende der Welt. Viel Urwald, wenig Menschen. Aber dann ging alles so schnell. "Wir haben die Begriffe von Zeit, Geschwindigkeit und Raum verloren. Hier gibt es eine so große Fruchtbarkeit, dass man selber Wurzeln schlägt. Ich bin verliebt, verliebt in diesen Ort", sagt er, sein Haartolle schaukelt verwegen.

Er ist berauscht vom Erfolg, redet von den vier Forschungszentren der Stadt, in denen Monsanto und andere die Natur zu Höchstleistungen drillen. Schneller, höher, effizienter. Er erzählt von Kautschukbäumen, die sie gezüchtet haben und die dreimal so viel produzieren, von Eukalyptushybriden, hochproduktiv und resistent gegen Wassermangel. Sie seien bereit, die Welt zu ernähren. "Wir müssen ein Nahrungsmittel haben, das fertig ist für die Mikrowelle. Es kann nicht sein, dass man Soja zu den Chinesen schickt und den Europäern. Das europäische Pferd muss das fertige Futter hier fressen." Und weil er gerade in Fahrt ist, sagt er noch: "Der Wald ist wichtig, aber nur, wenn er uns dient. Wir können nicht Sklaven der Natur sein, wir sind das höchste Gut." Mensch oder Wald. So einfach ist das hier.

Viereckig ist seine Stadt, und die BR 163 geht mittendurch. Wenn es die Straße nicht gäbe, wären sie noch immer das Ende der Welt. Man werde hier keinen finden, der gegen den Ausbau der BR 163 bis hoch nach Santarém sei, sagt der Bürgermeister. Sie müsse geteert werden und verbreitert, durch den Regenwald bis zum Hafen. Es sei höchste Zeit. "Ihr wollt billiges Essen für die Welt? Die Straße in den Norden würde die Kosten halbieren", sagt Bedin. Dann schickt er einen in das größte Silo der Stadt, 270 000 Tonnen Speicherkapazität, 4,5 Millionen Säcke. Das sind hier die Relationen. Und dann in die Luft. Von oben kann man sehen, dass nichts geblieben ist. Im dichten Grün des Regenwaldes befinden sich auf einem Hektar oft mehr Baumarten als in ganz Europa. Der grüne Teppich unter einem besteht aus einer einzigen Pflanze - Soja. Die Europäer müssten endlich verstehen, dass den Wald abzuholzen nicht bedeute, das Universum zu zerstören, sagt ein junger Sojafarmer. Dann lacht er. So wie der Bürgermeister gelacht hat, als er gefragt wurde, wer die Verlierer des Erfolgs seien: "Verlierer sind all die, die nicht hierhergekommen sind. Das sind die Verlierer."

Ein paar Stunden weiter Richtung Norden, an einem Ort, den man nicht nennen sollte, sitzt Schwester Leonora Brunetto, klein und unerschrocken. Sie kennt die Verlierer. Die Indianer, denen sie ihre Flüsse vergiften und ihre Wälder abholzen, und die Kleinbauern, denen die pistoleros Knarren an den Kopf halten, wenn sie nicht verschwinden. Hier ist das Land der Viehbarone, die sich gleich nach den Holzfällern in den Wald vorarbeiten, um ihre gigantischen Herden zu ernähren. Ein Rind pro Hektar, weil der Boden nach ein paar Jahren nicht mehr hergibt. Unersättlich ist der Hunger auf Fleisch, der Hunger auf Land. Die kleinen Landbesetzer haben keine Chance gegen die großen Landräuber. Wer nicht geht, lebt nicht lange. Die amerikanische Schwester Dorothy Stang kam nicht weit von hier ums Leben. Auftragsmord. Das Übliche.

Schwester Leonora kichert, Angst hat sie keine mehr. Bringt ja nichts. Gott schützt sie. Und die Menschen. Einen Jungen haben sie erschossen, weil er sie bewacht hat. Sie wechselt Aufenthaltsorte, Adressen, aber sie folgen ihr. Alles nur, weil sie für die Landlosen kämpft und die Arbeiter, die auf illegalen Farmen gehalten werden wie Sklaven. "Wenn sie kommen, zeigen sie ihnen ihre Waffen und Friedhöfe voller Leichen. Sie sagen, du kannst fliehen, aber dann endest du wie die da. Wer krank wird, wird erschossen, sonst erzählt er von den Zuständen." So sei das hier an der BR 163, der Straße des Fortschritts. Je weiter in den Norden man kommt, desto weniger Gesetze gelten. Alles ist illegal. "Ein kleiner Landbesitzer, der eine kleine Fläche zerstört, wird bestraft und ins Gefängnis gesteckt. Und die Großen, die Großen sind groß." Sagt Schwester Leonora und kichert nicht mehr. "Hier werden nur die Rinder gut versorgt. Sie haben einen Tierarzt, bekommen Impfungen, sie haben gesunde Nahrung. All das gibt es für Menschen nicht", sagt sie. Dann winkt sie zum Abschied. Sie weiß, es könnte ihr letzter sein.

Das Ende ist ungeteert, 969 Kilometer zieht sich das rote Band durch den Urwald, Stunde um Stunde, kleine Straßen spreizen sich ab wie Fischgräten. André Muggiati sitzt im Flieger und starrt hinunter. Er ist Greenpeace-Aktivist. Seit Jahren registriert er die illegale Abholzung. Er weiß, wie die Vernichtung des Regenwalds von oben aussieht. Er kennt die Zahlen. 700 000 Quadratkilometer wurden in den letzten 30 Jahren gerodet, fast ein Fünftel des ursprünglichen Amazonas. 80 Prozent davon in einem 50 Kilometer breiten Streifen entlang der Straßen. "Hey, da vorne ist ein neues Gebiet, ziemlich groß, 1000 Hektar, alles illegal. Und die Rinder sind schon da", sagt der Pilot. Muggiati öffnet das Fenster, macht Fotos. Es ist immer das gleiche Spiel, sie kreisen um ihre Hütten und ihre Herden, zeichnen die neuen, kahlen Flächen in Karten ein, registrieren, melden, klagen an. Es geht trotzdem weiter. "Das ist der völlige Kontrollverlust der brasilianischen Regierung", sagt André Muggiati.

Am Ende der Straße wartet Maria Ivete Bastos dos Santos, Präsidentin des Landarbeiterverbandes in Santarém, und erzählt von Morddrohungen. Ihr Bodyguard, Pistole im Gürtel, lässt sie nicht aus den Augen. Man kann sagen, es ist nicht so gut gelaufen für die, die kämpfen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.192, Samstag, den 22. August 2009 , Seite 59

Einige Links zum Weiterlesen:

Das Drama des Dschungels, Rainer Stadler, SZ-Magazin (2006-06)

O desafio da rodovia BR-163, Instituto Socioambiental (Text Portugiesisch)

Kommentare

# Lisa am 28.08.2009, 11:51

Ein sehr interessanter Artikel. Die BR 163 ist ein Paradebeispiel für das Spannungsverhältnis von wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz.

Man kann Verständnis dafür aufbringen, dass sich Länder und Regionen entwicklen wollen und auch das Recht dazu besitzen.
Das rechtfertigt zwar nicht die Zerstörung des Regenwaldes mit all seinen Konsequenzen. Hinter dem Wunsch, an Entwicklung teilzuhaben, verbergen sich erstmal keine bösen Absichten. Daher wird die Schwere der Tat in gewisser Weise relativiert.

Aber wer profitiert von der BR 163?
Trauigerweise sind das nicht hungernde Menschen in Afrika oder sonstwo, wie Wanderlei Antänio Pignati im Artikel bemerkt. Auch nicht die Arbeiter auf illegalen Farmen oder die durch Chemikalien erkrankte Bevölkerung.

Es sind nur wenige Kriminelle, die immer reicher werden und wir aus dem "Westen", die konsumieren. Je billiger umso besser.
Genau diese Ungerechtigkeit ist das Perverse.
Als ob der Verlust wertvoller Ökosysteme nicht schon schlimm genug wäre.

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