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Chefredakteur von wir-klimaretter:
In Kopenhagen geht es nicht um Klimaschutz
Stichwörter: Politik CO2 Klimawandel Klimaschutz Wirtschaft

So langsam sollte der Klimagipfel in Kopenhagen in Fahrt gekommen sein. Sich die Abgesandten halbwegs darüber verständigt haben, wie sie die Emissionen runterfahren und die Ausgleichszahlungen auf den Weg bringen, die den armen Ländern helfen sollen, die von den reichen verursachten Klimawandelsfolgen besser zu ertragen.

Die EU hat letzte Woche versprochen, Geld zu geben. Viel Geld, über 7 Milliarden Euro über 3 Jahre. Den Armen ist das nicht genug. Der Sprecher der Entwicklungsländer, der Sudanes Lumumba Di-Aping weist das Angebot als Brotkrumen hinwerfen zurück und kritisiert in einem Interview in der Frankfurter Rundschau die fehlende Verhältnismäßigkeit.

Trotzdem stimmen die Relationen nicht. Die EU und auch die USA geben weit mehr Geld für Militär als für Klimaschutz aus. Und überlegen Sie: Selbst die Londoner Banker stecken sich dieses Jahr mehr Boni in die Tasche, als die EU für das Klima aufwenden will. [...]

Der Gesamtbedarf für Anpassung an den Klimawandel, den Transfer grüner Technologie und den Aufbau entsprechender Institutionen weltweit liegt zwischen 300 und 500 Milliarden Euro pro Jahr. Davon muss Europa seinen gerechten Anteil übernehmen.

Die von der EU für weltweite Anpassungsmaßnahmen diskutierte 100 Milliarden jährlich sind dem Sprecher zu wenig, da diese Mittel für den ökologischen Umbau nicht ausreichen würden.

Vielleicht geht es den Vertretern der reichen Länder aber gar nicht so sehr um einen fairen Umbau und eine angemessene Entwicklung der aufbegehrenden Länder, eine These, auf die auch der Chefredakteur Nick Reimers von wir-klimaretter.de im folgenden Interview hinweist.

Interview mit einem Klimaretter
"Klar ist: Es wird richtig teuer"

Vom 7. bis zum 18. Dezember trifft sich die Welt zur Klimakonferenz in Kopenhagen. Der Klimagipfel wird seit zwei Jahren akribisch vorbereitet. Dennoch werden die Regierungsvertreter das zentrale Ziel, ein Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll, in Kopenhagen nicht erreichen. "Das Problem ist, dass es nicht um Klimaschutz geht, sondern um Wirtschaftsmacht", sagt Nick Reimer, Chefredakteur des Portals wir-klimaretter.de. "Es geht um die Frage: Welche Wirtschaft darf weiter wachsen und welche nicht?"

n-tv.de: Wer trägt die Hauptverantwortung dafür, dass Kopenhagen scheitern wird?

Nick Reimer: Zur Beantwortung dieser Frage müsste man definieren, was man unter Scheitern versteht. Der Gipfel wird Ergebnisse produzieren. Die Frage wird sein: Helfen die dem internationalen Klimaschutz weiter? Genaugenommen finden in Kopenhagen zwei Klimakonferenzen statt. Das eine ist die COP, die Conference of the Parties, also das Treffen der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Das andere ist die MOP, das Treffen der Members of Protocol, die Konferenz der Staaten, die dem Kyoto-Protokoll beigetreten sind. Zumindest die MOP-Tagung wird Ergebnisse produzieren.

Welche?

Ein wichtiges Ergebnis wird sein, dass endlich der Anpassungsfonds gestartet wird, der im Kyoto-Protokoll vorgesehen ist. Damit sollen die Länder des Südens in die Lage versetzt werden, sich an die Klimafolgen anzupassen. Gespeist wird dieser Fonds über eine zweiprozentige Abgabe auf alle CDM-Projekte.

CDM-Projekte?

Die Projekte des Clean Development Mechanism, des Mechanismus für saubere Entwicklung. Der sorgt dafür, dass Industrieländer es sich anrechnen lassen können, wenn sie über Projekte in Entwicklungsländern Treibhausgas-Emissionen reduzieren.

Warum wird der Anpassungsfonds erst jetzt beschlossen?

Um den Fonds wurde gerungen, seit er bei der Klimakonferenz 2001 in Marrakesch ins Leben gerufen wurde. Zuerst wurde darum gestritten, wie sich dieser Fonds füllt. Die Klimakonferenz 2006 in Nairobi beschloss eine zweiprozentige Steuer auf jedes CDM-Projekt, das dem Fonds zu Gute kommt. Dann ging es vor allem um die Frage, wo er institutionell angesiedelt wird. Die Industriestaaten wollten den Anpassungsfonds der Weltbank zuordnen. Dagegen liefen die Entwicklungsländer Sturm. Sie sagten, die Weltbank hat bei uns die Bildungssysteme kaputtgemacht und die Sozialsysteme zusammengestrichen, jetzt sollen wir uns das Geld bei dieser Institution abholen? Die Entwicklungsländer wollten den Fonds lieber selber verwalten, was die Industriestaaten nicht akzeptierten. Mittlerweile sind diese Fragen geklärt, und wenn nicht noch irgendein Verhandlungsdebakel dazwischen kommt, wird der Anpassungsfonds in Kopenhagen offiziell gestartet. Es ist also nicht so, dass in Kopenhagen nichts rauskommen wird. Nur für den Post-Kyoto-Prozess, den wichtigsten Prozess im internationalen Klimaschutz, sieht es schlecht aus.

Dabei hatte die Welt vor zwei Jahren bei der Klimakonferenz auf Bali beschlossen, dass in Kopenhagen ein neues Klimaschutz-Protokoll verabschiedet werden soll.

Das ist die "Bali Road Map": Der Plan war, zwei Jahre lang zu verhandeln, um dann in Kopenhagen ein Nachfolge-Abkommen für das Kyoto-Protokoll zu haben. Jetzt sind wenige Tage vor Beginn der Konferenz noch immer zu viele technische Fragen offen, so dass zu befürchten steht, dass es wieder bloß ein politisches Agreement gibt, gewissermaßen eine zweite Road Map.

Sie haben den Erfolg beim Anpassungsfonds betont. Aber lohnt es sich überhaupt noch, innerhalb von Kyoto zu verhandeln? Das Protokoll läuft ja schon Ende 2012 aus.

Diese Frage ist der zentrale Konflikt zwischen den USA und den Entwicklungsländern, an ihr droht der nächste Weltklimavertrag zu scheitern. Die Entwicklungsländer wollen überhaupt nur einen Kyoto-II-Vertrag aushandeln. Denn sie betrachten das Kyoto-Protokoll als verbrieftes Schuldeingeständnis der Industrieländer: Schuld an der Erderwärmung ist der reiche Norden. Das sehen die Entwicklungs- und die Schwellenländer als gute Ausgangslage, auf dieser Basis wollen sie weiterverhandeln.

Und die USA?

Präsident Bill Clinton und sein Vize Al Gore sind seinerzeit ohne ein Verhandlungsmandat des US-Kongresses nach Kyoto gefahren. Sie haben das Protokoll zwar unterschrieben, aber im Kongress nie eine Mehrheit dafür bekommen. Dadurch ist Kyoto verbrannt für die Amerikaner. Sie wollen nichts verhandeln, was nach Kyoto riecht, schmeckt oder aussieht. Zumal im Kyoto-Protokoll steht, dass Staaten, die ihre Reduktionsverpflichtungen nicht erfüllen, im Anschlussprotokoll das 1,3-Fache an Reduktionen erbringen müssen.

Wo steht die EU in diesem Konflikt?

Den Europäern ist es eigentlich egal. Die wollen etwas Ähnliches wie Kyoto.

An wem liegt es dann, dass es in Kopenhagen kein Kyoto-Nachfolgeabkommen gibt?

Die Schuldfrage ist nicht so leicht zu beantworten. Wenn die Amerikaner Kyoto noch einhalten wollten, müssten sie ihren Treibhausgasausstoß in den kommenden zwei Jahren um 20 Prozent reduzieren. Das ist nicht machbar. Wenn Schwellenländer wie China oder Indien ein bisschen an ihrer Position schrauben und nicht so stur auf Kyoto pochen würden, dann könnten die USA ganz anders debattieren. Das Problem ist, dass es nicht um Klimaschutz geht, sondern um Wirtschaftsmacht. Es geht um die Frage: Welche Wirtschaft darf weiter wachsen und welche nicht? Als China seinerzeit Kyoto unterzeichnete, war es ein relativ unbedeutender Emittent. Seitdem erlebte China jedes Jahr Wachstumsraten um die 10 Prozent. Die Folge: Inzwischen ist China der weltgrößte Produzent von Treibhausgasen. Natürlich, wenn es gelingt, in den grünen Energiepfad einzusteigen, dann ist Wirtschaftswachstum nicht mehr gleichbedeutend mit steigendem Kohlendioxid-Ausstoß. Aber so weit sind wir noch nicht. Und deshalb wird in Kopenhagen knallhart um Wirtschaftspolitik gefeilscht.

Es liegt also an China und Indien und an den USA?

Nein, so einfach ist das nicht: Zwischen 1903 und dem Jahr 2000 haben die USA knapp 260 Milliarden Tonnen produziert, China dagegen nur gut 71 Milliarden Tonnen. Also argumentieren die Chinesen: Amerika muss beim Klimaschutz in Vorleistung gehen und uns zeigen, dass klimafreundliches Wirtschaften funktioniert. Dem amerikanischen Unterhändler Jonathan Pershing unterstelle ich durchaus, dass er willig ist. Aber er kann nichts zusagen, das nicht vom Senat gedeckt ist. Die Amerikaner werden den Fehler von Kyoto nicht wiederholen und etwas zusagen, für das es später keine Zustimmung im Kongress gibt. Deshalb warten jetzt alle darauf, dass der Senat endlich das Klimagesetz verabschiedet. Die Senatoren wollen aber nichts beschließen, was der US-Wirtschaft Nachteile gegenüber China bringt.

Welche Rolle spielt Kanzlerin Merkel im internationalen Klimapoker? Vor zwei Jahren galt sie noch allgemein als Hoffnungsträgerin, vor einem Jahr bei der Klimakonferenz in Posen überwog die Enttäuschung.

In der Tat muss man sagen, dass Angela Merkel in der ersten Hälfte ihrer ersten Amtszeit den Klimaschutz fulminant auf die Agenda gesetzt hat. Als es aber darum ging, konkrete Politik zu betreiben, hat sie schwer versagt. Wir haben einmal das Meseberg-Paket der Großen Koalition angeguckt und was daraus geworden ist. Das ist nicht viel. Wahrscheinlich wird nicht einmal die Hälfte von dem realisiert, was Deutschland an Verpflichtungen zugesagt hat. Zwischen der Rhetorik und der konkreten Politik gibt es einen ganz eklatanten Graben. Posen war insofern ein Wendepunkt, als Merkel schon im Vorfeld versuchte, deutsche Wirtschaftsinteressen zu schützen. Ob Autos, Kohlekraftwerke oder Emissionszertifikate: Auf europäischer Ebene ist Frau Merkel ganz klar eine Klimabremserin.

Wie schätzen Sie die chinesische Verhandlungsstrategie ein? Verbindliche Festlegungen lehnt Peking bislang ab.

McKinsey hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass China bis 2030 durchschnittlich 12 Prozent Ernteeinbußen zu verkraften haben wird, wenn nichts gegen den Klimawandel getan wird. Den Chinesen ist absolut bewusst, dass sie etwas tun müssen. Und sie sind auch bereit dazu. Sie haben angekündigt, ihren CO2-Ausstoß im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zu senken.

Was immer noch eine absolute Steigerung wäre.

Möglicherweise. Aber es wäre ein Anfang. Dann gibt es noch einen zweiten Pfad innerhalb der G77, der Gruppe der Schwellen- und Entwicklungsländer, das ist der Pfad der Urwald-Staaten, also vor allem Indonesien und Brasilien. Auch sie sind bereit, Klimaschutz zu betreiben, allerdings auf eine ganz andere Art und Weise. Sie fordern einen finanziellen Ausgleich, wenn sie die Abholzung ihrer Regenwälder stoppen. Die Brandrodung der Regenwälder ist nach wie vor die zweitgrößte Kohlendioxid-Quelle der Welt, gleich nach der Energiewirtschaft. Wenn man das stoppen könnte, hätte man schon sehr viel erreicht.

Im Moment ist davon die Rede, dass es zwar nicht in Kopenhagen, aber doch im kommenden Jahr einen rechtlich bindenden Vertrag geben soll. Darin wird es nicht nur Ausgleichszahlungen für die Regenwälder geben - für die Industriestaaten wird der internationale Klimaschutz insgesamt nicht billig werden.

Ja, es wird teuer, und zwar richtig teuer. Die Weltbank, die unverdächtig ist, Panik schüren zu wollen, hat ermittelt, dass bis 2050 jährlich bis zu 100 Milliarden Dollar notwendig sind, um die Länder des Südens in die Lage zu versetzen, sich an den Klimawandel anzupassen. Es geht also um sehr viel Geld. Und: Je länger wir warten, desto teurer wird es.

Glauben Sie, unsere Politiker können das ihren Wählern verkaufen?

Hätte der Mensch ein Sinnesorgan für die Erderwärmung, wäre der Schmerz momentan ziemlich groß - die Menschheit hätte es gar nicht so weit kommen lassen, sondern schon damals, als das Problem sichtbar wurde, mit Handeln angefangen. Nun haben wir aber so ein Sinnesorgan nicht, deshalb muss Politik das den Wählern verkaufen: Das Gemeinwohl ist in Gefahr, wir müssen handeln! Die jüngsten Wahlen in Japan, den USA oder Australien haben auch gezeigt, wenn Politik das Thema auf die Agenda setzt, dann begreifen es die Leute und votieren entsprechend. Aber bevor wir anfangen, darüber nachzudenken, wie Politiker das Problem den Wählern verkaufen können, müssen die Politiker erst einmal begreifen, in welchem Film wir hier sind. Bisher haben das nur ganz wenige verstanden.

Woran liegt das?

Am Geld. Die fossilen Lobbys sind so dermaßen gut mit Geld ausgestattet, dass sie die öffentliche Meinung stark beeinflussen können. Das Liberale Institut der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung richtet jetzt eine Klimakonferenz aus, bei der ausschließlich Klimaleugner zu Wort kommen. Wir haben uns mal die Mühe gemacht zu gucken, wer die finanziert. Das ist beispielsweise der Ölkonzern Exxon.

Lohnt es sich bei so viel Gegenpropaganda überhaupt, auf Fleisch, Flüge und andere Klimaschweinereien zu verzichten?

Der Klimawandel ist ein kollektives Problem; unser bisheriges gesellschaftliches und wirtschaftliches System fordert uns ja geradezu auf, wie ein Klimaschwein zu leben. Es kann also nur eine kollektive Lösung geben. Aber klar ist auch: Wer das Problem einmal verstanden hat, muss zwangsläufig Haltungen ändern. Noch jammert die Mehrheit, mit einem Tempolimit wäre unsere Freiheit bedroht. Dass unsere Freiheit durch den Klimawandel bedroht ist, ist noch nicht ins kollektive Bewusstsein eingedrungen.

Quelle: Mit Nick Reimer sprach Hubertus Volmer

Adresse: http://www.n-tv.de/politik/klimagipfel/Klar-ist-Es-wird-richtig-teuer-article623342.html


Kommentare

# Brunner, Karl am 15.12.2009, 17:56

Es stimmt, es wird richtig teuer, aber nur für den einfachen Arbeiter, wie immer, muss er die Rechnung tragen.Die Politik hat die Zeit verpennt um etwas zu erreichen und nun zahlt das Volk.

K. Brunner

Nordhorn

# ingeborg zoeppritz am 17.12.2009, 16:52

Dem Kommentar von Karl Brunner ist wenig hinzuzufügen. Die Ohnmacht, die verantwortungsvolle Menschen jetzt fühlen, wird zur Wut über das Unvermögen der Politiker sich zu einigen. Trotzdem mache ich bei allen einschlägigen Petitonen und Kampagnen mit, mit einem vorerst vielleicht frustierenden Gefühl aber der Zuversicht, daß auch kleine Beiträge in der Masse letztendlich Erfolg haben werden.

Ingeborg Zöppritz
München

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